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Luise Otten, geb. Goebelsmann, *1913


VERHAFTET 21.7.1944, „WEHRKRAFTZERSETZUNG“, TODESURTEIL 25.7.1944, 25.9.1944 UMGEWANDELT 10 JAHRE ZUCHTHAUS, ZUCHTHAUS LÜBECK, ENTLASSEN 13.5.1945


Rekumer Straße 181
Bremen-Blumenthal

Verlegedatum: 19.07.2022

Luise Otten

Luise Otten
geb. 13.8.1913

Luise Otten wurde als Tochter von Wilhelm Goebelsmann und seiner Ehefrau in Paderborn geboren. Sie heiratete 1932 Diedrich Otten, ihren ersten Mann (die Ehe wurde 1942 geschieden), lebte in Bremen-Walle und war als Straßenbahnschaffnerin tätig. In den 1940er Jahren war ihr Vater Gendarmerie-Bezirks-Oberwachtmeister in Bremen-Farge, ihre Eltern wohnten in der Rekumer Straße 181 (damalige Hausnummer 263) im Haus des Maurers und NSDAP-Blockwarts Albert Stock zur Miete. Luise Otten lebte 1944/45 eine Zeit lang bei ihnen.

Im November 1942 wurde sie als Luftwaffenhelferin eingezogen und ab August 1943 in der Küche einer Luftwaffeneinheit in Bassum beschäftigt. Am Tag nach dem misslungenen Attenttat auf Hitler, als man überall und auch unter den Küchenfrauen davon sprach, war sie die einzige, die bedauerte, dass Hitler nicht umgekommen war. Das wurde schließlich dem Kommandeur hinterbracht, und sie wurde am 25.7.1944 von einem Feldgericht wegen "Wehrkraftzersetzung" zum Tode verurteilt. Ihr Vater, der im Gerichtssaal anwesend war, wandte sich umgehend an den Oberbefehlshaber der Luftwaffe Hermann Göring und bat um Gnade für seine Tochter.

Im Gefangenenhaus Ostertorwache erhielt Luise Otten Besuch von ihrer Mutter. Zu ihren Eltern hatte sie ein sehr herzliches Verhältnis, dachte oft an sie und schmuggelte Briefe an sie aus der Haft (wie den langen Brief am 1.4.1945, in welchem sie ausführlich ihre Erlebnisse seit dem 20.7.1944 schilderte). In einem dieser Briefe bezeichnete sie ihre Zelle als "Todeszelle", weil hierin schon zuvor zum Tode Verurteilte untergebracht worden waren.

Am 25.9.1944 gab Göring dem Gnadengesuch statt und wandelte die Todesstrafe in eine Zuchthausstrafe von zehn Jahren um; Luise Otten erfuhr davon erst Ende Oktober 1944. Am 16.11.1944 kam sie in das Zuchthaus Lübeck-Lauerhof. Dort wurde sie im Mai 1945 von der britischen Militärregierung, die den Haftgrund nicht anerkannte, befreit: "Am 13. Mai 1945 wurde ich rechtmäßig, und von den Ersten eine, mit Papieren entlassen. [...] Alle Brücken über die Elbe waren gesperrt. Ich war erst Mitte Juni in Farge bei den Eltern", berichtete sie 1995.

Luise Otten lernte nach dem Zweiten Weltkrieg in Farge ihren zweiten Mann, den Polier Friedrich Röhrs, kennen und lebte mit ihm bis in die 1950er Jahre in einem Behelfsheim, einer Baracke der U-Boot-Bunkerbaustelle, in der heutigen Straße Unterm Berg. 1959 zog das Paar dann aus Farge weg nach Lesum in die Neubau-Siedlung Auf dem Halm.

Luise Otten (verh. Röhrs), die erstmals 1986 im Buch von Marßolek/Ott öffentlich erwähnt wurde, übergab 1988 ihre persönlichen Briefe, Gedichte und Akten in Kopie der Göttinger Geschichtswerkstatt. Ihr Fall wurde 2009 postum in der Wanderausstellung "Was damals Recht war..." u.a. in der Unteren Rathaushalle in Bremen präsentiert. Von den Bremer Behörden wurde Luise nicht als Verfolgte des Nazi-Regimes anerkannt, die Verurteilung für rechtens erachtet. Aus einem "Härtefonds für vergessene NS-Opfer" gewährte man ihr lediglich ab April 1991 eine kleine Rente von 400 DM.

Luise Otten engagierte sich gemeinsam mit Ludwig Baumann im Verein "Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz". Wie zahlreiche andere Opfer der NS-Justiz wurde sie erst durch das am 25.8.1998 vom Deutschen Bundestag beschlossene 'Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege' rehabilitiert. Lui­se Otten er­krank­te ge­gen Ende ih­res Le­bens schwer und starb 2000 durch Sui­zid.


Quellen und Literatur
Staatsarchiv Bremen, Akte 4,54-E 6145

Marßolek, Inge/Ott, René (Hrsg.): Bremen im 3. Reich. Anpassung-Widerstand-Verfolgung. Bremen 1986, S. 393, 407, 506

Röhrs Luise: Bremen, 17. Januar 1995. So habe ich das Kriegsende erlebt, von Frau Luise Röhrs, damals 32 Jahre alt. In: Meyer-Pabst, Rolf (Hrsg.): So haben wir das Kriegsende erlebt. Broschüre der Bremer VHS in Bremen-Nord. April 1995, S.33-34

Baumann, Ulrich, Koch, Magnus, Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas (Hrsg.): Was damals Recht war – Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht. Berlin-Brandenburg 2008, S.156-157

Büttner, Maren: Die Luftwaffenhelferin Luise Otten. In: Maren Büttner: Zersetzung und Zivilcourage. Dissertation Universität Erfurt 2011, S.117-120