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Günther Benjamin, *1909

Flucht 1936 Palästina


Friedrich-Ebert-Straße 111
Bremen-Neustadt
ehemalige Straßenbezeichnung: Richthofenstraße 11

Verlegedatum: 03.12.2015


Friedrich-Ebert-Straße 111 - Weitere Stolpersteine:


Günther Benjamin


Familienbiografie
Bernhard Benjamin
Martha Benjamin, geb. Gans
Günther Benjamin

Bernhard Benjamin erblickte als Sohn von Salomon und Marie Benjamin, geb. Blumenfeld, am 17.10.1873 das Licht der Welt. Nach dem Besuch der Volksschule absolvierte er eine kaufmännische Lehre in der Textilbranche und leistete zwei Jahre Militärdienst ab. 1908 hei- ratete er die seit 1903 verwitwete Martha Mendel, geb. Gans, (geb. 13.8.1878 in Emmerich). Ihre Eltern waren Isaak Michel und Henriette Gans, geb. Herz. Sie brachte ihre Tochter Edith (später verheiratete Löwenthal) mit in die Ehe; diese starb 1925 in Hannover. Am 31.7.1909 wurde der gemeinsame Sohn Günther in Elberfeld geboren.

Bernhard Benjamin war als Textilvertreter tätig und bereiste die Bezirke Hannover, Bremen, Oldenburg, Ostfriesland und Emsland. Er vertrat namhafte Textilfirmen und war in seinem Beruf sehr erfolgreich. Seine Kunden waren Kaufhäuser und Konfektionsgeschäfte. Um die Wege zu seinen Kunden zu verkürzen, zog die Familie 1910 von Elberfeld nach Hannover und 1931 nach Bremen. Mit dem Einsetzen von Boykott und Entrechtung gingen ab 1933 seine Einkünfte erheblich zurück. „In Anbetracht der Verhältnisse“ entzogen ihm auch Lieferanten die langjährigen Vertretungen. Schließlich musste er am 27.7.1938 seinen Beruf aufgeben.

In Bremen wohnte das Ehepaar zunächst in der Rückertstraße und vom 15.3.1932 bis zum 15.9.1938 in der Richthofenstraße 11 (heute Friedrich-Ebert-Straße), wo sie eine gut eingerichtete 4-Zimmer-Wohnung hatten. Mit der Zunahme der Beschränkungen ihrer Lebensbedingungen und dem sich ständig verkleinernden Angebot für jüdische Mieter mussten sie anschließend mehrfach die Wohnung wechseln. Kurz vor ihrer Deportation lebten sie im „Judenhaus“ General-Ludendorff-Straße 27 (heute Bürgermeister-Smidt-Straße).

Ihr Sohn Günther besuchte in Hannover die Leibniz-Schule und verließ sie mit der Mittleren Reife. Danach begann er eine Lehre in einem Textilkaufhaus, das ihn nach erfolgreichem Abschluss als Angestellten übernahm. Bei der Karstadt AG in Bremen bekam er 1932 eine Anstellung, wo er in der Seidenabteilung tätig war. Er wohnte nun wieder bei seinen Eltern. Am 18.4.1933, kurz nach dem ersten Boykott jüdischer Geschäfte, wurde er „wegen Personalumstellung“ fristlos entlassen. Sein Arbeitgeber teilte ihm mit: „Es wird unter den obwaltenden Umständen unmöglich sein, dass Sie in Zukunft Ihre bisherige Tätigkeit bei uns weiterführen; wir würden andernfalls unsere Firma den schwersten Schädigungen aussetzen.“ Er arbeitete fortan als Reisender im Geschäft seines Vaters mit. Perspektivisch war die Übernahme desselben vorgesehen, sobald sein Vater in Rente ginge. Im Juli 1934 legte er die Führerscheinprüfung ab, weil ihm sein Vater einen Wagen für die Reisetätigkeit zur Verfügung stellen wollte. Gegen Mitte 1935 gab er jedoch seine Tätigkeit auf, da er als jüdischer Vertreter kaum noch Aufträge erhielt.

Er beschloss nach Palästina auszuwandern. Sein Vater versuchte vergeblich ihn davon abzuhalten, da „die Naziherrschaft vorübergehend“ sei. Schließlich bezahlten seine Eltern ihm die Überfahrt und hinterlegten beim englischen Konsulat in Bremen das erforderliche Depot (vermutlich 1.000 RM). Im Herbst 1935 reiste er dann mit einem Touristenvisum für den angeblichen Besuch seiner Tante in Palästina ein. Er blieb illegal in Tel Aviv und lebte anfangs von Gelegenheitsarbeiten in ärmlichen Verhältnissen. Später arbeitete er als Angestellter in einem elektrotechnischen Geschäft. Im März 1939 teilte das Deutsche Generalkonsulat in Jerusalem dem Einwohnermeldeamt mit, dass Günther Benjamin im Dezember 1938 in Palästina eingebürgert worden sei.

1937 besuchte die Mutter ihren Sohn in Palästina, um zu erkunden, ob sich auch das Ehepaar Benjamin in Israel einleben könnte. Nach ihrer Rückkehr bereiteten sie ihre Emigration vor und sandten 1938 einen Lift mit einem Großteil der Wohnungseinrichtung nach Haifa. Hierfür war eine Abgabe in Höhe von 1.600 RM an die Deutsche Golddiskontbank (DEGO-Abgabe) zu entrichten. Woran die Auswanderung scheiterte, ist nicht bekannt. Im Oktober 1941 musste Bernhard Benjamin sein Sparkassenkonto aufgeben und das Guthaben auf ein beschränkt verfügbares „Sicherungskonto“ bei der Deutschen Bank übertragen. Die letzte Auszahlung an ihn in Höhe von 150 RM erfolgte am 10.11.1941. Dieser Betrag war von Gestapo und Devisenstelle genehmigt worden, damit sich das Ehepaar Benjamin Kleidung und Verpflegung für die bevorstehende Deportation besorgen konnte. Das noch verbleibende Guthaben in Höhe von 889 RM wurde 1942 zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen.

Am 18.11.1941 wurden Bernhard und Martha Benjamin von Bremen aus in das Ghetto Minsk deportiert. Dort wurden sie ermordet: Sofern sie nicht den unmenschlichen Lebensbedingungen im Ghetto erlagen, fielen sie einer der Massenmordaktionen zum Opfer, die Ende Juli 1942 begannen.

Günther Benjamin galt nach Ende des Zweiten Weltkrieges als verschollen, so dass die Israelitische Gemeinde Bremen ihn auf die Liste der Opfer der Gewaltherrschaft setzte und er für tot erklärt wurde. Dieser Irrtum konnte erst im Zuge des Entschädigungsverfahrens 1958 aufgeklärt werden. Er war seit 1945 mit Edith Frankenstein verheiratet, mit der er zwei Kinder hatte. Er verstarb 1993 in Israel.

Peter Christoffersen (2020)

Informationsquellen:
StA Bremen 4,54-E10381, 4,54-E10382, 4,54-E10045 4,54-Rü5957, Einwohnermeldekartei

Abbildungsnachweis: Privatbesitz

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Minsk