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Hermann Grünberg Jun., *1917

deportiert 1941
ermordet in Minsk


Wiesbadener Str. 30
Bremen-Neustadt

Hermann Grünberg Jun.

Hermann Grünberg Jun.

Hermann Grünberg jun. (geb. am 27.2.1917 in Bremen), stammte aus der weitverzweigten und alt eingesessenen Familie Grünberg. Sein Vater Hermann Grünberg sen. (geb. 20.4.1890 in Bremen), von Beruf Kaufmann, war jüdischen Glaubens. Seine Mutter Elisabeth (geb. Geerkens, geb. 31.8.1894 in Bremen) war nichtjüdischer Herkunft und evangelischen Glaubens. Anlässlich ihrer Verheiratung konvertierte sie zum jüdischen Glauben. Laut Rassegesetzgebung des NS-Regimes galt Hermann aufgrund der nichtjüdischen Mutter als „Halbjude“ ebenso wie seine jün- gere Schwester Goldine (geb. 6.1.1922 in Bremen) als „Halbjüdin“. Das sollte beide vor einer Deportation nicht schützen.

Hermann Grünberg besuchte nach Abschluss der Volksschule für ein Jahr die Realschule am Leibnizplatz, dann den gehobenen Zug in der Schule Woltmershauser Allee. Es schloss sich 1936 eine Lehre als Baumwollhändler bei Hermann Rosenstein an sowie eine Ausbildung zum Baumwoll-Klassierer. Parallel dazu nahm er an einem Lehrgang für den Großhandel an der Handelsschule Union teil. Da der Firmeninhaber Rosenstein bereits 1937 ins Ausland flüchtete, wechselte Hermann Grünberg zur Flaschengroßhandlung Joseph Grünberg, gelegen in der Neustadt am Neustadtswall 27c. Inhaber der Firma waren seine Onkel Joseph und Adolf, und sein Vater. Da seine Onkel keine männlichen Nachkommen hatten, war er als Nachfolger der Firma vorgesehen. Dazu sollte es nicht kommen. Infolge der antijüdischen Maßnahmen des NS-Regimes musste der Betrieb 1938 geschlossen werden, da er „arisiert“ wurde. Hermann Grünberg jun. konnte danach notdürftig mit Gelegenheitsarbeiten seinen Lebensunterhalt bestreiten. Er plante auszuwandern und erlernte deshalb das Schlosserhandwerk.

In der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10.11.1938 wurden Vater und Sohn Grünberg festgenommen und in das KZ Sachsenhausen deportiert, von wo sie nach Wochen abgehärmt und traumatisiert zurückkehrten. Sie mussten nun Zwangsarbeit verrichten.

Hermann Grünberg jun. wurde am 18.11.1941 in das Ghetto Minsk deportiert, obwohl er als „Halbjude“ nicht unter die Deportationsvorgaben des Reichssicherheitshauptamtes in Berlin fiel. Sofern er nicht den Entbehrungen im Ghetto erlag, wurde er Opfer einer der Massenerschießungen, die Ende Juli 1942 begannen.

Als die Deportation anstand, hatte Grünbergs Mutter versucht dies zu verhindern. Sie erklärte dazu 1949 – geladen als Zeugin im Prozess gegen den ehemaligen höherrangigen Gestapobeamten Manne Schulte:

"Da mein Sohn kein Volljude war und deshalb für diesen Transport nicht in Frage kommen konnte, nahm ich an, dass es sich um ein Versehen handeln müsse, und ging deshalb zum Bürgermeister und anderen Behörden, die mich an die Gestapo verwiesen. Ich kam dann in das Büro für jüdische Angelegenheiten [...] Schulte schrie mich an [...] „Ihr Sohn ist Jude und kommt mit.“ Ich habe den Schulte wiederholt darauf hingewiesen, dass ich doch die Mutter sei und mein Sohn kein Jude sein könne. Auf die Frage, wie alt mein Sohn sei, erwiderte ich ihm, dass dieser 24 Jahre alt sei [...]. Darauf antwortete Schulte in höhnischem Ton: „Den können wir gerade gut gebrauchen.“ [...] Am nächsten Morgen habe ich dann noch bei Schulte angerufen und flehentlich gebeten, mir meinen Sohn doch zu lassen. Schulte ließ sich jedoch auf nichts ein."

Hermann Grünbergs jüngere Schwester Goldine, genannt Golly, hatte 1940 in Berlin eine Ausbildung zur Kinder- und Säuglingsschwester absolviert und 1943 mit Diplom abgeschlossen. Im selben Jahr wurde sie in das Ghetto Theresienstadt deportiert und 1944 von dort in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz überstellt und von dort in das Außenlager Groß-Rosen. Das Lager wurde Anfang 1945 aufgelöst, die Gefangenen wurden auf einen „Todes- marsch“ Richtung Berlin geschickt, von dem Golly fliehen konnte. Sie überlebte die Shoa.

Auch Hermann Grünbergs Vater überlebte. Er wurde noch im Febraur 1945 in das Ghetto Theresienstadt deportiert und kehrte nach Bremen zurück, war aber gesundheitlich schwer beeinträchtigt. Seine Mutter, die evangelisch getauft, aber schon 1918 zum jüdischen Glauben übergetreten war, wurde diskriminiert und zum Arbeitseinsatz in den Krupp-Munitionsfabriken zwangsverpflichtet. Sie erkrankte schwer seelisch und körperlich.

Barbara Johr/Edith Laudowicz (2020)

Informationsquellen:
StA Bremen 4,54-E4772; Gedenken an Hermann Grünberg jr. Gedenkansprache R. Rübsam am 3.5.2005 vor dem Haus Wiesbadener Straße 30; Die Grünbergs in: Jüdisches leben in der Bremer Neustadt während der NS-Zeit, Buch zur Aus- stellung der Arbeitsgemeinschaft Stadtteilgeschichte, Bremen 2001; Rübsam, Rolf:„Kinder dieser Stadt“ – Begegnungen mit ehemaligen jüdischen Bremern, Bremen 2005; Zu Erinnerung an die Deportation Bremer Juden am 18.11.1941 in das Vernichtungslager; Minsk, Kleine Schriften des Staatsarchivs, Heft 37

Abbildungsnachweis: Privat
(Vordere Reihe: Hermann Grünberg und Schwester Golly)

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Novemberpogrom
Glossarbeitrag Sachsenhausen
Glossarbeitrag Minsk