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Christine Sauerbrey, geb. Behrens, *1889

Seit 1924 in mehreren Heilanstalten, "verlegt" 1941, Hadamar
Ermordet 16.6.1941; Aktion T4


Karl-Bröger-Straße 15
Bremen-Gröpelingen
ehemalige Straßenbezeichnung: Farger Straße 15

Verlegedatum: 11.10.2013

Christine Sauerbrey

Christine Sauerbrey

Christine Sauerbrey wurde am 24.9.1889 als jüngstes von acht Kindern in Gröpelingen geboren. Ihr Vater war der Schneidermeister Johann Diedrich Behrens, ihre Mutter Adelheid Behnken.

Der Dreher Johann Hermann Sauerbrey, dessen Familie aus Thüringen stammte, arbeitete bei der Deschimag (AG „Weser“). Am 1908 heiratete er in Gröpelingen – gegen den erklärten Willen der Brauteltern – Christine Behrens. In rascher Folge kamen dann von 1908 bis 1912 vier Kinder zur Welt, allesamt Mädchen.

Nach dem Ersten Weltkrieg schloss sich Johann Sauerbrey den Bremer Linksradikalen an, einer marxistischen Untergruppe der SPD, und musste nach dem Scheitern der Räterepublik untertauchen. Er setzte sich nach Moskau ab. Von dort kehrte er Monate später geläutert zurück, vom Kommunismus durch eigene Anschauung bekehrt. Doch die Bremer Polizei fahndete weiter nach ihm. Mehrfach wurde auch Christine Sauerbrey verhört. Sie wurde verhaftet, ohne Rücksicht auf die vier allein zurückbleibenden kleinen Kinder. Erst Wochen später kam sie wieder frei.

Die Angst um ihren Ehemann, die Unsicherheit über seinen Verbleib, die ständigen Verhöre, die Schande der Verhaftung und die mehrfachen Gefängnisaufenthalte – all das erschütterte sie zutiefst. Die Sorge um die Familie lastete auf ihren Schultern, sie schuftete auf der Werft. Sie wurde krank, depressiv, aggressiv und äußerte schließlich Wahnideen. Anfang 1924 wurde sie in die Bremer Nervenklinik mit Diagnose Schizophrenie eingeliefert. Die Familie zerfiel, die Kinder wurden auf Verwandte verteilt.

Im Mai 1931 erfolgte die Verlegung von Christine Sauerbrey in die „Lippische Landes- Heil- und Pflegeanstalt Lindenhaus“ in Lemgo-Brake. Körperlich ging es ihr hier gut, aber die Schizophrenie besserte sich nicht. So kam sie von 1933 bis 1938 erneut in die Bremer Nervenklinik. Am 23.11.1938 wurde sie in die „Landes- Heil- und Pflegeanstalt“ nach Lüneburg verlegt und dort ab 1940 für die „Aktion T4“ selektiert, um ihr – so die Krankenakte – „den Gnadentod zu gewähren“.

Die Todeskandidaten wurden zunächst in die „Landesheilanstalt Herborn“ in Hessen verlegt. Christine Sauerbrey traf dort am 9.4.1941 mit 130 weiteren Frauen aus Lüneburg ein. Bereits am 16.6.1941 wurde sie zusammen mit 120 weiteren Opfern im Bus von Herborn nach Hadamar verbracht und dort unmittelbar nach der Ankunft in einer Gaskammer getötet. Das offiziell mitgeteilte Todesdatum (30.6.1941) war ebenso gefälscht wie die Todesursache (Typhus abdominalis).

Die Urne mit ihrer Asche – wenn es denn die ihre war – wurde auf dem Friedhof in Bremen beigesetzt.

Traute Konietzko (2019)

Informationsquellen:
Landesarchiv Nordrhein-Westfalen in Detmold (Akte des Lindenhauses; darin medizinische Daten und Briefe auch von
Christine Sauerbrey und Dr. W. Bender)
Engelbracht, Gerda: Der tödliche Schatten der Psychiatrie – Die Bremer Nervenklinik 1933 -1945, Bremen 2002
„Verlegt nach Hadamar“. Die Geschichte einer NS-„Euthanasie“-Anstalt. Historische Schriften des Landeswohlfahrtsverbandes
Hessen, Kataloge Band 2, Kassel 2009
Bott, Jutta M.: „Da kommen wir her, da haben wir mitgemacht…“. Lebenswirklichkeit und Sterben in der Lippischen Heil- und Pflegeanstalt Lindenhaus während der Zeit des Nationalsozialismus. Landesverband Lippe, Institut für Lippische Landeskunde, Lemgo 2001

Abbildungsnachweis: Privatbesitz

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag "Euthanasie" / Zwangssterilisation