Biografie im Erinnerungsportal, kein Stolperstein vorhanden
Dr. med. et dent. Lazarus Ehrmann, *1890
1933 Flucht nach Palästina,
verstorben 1950
Außer der Schleifmühle 77
Bremen-Mitte
Lazarus Ehrmann
Lazarus Ehrmann, geboren am 24.6.1890, stammte aus einer Lehrerfamilie in Friedberg/Hessen. Seine Eltern waren Heinrich und Regina Ehrmann, geb. Pfeiffer. Sein Vater übernahm 1884 die Stelle des Ersten Kantors und Religionslehrers in der jüdischen Gemeinde Friedberg. Martha Ehrmann kam aus Ottersberg und war die Tochter von Moses Freudenberg und seiner Ehefrau Emilie, geb. Levisohn. Das Ehepaar hatte acht Kinder. 1910 zog die Familie nach Bremen und Moses Freudenberg eröffnet in der Woltmershauser Straße 324/326 eine Manufakturwarenhandlung.
Dr. Lazarus Ehrmann zog am 28.12.1920 nach Bremen. Hier heiratete er am selben Tag die Dentistin Martha Freudenberg. Das Ehepaar hatte eine Tochter: Helga Martha Tirzah (geb. 1924). Nachdem sie 1926 das Haus Außer der Schleifmühle 77 erwarben, richteten sie hier gleichzeitig ihre Praxen ein; er eine allgemeinärztliche Praxis, sie eine Zahnarztpraxis.
Bereits 1933 begannen die Einschränkungen in der Berufsausübung für jüdische Ärzte und Zahnärzte, die auch die Ehrmanns zu spüren bekamen. Daraufhin beschloss Lazarus Ehrmann, seine Praxis in Bremen zu schließen und wanderte am 6.9.1933 - als erster Bremer Arzt - nach Palästina aus. Der Aufbau einer neuen beruflichen Existenz in Palästina misslang jedoch. Neben der finanziellen Unterstützung in den ersten Jahren durch seine Frau, musste er seinen Lebensunterhalt durch berufsfremde Arbeiten, u. a. im Straßenbau, sichern. Schwere Erkrankungen trugen dazu bei, dass er zunehmend verelendete und die Sozialfürsorge ihn in einer verfallenen Baracke auffand. Nachbarn und entfernte Verwandte brachten ihm zu essen. Er wurde im Oktober 1949 in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen und verstarb dort in Tel Aviv am 16.10.1950.
In der Pogromnacht vom 9. auf den 10.11.1938 wurde Martha Ehrmann mit ihrer Tochter von NS-Uniformierten zur Sammelstelle beim Alten Gymnasium gebracht. Sie erinnerte sich später: "Als wir das Haus verließen, sah ich, das unsere Nachbarn an erleuchteten Fenstern standen. Durch die leeren Straßen der Stadt wurden wir mitten in der Nacht auf einen großen von Scheinwerfern beleuchteten Schulhof gebracht." Im Morgengrauen wurden sie freigelassen. Nach diesen Ereignissen schloss sie am 29.11.1938 ihre Praxis, betrieb die Auswanderung und verkaufte einen Teil des Grundbesitzes. Bis zu ihrer Auswanderung arbeitete sie als Krankenschwester im jüdischen Krankenhaus in Hamburg.
Sie konnte ihre Tochter Helga am 8.5.1939 in einen Kindertransport nach England unterbringen. Martha Ehrmanns Vater, Moses Freudenberg, war bereits im Februar 1939 nach England geflohen. Sie selbst verließ am 4.8.1939 mit ihrer Schwester Jenni Neumann Deutschland auf einem kleinen Frachtdampfer nach England. Ein kleiner Koffer und 10 Mark waren ihr noch von ihrem Vermögen verblieben.
Nach dem Krieg übersiedelte Helga Ehrmann nach Kanada, dort heiratete sie Walter Loevinsohn, einen deutschen Emigranten. Martha Ehrmann folgte ihr 1950 und verstarb fast hundertjährig am 26.8.1987 in Montreal.
Auf Wunsch der Familie werden keine Stolpersteine verlegt.
Peter Christoffersen (2024)
Informationsquellen:
Staatsarchiv Bremen, Akte 4,54-E9937, 4,54-Ra343, Einwohnermeldekartei
Niermann/Leibfried: Die Verfolgung jüdischer und sozialistischer Ärzte in Bremen in der "NS"-Zeit, Bremen 1988
www.alemannia-judaica.de/friedberg_synagoge.htm