Biografie im Erinnerungsportal, kein Stolperstein vorhanden
Marie Cäcilie Gröger, *1912
Verfolgung, Flucht
Ostertorsteinweg 77
Bremen-Mitte
Marie Cäcilie Gröger
Familienbiografie
Berthold Gröger
Agnes Gröger, geb. Winke
Marie Cäcilie Gröger
Berthold Gröger wurde 13.4.1877 in Smichow/Prag geboren, Sohn von Ignatz Gröger und dessen Frau Cäcilie (geb. Goldberg), beide jüdischen Glaubens. In der Ehe wurden noch drei weitere Kinder geboren. Die Familie besaß seit 1884 eine „Wiener Bäckerei“ in Bromberg (ehem. Westpreussen). Ihr Sohn Berthold besuchte dort die Oberrealschule, und schloss im elterlichen Betrieb die Ausbildung mit der Meisterprüfung ab.
Mit 19 Jahren wurde Berthold Gröger zum Militärdienst eingezogen (1899). Doch der Bruch eines Daumens in seiner Kindheit und dessen Spätfolgen führten zur Entlassung nach neun Monaten. Deswegen wurde er im Ersten Weltkrieg nur im Garnisonsdienst eingesetzt.
Am 11.9.1910 heiratete er Agnes Winke, Tochter von Johann Winke und Johanna (geb. Becker). Agnes Gröger war Katholikin und konvertierte höchstwahrscheinlich mit der Hochzeit zum Judentum, wie es vielerorts damals üblich war. Am 21.5.1912 wurde ihre einziges Kind Marie Cäcilie geboren.
Mit dem Ende des Krieges und nach den Bestimmungen des Versailler Vertrages von 1918 wurde u.a. das bisher zu Westpreußen gehörende Bromberg an Polen abgetreten. Berthold Gröger hatte die Wahl, in Polen zu bleiben und die polnische Staatsangehörigkeit anzunehmen oder das Land zu verlassen. Gröger entschied sich für die Auswanderung nach Deutschland. Berthold Gröger durfte sein Eigentum ohne Einschränkungen mitnehmen.
Am 21.4.1921 meldete er sich polizeilich in Bremen an, kaufte das Haus am Ostertorsteinweg 77 und eröffnete wieder eine „Wiener Feinbäckerei“.
Am 1. April 1933 wurde zum Boykott gegen jüdische Geschäfte aufgerufen. Auch vor der Wiener Feinbäckerei stand ein SA-Posten vor der Tür. Ein Bremer Zeitzeuge berichtete:
„[…] 1933 wurde zu einem Boykott jüdischer Geschäfte aufgerufen. Meine Mutter – nicht etwa „judenfreundlich“ – ordnete daraufhin an, ich solle meine Jungvolkuniform anziehen und beim Bäcker Gröger am Ostertorsteinweg, bei dem wir sonst nicht kauften, Brot holen. Am Schaufenster hing ein Boykottplakat, vor dem Ladeneingang stand eine SA-Wache, die sich mir in den Weg stellte. Auf ihre Parolen antwortete ich im Schnauzton; verdutzt wichen sie zurück. […] Im Laden kauften übrigens noch andere Leute.“
Die Boykottmaßnahmen setzten Berthold Gröger derart zu, dass er einen Herzanfall erlitt.
Das Haus am Ostertorsteinweg verfügte über drei Wohnungen, in der größten lebte die Familie Gröger. Die kleineren Wohnungen waren vermietet, ebenfalls der Anbau hinter dem Haus. Wie viele Juden glaubte auch Berthold Gröger an einen baldigen Machtwechsel und erduldete die Schikanen. 1934 baute er das Haus um, stockte für zwei zusätzliche Wohnungen auf.
1935 musste Berthold Gröger erneut Demütigungen hinnehmen. In der Broschüre der Kreisleitung der NSDAP „auch dich geht es an" wurde erneut zum Boykott seines Geschäftes aufgerufen – mit einer Abbildung seines Schaufensters, vor dem eine Kundin die Auslagen betrachtete.
Zunehmend wuchs bei Grögers die Erkenntnis, dass sie auswandern sollten, in dem Bewusstsein, dass „[…] er als Jude die Bäckerei nicht ungehindert fortführen konnte“. Am 6.10.1938 verpachtete er seinen Betrieb an Hermann Schlüter. Mit Beginn der Verpachtung zog der neue Pächter in die Wohnung der Grögers ein. Man lebte für ca. ein Jahr auf engstem Raum zusammen.
In der Reichspogromnacht 1938 verhaftet und für einige Wochen in das KZ Sachsenhausen deportiert, wurde Berthold Gröger mit der Auflage entlassen Deutschland zu verlassen. Gezeichnet von den Wochen im KZ, verschob sich die Emigration.
Am 27.3.1939 verkaufte Berthold Gröger sein Haus Ostertorsteinweg 77 und reiste mit seiner Frau per Schiff nach Johannisburg (Südafrika). Dort war das Ehepaar, nachdem alle finanziellen Mittel verbraucht waren, auf die Unterstützung der Tochter angewiesen, die am 16.2.1939 nach England emigriert war und dort geheiratet hatte.
Achtzigjährig verstarb Berthold Gröger am 17.2.1957 in Cape Town (SA). Seine Frau Agnes starb in Bremen am 15.6.1964.
Kornelia Renemann (2024)
Informationsquellen:
StA Bremen 4,54-E 3912 (B. Gröger), Broschüre "auch dich geht es an"
Gutmann, Hermann; Hollanders, Sophie: Krieg und Frieden in Bremen. Bremen 1999
Jüdisches Gemeindeblatt Jahrgang 1934
Lemo Lebendiges Museum online auf https://www.dhm.de
Walk, J. (Hrsg.): Das Sonderrecht für die Juden im NS-Staat, 2. Auflage, Heidelberg 1996
Das Foto zeigt Berthold Gröger in seinem Betrieb
(Quelle StA Bremen)