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Tonie Ginsberg, *1938

deportiert 1941
ermordet in Minsk


Hermannstrasse 101
Bremen-Neustadt


Hermannstrasse 101 - Weitere Stolpersteine:


Tonie Ginsberg

Tonie Ginsberg
geb. 2.4.1938 in Bremen

Im Haus Hermannstraße 101 wohnten der Viehhändler Walter Ginsberg (Jg. 1906), seine Ehefrau Neti Ginsberg, geb. Rosenblum (Jg. 1905) sowie deren gemeinsame Tochter Tonie (Jg. 1938).

Walter Ginsberg war 1936 nach Bremen gezogen, nachdem er in Diepholz sein Viehhandelsgeschäft hatte schließen müssen. Im Jahr 1937 hatte er die Bremerin Neti geheiratet und war in das Haus Hermannstraße 101 eingezogen, dessen Eigentümerin seine Ehefrau war. Diese hatte vor ihrer Eheschließung im Büro ihres Schwagers Israel Weiß und dessen Ehefrau Charlotte Weiß, geb. Rosenblum, als Buchhalterin gearbeitet.

In der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde Walter Ginsberg verhaftet und in das KZ Sachsenhausen überstellt. Nach wenigen Wochen wurde er unter der Auflage entlassen, Deutschland zu verlassen. Am 1. September 1939 gelang ihm noch am Tag des Kriegsausbruchs die Auswanderung. Seine Ehefrau und seine Tochter musste er zurücklassen.

Neti Ginsberg musste im Zuge der „Arisierung“ nach der Verhaftung ihres Ehemannes das Haus Hermannstraße 101 verkaufen und wurde mit ihrer dreijährigen Tochter Tonie in einem der Bremer „Judenhäuser“ in der Wilhelmshavener Straße 3 (heute Hauffstraße 2) einquartiert. Am 18. November 1941 wurden beide in das Ghetto Minsk deportiert. Sofern sie nicht zuvor an Kälte, Hunger, Krankheit gestorben waren, wurden sie am 28. Juli 1942 Opfer einer Massenerschießung.

Vom Schicksal von Ehefrau und Tochter erfuhr Walter Ginsberg erst nach Kriegsende. Er war 1940 in England auf der Isle of Man interniert worden, da er nach Kriegsausbruch auf Grund seiner deutschen Staatsangehörigkeit als „feindlicher Ausländer“ galt. Er wurde von England nach Australien deportiert, wo er bis 1942 in Internierungslagern leben musste.

Nachdem er wusste, dass er Witwer war, heiratete er schließlich Netis Schwester Charlotte, verwitwete Weiß; deren Ehemann Israel Weiß 1942 in Frankreich verhaftet und in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert worden war. Charlotte Weiß entkam 1942 ihrer Verhaftung in Marseille, überlebte in verschiedenen Verstecken und wanderte 1947 nach Australien aus.

Neti und Charlotte Rosenblum waren Schwestern von Heinrich Rosenblum, der in der Reichspogromnacht ermordet wurde. Er lebte mit seiner Familie ebenfalls in der Bremer Neustadt in der Thedinghauser Straße 46.


Verfasserin:
Barbara Johr (2012)

Informationsquellen:
Staatsarchiv Bremen, Akten 4,54-E10054 und 4,54-E11275

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Minsk
Glossarbeitrag Novemberpogrom