Karl Armgardt, *1876
Eingewiesen 22.8.1940 Bremer Nervenklinik, "verlegt" 9.12.1943 Heilanstalt Meseritz-Obrawalde,
ermordet 28.12.1943
Schwachhauser Heerstraße 264
Bremen-Schwachhausen
Karl Armgardt
Karl (Geburtsurkunde: Carl) Ernst Armgardt wurde am 13.8.1876 in Bremerhaven geboren. Seine Eltern waren der Werkmeister und Kesselschmied Heinrich Armgardt (1849 - 1927) und seine Ehefrau Johanna, geb. Janßen (1849-1919). Sie waren lutherischen Glaubens und lebten damals in der Langenstraße 97. Karl Armgardt hatte zwei jüngere Schwestern, Frieda und Augusta, die 1878 und 1884 geboren wurden. Lt. Meldebuch der Stadt Bremerhaven wohnte er noch 1896 bei seinen Eltern in der Jacobstraße 32. Die Eltern zogen 1896 nach Stettin, wohnten dann 1909 bis 1911 in Vegesack, wo die Mutter starb. Der Vater lebte danach bis zu seinem Tod wieder in Bremerhaven.
Im Alter von 28 Jahren, am 8.4.1904, heiratete Karl Armgardt in dem kleinen Ort Midlum (Kreis Lehe) Friede-Nanny Ahrens (geb. 1872), die die einzige Tochter eines dortigen Bauern war. Zu diesem Zeitpunkt wohnte er im Nachbardorf Cappel. Aus der Ehe ging der Sohn Karl-Heinz hervor, der am 16.3.1905 in Midlum im Elternhaus der Mutter geboren wurde.
Karl Armgardt war acht Jahre zur Volksschule gegangen, hatte drei Jahre das Lehrerseminar besucht sowie zwei Jahre eine Präparandenschule (Präparandenanstalten bereiteten – als unterste Stufe der Volksschullehrerausbildung – auf das Lehrerseminar vor. Diese Ausbildung schloss sich unmittelbar an die Volks- bzw. Mittelschule an). Mit 21 Jahren begann er seine Lehrertätigkeit. Er unterrichtete in den umliegenden Dörfern. 1924 – mit 48 Jahren – wurde Armgardt vorzeitig pensioniert wegen „Herzasthma“.
1927 zog die Familie von Spieka (zwischen Bremerhaven und Cuxhaven) nach Bremen um. Nachdem die Familie kurz in der Prangenstraße 31 und dann für drei Jahre in der Thedinghauser Straße 2 gewohnt hatte, zog sie dreimal kurzzeitig um und wohnte schließlich von 1933 bis 1940 in der Schönhausenstraße 42. Dort starb Armgardts Ehefrau Nanny am 20.4.1940. Er wohnte danach in der Schillerstraße 12 und zog am 10. Juli in das Altenheim „Landhaus Horn“ um (Schwachhauser Heerstraße 264; später ein Hotel, heute eine Stiftungsresidenz der Bremer Heimstiftung). Sechs Wochen später kam er in die Bremer Nervenklinik. Der stationäre Aufenthalt dort – von Juli 1940 bis zur Deportation im Dezember 1943 – wurde nur von zwei kurzen Phasen unterbrochen.
Aus der Krankenakte geht hervor, dass Armgardt nach dem Tod seiner Frau von zunehmender Unruhe und Schlaflosigkeit geplagt gewesen und schließlich „wegen manischer Phase eingewiesen“ worden sei. Er habe zwar bereits 1930 einen Schlaganfall gehabt, mit der Folge einer rechtsseitigen Lähmung und zeitweisem Sprachverlust; aber das sei alles wieder zurückgegangen. In der Krankenakte findet sich die Bemerkung, Armgardt sei lebenslang immer viel zu ernst gewesen, aber „zeitlich, örtlich und zur Person ausreichend orientiert“. Während seines gut dreijährigen Aufenthalts in der Klinik sei er meist manisch gewesen, habe aber immer wieder depressive Phasen gehabt und zeitweise Wahnideen entwickelt. Er sei um die Weihnachtszeit 1940 einen ganzen Tag durch die Stadt gelaufen mit dem Gedanken, sich das Leben zu nehmen.
Ende November 1943 wurde die Bremer Nervenklinik durch Bombardierung erheblich beschädigt. Am 9.12.1943 wurde Karl Armgardt in die Tötungsanstalt Meseritz-Obrawalde "verlegt", wo er bereits am 28.12.1943 starb; angebliche Todesursache laut Krankenakte: „Exit let. Altersschwäche“. Sein Sohn Karl-Heinz, ursprünglich kaufmännischer Angestellter, war von 1940 bis 1945 bei der Gestapo Bremen beschäftigt; nach dem Krieg befand er sich im Internierungslager Darmstadt. Er starb 1962 in Bremen.
Franz Dwertmann (2017)
Informationsquellen:
Archiv Klinikum Bremen-Ost: Krankengeschichte Karl-Ernst Armgardt
StA Bremen Einwohnermeldekartei
Stadtarchiv Bremerhaven: Familienbogen 1.4.1899; Geburtsregister Alt-Bremerhaven 1876, Reg.-Nr. 312; Meldebuch
über An- und Abmeldungen 1893-93 (Bestand Nr. 16); Lehrerpersonalakten (Bestand Alt-Bremerhaven, Fach 181-222)
Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz I HA Rep 76 Seminare (74 Verzeichnungseinheiten des Evangelischen Seminars und der Präparandenanstalt Bederkesa)
Kreisarchiv Cuxhaven: Standesamt Midlum/Geburtsregister, Heiratsurkunde
Engelbracht, Gerda: Der tödliche Schatten der Psychiatrie, Bremen 1996/2002
Weitere Informationen:
Glossarbeitrag "Euthanasie" / Zwangssterilisation
Glossarbeitrag "Heilanstalten"