Dr. Ernst Buchholz, *1869
UNFREIWILLIG VERZOGEN 1936, Berlin
VOR DEPORTATION FLUCHT IN DEN TOD 28.11.1942
Am Wall 149
Bremen-Mitte
Verlegedatum: 03.03.2014
Ernst Buchholz
Dr. med. Ernst Buchholz stammte aus der pommerschen Stadt Stargard und wurde dort am 7.6.1869 zur jüdischen Glaubensgemeinschaft eintragen.
Seine Bestallung als Arzt erhielt Ernst Buchholz im Juli 1892. Vermutlich im Oktober desselben Jahres ließ er als Sohn von Paul und Bertha Buchholz, geb. Tiedemann, geboren. Er heiratete 1900 in Berlin Elfriede Gutherz, geb. 12.11.1876 in Breslau, Tochter von Emil und Flora Gutherz, geb. Friedmann. Die Ehe blieb kinderlos. Er war seit 1924 in Bremen gemeldet, ohne Konfessionsangabe. Sie ließ ihre Zugehörigkeit sich als Allgemeinpraktiker in Hamburg nieder. In den Hamburger Adressbüchern ist seine Praxis von 1894 bis 1906, zuletzt im Eppendorfer Weg 56, aufgeführt. In Bremen betrieb er seine Praxis ab 1924 in der Rembertistraße 32 und ab 1932 Am Wall 149, wo das Ehepaar auch wohnte. Dr. Buchholz war auf „physikalisch-diätistische Therapie“ spezialisiert.
Es gibt einen Hinweis darauf, dass er auch gesellschaftspolitisch engagiert war. Die jüdische Sportgruppe im Reichsbund jüdischer Frontsoldaten (RjF) hielt um 1927 eine Delegiertentagung in Bremen ab, auf der u .a. Dr. Buchholz einen Vortrag über „Turnen und Sport für den Juden in heutiger Zeit eine dringende Notwendigkeit“ hielt und mit einer Schülergruppe turnerische Übungen demonstrierte. Er war auch in der Zionistischen Ortsgruppe Bremen aktiv, die vom Zahnarzt Dr. Kurt Zacharias geleitet wurde.
Von den ersten nationalsozialistischen Berufsverboten für Ärzte im April 1933 war er noch nicht betroffen. Erst aufgrund der 4. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25.7.1938 wurde ihm seine Bestallung zum 30.9.1938 entzogen. Gleichwohl trafen auch seine Praxis die zahlreichen Einschränkungen, die ab 1933 gegen jüdische Ärzte eingeführt worden waren.
Im Haus Am Wall 149 hatte auch der Chirurg Dr. Kurt Schubert bis 1934 seine Praxis. Er war zugleich Kreisamtsleiter des Amtes für Volksgesundheit und Kreisobmann des NSDÄB. Das Amt für Volksgesundheit war der NSDAP angegliedert und mit der örtliche Umsetzung der NS-Rassenlehre und Erbbiologie beauftragt. In einem Rundschreiben vom 20.8.1935 rief er zum Boykott jüdischer Ärzte auf: „Wenn ich heute an die gesamte deutsche Volksgemeinschaft Bremens und seiner Umgebung die Aufforderung ergehen lasse: ‚Der jüdische Arzt nur für Juden, aber nie für die deutschen Volksgenossen!‘, so tue ich das aus dem einzigen Wunsche heraus, die Volksgenossen vor Schaden zu behüten, der ihnen und der Volksgemeinschaft zugefügt wird, wenn sie mit ihrer Gesundheitspflege einen Arzt betreuen, der nicht ihren Blutes und damit bar jeden völkischen Willens ist.“ Am 3.11.1935 konkretisierte er in einem weiteren Rundschreiben diesen
Aufruf, in dem er die Namen der jüdischen und jüdisch verheirateten Ärzte, Zahnärzte und Dentisten aufführte; darunter auch Dr. Buchholz. „Wer beim Juden kauft, sich vom jüdischen Rechtsanwalt betreuen und vom jüdischen Arzt behandeln läßt, ist ein Verräter an Volk und Vaterland“.
Am 8.10.1938 gab Dr. Buchholz seine Wohnung und Praxisräume Am Wall auf und zog mit seiner Frau vorübergehend in die Kohlhökerstraße 6. Er wollte nach Palästina auswandern, musste aber wegen seiner erkrankten Frau davon Abstand nehmen. Das Ehepaar verließ Bremen am 19.12.1938 und zog nach Berlin. Dort war er unter der Berufsbezeichnung „Diagnostik“ in der Motzstraße gemeldet. Elfriede Buchholz verstarb am 22.9.1940 in Berlin und wurde auf dem jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee bestattet.
Am 18.10.1941 begann die Deportation der Berliner Juden, am 29.11.1942 ging der erste Transporte direkt nach Auschwitz. Am Tag davor, am 28.11.1942 nahm sich Dr. Ernst Buchholz das Leben. Seine Schwester Frieda Buchholz war möglicherweise für den Transport am 31.8.1942 nach Riga eingeteilt, sie nahm sich am 25.8.1942 das Leben.
Peter Christoffersen (2015)
Informationsquellen:
StA Bremen Einwohnermeldekartei; Archiv Ärztekammer Bremen; Archiv Jüdischer Friedhof Weißensee;
Niemann, Charlotte/Leibfried, Stephan: Die Verfolgung jüdischer und sozialistischer Ärzte in Bremen in der „NS“-Zeit, Bremen 1988, S. 21; AK (Hrsg.): Lebensgeschichten; Pfeiffer, Lorenz/Wahlig, Henry: Juden im Sport während des Nationalsozialismus, Göttingen 2012 (S. 107); Berliner und Hamburger Adressbuch
Rademacher, Michael: Wer war wer im Gau Weser-Ems, Norderstedt 2005; www.statistik-des-holocaust.de (Deportationslisten Berlin)
Bundesarchiv, Gedenkbuch - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945
Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Rassengesetzgebung