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Manfred Eppenstein, *1910

deportiert 1941
ermordet in Minsk


Fliederstr. 41b
Bremen-Hemelingen


Fliederstr. 41b - Weitere Stolpersteine:


Manfred Eppenstein


Familienbiografie
Metha Eppenstein, geb. Seemann
Manfred Eppenstein

Metha (genannt Gertrud) Eppenstein wurde am 2.5.1881 in Niedersachswerfen/Thürin-
gen geboren. Sie war das jüngste von zwölf Kindern des Kaufmanns Hermann Seemann
und seiner Ehefrau Golda, geb. Hirsch.

Sie heiratete am 7.4.1907 in Ohrdruf/Thüringen den Arbeiter Max Eppenstein (geb. 1877
in Königsberg/Neumark, heute Polen). Beide waren jüdischen Glaubens. Aus der Ehe
gingen fünf Kinder hervor: Alfred (1908-1930), Manfred (geb. 21.8.1910 in Halberstadt),
Elfriede (geb. 1912 in Artern/Sangershausen), Wolfgang (geb. 1914 in Twistringen) und
Marga (geb. 1916 in Twistringen).

Die Familie lebte 1910 in Halberstadt, 1912 in Artern/Unstrut, 1914 in Twistringen und
seit 1924 in Bremen. Im Adressbuch von 1925 ist Max Eppenstein mit einer Manufak-
turwaren-Großhandlung Am Wall aufgelistet. Später war er als selbstständiger Vertre-
ter (Reisender) tätig. Das Ehepaar lebte seit 1929 getrennt und ließ sich 1934 scheiden.
Danach wohnte Metha Eppenstein mit ihren Kindern Wolfgang, Elfriede und Marga ab
1929 in der Kölner Straße 89 (Doventors-Vorstadt, heute nicht mehr vorhanden).

Wolfgang hatte 1929 eine Lehre als Schlosser begonnen und beendete diese am
31.3.1933 mit der Gesellenprüfung (Note: „fast sehr gut“). Nach anschließender Tätigkeit
in seinem Beruf wanderte er am 25.9.1934 nach Palästina aus.

Manfred war ab 1935 wieder zu seiner Mutter gezogen. Ursprünglich Kellner von Beruf,
war er 1934 als Büfettier registriert, verlor in der Folgezeit vermutlich seine Anstellung
und musste sich im April 1937 als Vertreter für Waren aller Art selbstständig machen. Am
13.10.1938 hatte er für 0,30 RM für seinen Gewerbebetrieb eine für Juden vorgeschrie-
bene Kennzeichnung zu erwerben. Im September desselben Jahres nahm er zusätzlich
eine Botentätigkeit an. Während des Novemberpogroms 1938 wurde er verhaftet und
war vom 10.11.1938 bis zum 15.1.1939 im KZ Sachsenhausen interniert.

Marga arbeitete als Schuhverkäuferin und zog 1935 nach Verden; im Sommer 1936 leb-
te sie in Ilmenau. Am 14.11.1938 meldete sie sich nach Schniebinchen/Kreis Sommer-
feld in Brandenburg ab. Dort gab es die Jüdische Jugendhilfe, die auf einem Rittergut
eine Hachscharah-Ausbildungsstätte betrieb. Sie blieb aber nur ca. 14 Tage dort und
zog anschließend nach Köln. Sie erhielt 1939 einen zeitlich befristeten Reisepass, mit
dem sie 1940 versuchte, illegal in Palästina einzuwandern. Sie ist auf der Passagierliste
der M.S. Patria registriert, einem Auswandererschiff, das 1940 in der Bucht von Haifa lag.

Eine jüdische Untergrundorganisation wollte am 25.11.1940 durch eine Beschädigung
des Schiffes eine angeordnete Weiterfahrt nach Mauritius verhindern. Das misslang, das
Schiff sank und riss 270 Flüchtlinge mit in den Tod. Etwa 2.000 überlebten, kamen in ein
Lager in der Nähe von Haifa, und es wurde ihnen nunmehr von den Briten gestattet, in
Palästina zu bleiben. Unter ihnen befand sich Marga Eppenstein.

Am 9.8.1939 zog Metha Eppenstein mit ihren Kindern Elfriede und Manfred in die Flie-
derstraße 41b um. Sie belegten die Wohnung der Familie Tymberg (gen. Reifer), die im
Oktober 1938 im Zuge der „Polenaktion“ ihr Haus verlassen musste. Da diese Wohnung
deutlich kleiner war als die bisherige 4-Zimmer-Parterre-Wohnung, mussten große Tei-
le des Hausstands unter Wert verkauft werden, teils auch aus Existenznot. Im späteren
Entschädigungsverfahren wurde u.a. der Verlust mehrerer Musikinstrumente reklamiert
(Geige, Akkordeon, Zither, Gitarre).

Nachdem Anfang November 1941 ihre Deportation in den Osten angekündigt worden
war, verkaufte und tauschte Metha Eppenstein ihre wenigen Einrichtungsgegenstände
gegen warme Kleidungsstücke ein. Eine Nachbarin berichtete, dass sie nur mitgenom-
men habe, was in zwei Rucksäcken habe getragen werden können. Nach ihrem „Aus-
zug“ sei die Wohnung leergeräumt gewesen.

Wenige Tage vor ihrer Deportation sandte Metha Eppenstein am 16.11.1941 über das
Rote Kreuz eine Nachricht an ihren Sohn Wolfgang in Palästina: „Alle gesund; Manfred,
Elfriede, Edgar reisen zusammen. Neue Adresse folgt. Wo ist Marga? Bei Euch, lb. Wolf-
gang und Ilse? Grüße und Küsse – Mama, Manfred, Elfriede, Edgar.“

Am 18.11.1941 wurden Metha und Manfred Eppenstein von Bremen aus in das Ghetto
Minsk deportiert. Sofern sie dort nicht den unmenschlichen Lebensbedingungen erla-
gen, fielen sie einer der Massenmordaktionen, die Ende Juli 1942 begannen, zum Opfer.

Die Tochter Elfriede war seit Dezember 1940 mit Edgar Rossbach (geb. 1907) aus
Harpstedt verheiratet. Das Ehepaar wohnte nach der Heirat gleichfalls in der Flieder-
straße 41b. Auch sie wurden in das Ghetto Minsk deportiert, wo sich ihre Lebensspur
verliert. Der geschiedene Ehemann Max Eppenstein wurde mit demselben Transport in
das Ghetto Minsk deportiert, wo er sein Leben verlor.

Sohn Wolfgang, der sich in Palästina Seew nannte, heiratete 1936 Ilse Cohn. Er arbei-
tete dort zeitweise wieder als Schlosser. Von 1942 bis 1946 diente er als Soldat in der
britischen Armee. Tochter Marga heiratete 1942 in Palästina und lebte später als Marga
Brand in New York.

Peter Christoffersen (2023)

Informationsquellen:
StA Bremen 4,54-E 9924; 4,54-E10439; 4,54-E10362; 4,54-E11233; 4,54-E 11285; 4,54-Rü5816; Einwohnermeldekartei
www.ushmm.org (Holocaust Survivor & Victim Database Washington - Stand 2013)
www.mijn-genea.nl/genea/member/stambos-van-wijk-soomers/hermann-seemann/27038928 (Stand 25.2.2021)
Einwohnermeldekarte Max Eppenstein (Biographische Datenbank Jüdisches Unterfranken)

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Novemberpogrom
Glossarbeitrag Minsk