Glossar
Jehovas Zeugen
Die religiöse Gemeinschaft namens „Jehovas Zeugen“ geht auf eine gegen Ende des 19. Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten entstandene christliche Erweckungsbewegung zurück, die auf der Grundlage eines wörtlichen Verständnisses des Bibeltextes erwartet, dass in naher Zukunft das Reich Gottes auf Erden entsteht, wenn Gott (Jehova) nach dem „Harmagedon“ (Offb 16,16), der letzten Schlacht, seine Feinde vernichtet haben wird. Bestandteil ihres Glaubens ist die Ablehnung staatlicher und kirchlicher Autorität, die Gottes Wort missachtet.
In Deutschland bereits im Ersten Weltkrieg durch ihre pazifistische Haltung in Gegnerschaft zum Staat geraten, wurde die deutsche Sektion der „Internationalen Bibelforscher-Vereinigung“, die zunächst unter dem Namen „Ernste Bibelforscher“ auftrat und sich ab 1931 „Jehovas Zeugen“ nannte, in der Weimarer Republik zu entschiedenen Gegnern nicht nur der beiden großen Kirchen, sondern auch der NSDAP. Unter Hinweis auf den amerikanischen Ursprung der „Bibelforscher“ verbreitete die völkisch-nationale Presse Verschwörungstheorien, nach denen es sich um eine von Juden und Freimaurern finanzierte Organisation zur Vorbereitung eines bolschewistischen Umsturzes handle. Zu Beginn des Jahres 1933 gehörten in Deutschland etwa 25.000 Personen Jehovas Zeugen an. Nach der Machtübernahme durch die NSDAP wurden Jehovas Zeugen zuerst am 24.6.1933 in Preußen verboten. Bis zum Ende des NS-Regimes wurden sie intensiv verfolgt, weil sie sich aufgrund ihres Glaubens dem Totalitätsanspruch des NS-Regimes entzogen, indem sie etwa den „Hitlergruß“ ablehnten, nicht in NS-Organisationen eintraten und den Kriegsdienst verweigerten.
Aus der Illegalität heraus gelang es Jehovas Zeugen mit Hilfe aus dem Ausland und unter Verwendung konspirativer Methoden, das Gemeindeleben und die Missionstätigkeit im Untergrund aufrechtzuerhalten und landesweite Flugblattaktionen zur Aufklärung über den verbrecherischen Charakter des Regimes durchzuführen. Etwa 10.000 Zeugen Jehovas wurden unter dem NS-Regime inhaftiert; ca. 3.000 wurden im Rahmen von „Schutzhaftmaßnahmen“ in Konzentrationslagern festgehalten; 1.200 starben dort an Misshandlungen oder wurden ermordet; 270 Zeugen Jehovas wurden wegen Kriegsdienstverweigerung hingerichtet. Familien wurde das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen.
In Bremen, wo es viele aktive Mitglieder gab, wurden Jehovas Zeugen am 28.06.1933 verboten. 1936 wurde die örtliche Führungsgruppe verhaftet und 19 Mitglieder wurden vor dem Sondergericht in Hamburg angeklagt. Eine weitere Verhaftungswelle gab es im Juli 1937, als 30 Zeugen Jehovas vor dem Sondergericht in Hamburg angeklagt und zu Gefängnisstrafen von bis zu vier Jahren verurteilt wurden. Insgesamt wurden während der NS-Zeit 71 Zeugen Jehovas aus Bremen verurteilt und inhaftiert; 15 starben durch Hinrichtung oder Lagerhaft.
Quellen / Weitere Informationen:
Wikipedia-Artikel „Zeugen Jehovas im Nationalsozialismus“
Detlev Garbe, Zwischen Widerstand und Martyrium. Die Zeugen Jehovas im „Dritten Reich“, 4. Auflage, München 1999
Inge Marßolek / René Ott, Bremen im 3. Reich, Bremen 1986 (S. 303 ff.)
Michael Cochu (2011)