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Glossar

Sondergericht Bremen

Das NS-Regime richtete im März 1933 im gesamten Reich Sondergerichte ein. Sie urteilten über gegen das Regime gerichtete Straftaten, die unterhalb der Straftatbestände des Hoch- und Landesverrats anzusiedeln waren, für die spezielle Senate der Oberlandesgerichte bzw. des Reichsgerichts sowie der Volksgerichtshof zuständig waren.
Die Zuständigkeit der Sondergerichte wurde laufend erweitert; nach dem Beginn des Krieges gehörten dazu z.B. das Hören ausländischer Radiosender, kritische Äußerungen gegen den Staat oder seine Führung („Heimtücke“), Straftaten unter Ausnutzung der Verdunkelungspflicht, Plünderungen nach Luftangriffen, Verstöße gegen die Lebensmittelrationierung, Diebstahl bei der Post und der Eisenbahn („Volksschädigung“) sowie der verbotene Umgang mit Zwangsarbeitern oder Kriegsgefangenen. Im Laufe der Zeit wurden zunehmend auch Todesurteile verhängt. Die Verschärfung der Strafen ergab sich in erster Linie nicht aus dem materiellen Strafrecht, sondern aus der gerichtlichen Spruchpraxis, die zum Teil unter massivem politischen Druck zustande kam. Die Zahl der von den Sondergerichten insgesamt verhängten Todesurteile wird auf 11.000 geschätzt. Für die Sondergerichte galten besondere Verfahrensregeln, die für die Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens sorgten; insbesondere wurden Beweise nach freiem Ermessen des Gerichts erhoben, und dem Verurteilten standen gegen das Urteil keine Rechtsmittel zu.
Nachdem zunächst das Hanseatische Sondergericht in Hamburg auch für Bremen zuständig war, wurde am 15. März 1940 für Bremen ein eigener Sondergerichtsbezirk eingerichtet, der bis Kriegsende bestand. In diesem Zeitraum sprach das Sondergericht Bremen in 562 Fällen ein Urteil gegen 918 Personen. Darunter waren 49 Todesurteile, von denen 42 vollstreckt wurden. Bekanntes Beispiel für die Terrorjustiz des Sondergerichts Bremen ist das 1942 gegen den siebzehnjährigen polnischen Zwangsarbeiter Walerjan Wróbel (s.u. die Darstellung von Christoph U. Schminck-Gustavus) ergangene Todesurteil.
Die Nachkriegskarrieren der Richter und Staatsanwälte des Sondergerichts Bremen lassen sich der Dissertation von Gabriele Rohloff (s.u.) entnehmen.


Quellen / Weitere Informationen:
Artikel „Sondergericht“ aus Wikipedia, s. http://de.wikipedia.org/wiki/Sondergericht

Schwarzwälder, Herbert, Geschichte der Freien Hansestadt Bremen, Band 4: Bremen in der

NS-Zeit, erw. und verb. Aufl., Bremen 1995, S. 423 ff.

Wrobel, Hans (Bearb.), Strafjustiz im totalen Krieg: Aus den Akten des Sondergerichts Bremen 1940 – 1945, 3 Bände, Bremen 1991 ff.

Schminck-Gustavus, Christoph U., Das Heimweh des Walerjan Wróbel. Ein Knabe vor Gericht 1941/42, Bremen 2007

Rohloff, Gabriele, „Ich weiß mich frei von irgendeiner Schuld...“. Die Entnazifizierung der Richter und Staatsanwälte am Beispiel des Sondergerichts Bremen, Heidenau 1999


Michael Cochu (2011)


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