Adolf Assenheimer, *1890
FLUCHT 1934 BELGIEN, INTERNIERT MECHELEN, DEPORTIERT 1944,
ERMORDET IN AUSCHWITZ
Franziusstraße 8
Bremen-Schwachhausen
Verlegedatum: 14.06.2022
Franziusstraße 8 - Weitere Stolpersteine:
Adolf Assenheimer
Biografie Rosette und Adolf Assenheimer.
Rosette (genannt Röschen) Assenheimer (geb. 1.7.1855 in Weener) war eine geborene Grünberg und entstammte einer großen jüdischen Familie aus Weener/Rheiderland. Ihrem Vater, dem Produkten- und Manufakturwaren-händler Hartog Hirsch Abraham Grünberg wurden in erster Ehe vier Kinder geboren. Nach dem Tod seiner ersten Frau, heiratete er 1854 zum zweiten Mal. Aus der Ehe mit Marianne Neumark gingen fünf Kinder hervor, Rosette war die älteste, geboren am 1.7.1855.
Rosette Grünberg bereitete Mitte der 1880er Jahre ihre Ehe mit Salomon Assenheimer (1847-1926) vor. Wenige Tage vor der Heirat am 17.3.1885, die Brautleute wohnten in Bremen in der Hohenthorstraße 26, schlossen sie einen Ehe- und Erbvertrag. Damit war Röschen Grünberg die alleinige Verfügungsgewalt über ihr Vermögen zugesichert, was zum Ende des 19. Jahrhunderts als sehr modern galt. Ihr Bräutigam Salomon Assenheimer war gebürtig aus Syke, mosaischen Glaubens und kinderlos verwitwet. Sie bekamen drei Söhne: Dagobert (1886-1972), Hermann (1888-1951) und Adolf (geb. 11.3.1890).
Salomon Assenheimer hatte 1871 „aus allerkleinsten Anfängen“ seinen Rohproduktenhandel in Bremen gegründet und war erfolgreich. Rosettes Brüder planten sich in Bremen beruflich niederzulassen. Salomon Assenheimer unterstütze und nahm 1894 ihre jüngeren Brüder Nathan (1863-1938) und Adolph Grünberg (1867-1933) als Gesellschafter ins Unternehmen. Während Nathan Grünberg das Unternehmen 1919 verließ und einen eigenen Produktenhandel gründete, blieb Adolph bis zu seinem Lebensende Gesellschafter.
Nach und nach übergab Salomon Assenheimer seinen beiden älteren Söhnen verantwortungsvolle Positionen. Sein jüngster Sohn Adolf, in der Familie auch zärtlich „Adolfchen“ gerufen wurde, war in der Entwicklung zurückgeblieben. Anscheinend konnte er leichte kaufmännische Tätigkeiten erledigen, er bezeichnete sich als „Commis“ (Handlungsgehilfe). Welches seine Aufgaben in der väterlichen Firma waren, ist nicht bekannt. Nach dem Tod des Vaters galt er als Gesellschafter und unterzeichnete Dokumente der Salomon Assenheimer OHG, wie auch seine Brüder.
Der Rohpoduktenhandel, inzwischen hauptsächlich der Handel mit Baumwollabfällen, war schon immer in der Bremer Neustadt angesiedelt, und seit der Jahrhundertwende in der Hohenthorstraße 73. Nur wenige Meter weiter wohnte Salomon Assenheimer mit Frau und Kindern, um 1914 zogen sie in das Flüsseviertel. Im Oktober 1917 zog die Familie um nach Schwachhausen in das eigene Haus in der Franziusstraße 8. Salomon Assenheimer starb 1926 und vererbte das Unternehmen und das Wohnhaus in der Franziusstraße zu gleichen Teilen seiner Witwe und den gemeinsamen Söhnen.
Mit der Machtübernahme der NSDAP 1933 präzisierte sich in der Familie Assenheimer der Gedanke zu emigrieren. Hermann und Dagobert Assenheimer hatten durch berufliche Reisen ins Ausland Kontakte geknüpft. Sie bereiteten die Flucht akribisch vor. Dagobert Assenheimer ging im Mai 1934 nach Antwerpen um dort beruflich Fuß zu fassen. Hermann Assenheimer blieb zunächst in Bremen, wickelte das Unternehmen ab und verkaufte vorhandene Immobilien, darunter auch das Haus in der Franziusstraße 8. Erst als Hermann Assenheimer in Bremen alles geregelt hatte, folgte er seinem Bruder 1937 nach Antwerpen, um dort gemeinsam mit ihm das neue Unternehmen zu führen. Es gelang ihnen einen Teil der Bremer Betriebsausstattung nach Belgien mitzunehmen.
Am 11.10.1934 floh Rosette Assenheimer mit ihrem jüngsten Sohn Adolf nach Antwerpen, zusammen mit der Haushaltshilfe Herta Mendel, die seit 10 Jahre in der Familie tätig war. Rosette Assenheimer starb im am 7.4.1935 im Alter von 80 Jahren. Ihre sterblichen Überreste wurden nach Bremen überführt, das Grab ist auf dem jüdischen Friedhof in Hastedt.
Als 1939 der Krieg ausbrach, mietete Dagobert ein Haus in Nieuwpoort, wo die Familie sich vor einem eventuellen Einmarsch der Deutschen in Belgien in Sicherheit bringen wollte. Inzwischen hatten sich viele Familienangehörige aus Deutschland, aus Angst vor Verfolgung, zu den Assenheimer in Antwerpen geflüchtet. Diejenigen, denen man keine spontane und schnelle Flucht zumuten wollte, gingen umgehend nach Nieuwpoort, unter ihnen auch Adolf Assenheimer und die Hausangestellte Hertha Mendel, die sich um ihn kümmern sollte.
Als die deutsche Wehrmacht im Mai 1940 in Belgien einmarschierte, flüchteten die Brüder Assenheimer mit ihren Familie ebenfalls dorthin. Ein Teil der männlichen Familienmitglieder wurde noch auf dem Weg dorthin verhaftet. Dagobert und Adolf erlitten wenige Tage später in Nieuwpoort das gleiche Schicksal. Auf dem Transport nach St. Cyprien/Südfrankreich, stehend auf Lastern, trafen nach und nach die an unterschiedlichen Orten verhafteten Männer der Familie zusammen. War es zunächst verboten als Familie zusammen zu sein, wurde es später erlaubt. Dass Adolf Assenheimer unter ihnen war ist in der Familie überliefert. Nur wenige Soldaten bewachten das Lager im Herbst 1940, so dass die Männer ihre Flucht planten. Dagobert und Adolf gehörten zu den Ersten unter ihnen. Wieder in Freiheit gelang Dagobert Assenheimer auch in Südfrankreich seinen Rohproduktenhandel fortzusetzen, seine geschäftlichen Kontakte hatten Bestand.
Um in Antwerpen zurückgebliebenen Familienmitgliedern zu helfen, reiste Dagobert Assenheimer im Oktober 1940 mit einem Auto unerlaubt nach Belgien, gut informiert auf welchen Wegen er relativ wenig Gefahren ausgesetzt wäre. An seiner Seite war sein Bruder Adolf, der nicht wieder mit zurückfuhr, sondern in Belgien blieb. Bis zur Besetzung Belgiens durch die deutsche Wehrmacht wohnte er mit Hertha Mendel in Brüssel in der Avenue Speeckaert 138.
Das NS-Regime forderte alle in Belgien lebenden Juden auf sich registrieren zu lassen. Adolf Assenheimer war im belgischen Judenregister am 31.1.1941 unter der Nummer 13206 gelistet, mit unbefristetem Aufenthalt.
Die Familie erinnert sich an die Verhaftung von Adolf Assenheimer und Hertha Mendel im Sommer 1942. Wohin sie gebracht wurden ist nicht bekannt. Am 6.3.1944 wurden sie im Sammel- und Durchgangslager Mechelen registriert. Von Juli 1942 bis September 1944 erfolgten von dort aus die Deportation der Juden, Sinti und Roma aus Belgien in deutsche Vernichtungslager. Am 4.4.1944 wurden Adolf Assenheimer (gelistet unter der Nummer „416“) und Hertha Mendel mit dem Transport XXIV in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert und ermordet.
Adolf Assenheimers Brüder und deren Familien erlitten bis 1945 unter anderem Flucht, Zwangsaufenthalt, Internierungs-Lager in Frankreich und letztendlich Lagerleben in der Schweiz. Ende April 1945 kehrten sie nach Antwerpen zurück und bauten das Unternehmen wieder auf.
Verfasserin:
Kornelia Renemann (2022)
Informationsquellen:
StA Bremen, 4,75-151, 4,75/5-3360, 4,75/5-151, Einwohnermeldekartei
Renemann, Kornelia: Jüdische Produktenhändler in Bremen in Christoffersen, P./Johr, B. (Hrsg.) „Biografische Spurensuche“ Stolpersteine Bremen, Neustadt, Bremen 2020, Bd. 6, S. 54-67
Private Erinnerungen und Erzählungen in der Familie Grünberg und Assenheimer (Mai 2022)
Hermann-Böse-Gymnasium Schülerinnen und Schüler auf den Spuren jüdischer Geschichte(n) in Bremen: (https://docplayer.org/)
https://beeldbank.kazernedossin.eu: Porträtfoto
www.books.google.de: Belgisch staatsblad, Ausgaben 92-182 (Seite 3750)
Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Malines / Mechelen