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Johann Schmid, *1882

IM WIDERSTAND/KPD, VERHAFTET 1943, ZUCHTHAUS OSLEBSHAUSEN, 1944 VERURTEILT "LANDESVERRAT",
ZUCHTHAUS HAMELN TOT 14. APRIL 1945


Huchtinger Straße 42
Bremen-Woltmershausen

Verlegedatum: 14.06.2022

Johann Schmid

Johann Schmid
Johann Schmid wurde am 19.9.1882 in Hoflenz geboren, einem kleinen Dorf im mährischen Sudetenland, Bezirk Hohenstadt (heute tschechisch Mlýnický Dvur). Er war das älteste von sieben Kindern des Werkführers Johann Schmid und seiner Ehefrau Maria, geb. Bergmann. Früh musste er mit dem Vater in die Fabrik, eine Färberei, um zum Überleben der Familie beizutragen.

Mit 22 Jahren verließ er sein Elternhaus und fand eine Anstellung in einer Gummifabrik in Hamburg-Harburg. Ab 1906 war er in Bremen gemeldet und wurde dort 1921 eingebürgert. 1909 heiratete er Maria Seidelmann, die auch aus dem Sudetenland stammte, geboren am 17.9.1883 in Neudörfel/Bezirk Senftenberg/Böhmen. Ihr Vater war Heinz Seidelmann, ihre Mutter Anna, geb. Werner. Johann und Marie Schmid waren katholisch getauft, Johann Schmid wird später als konfessionslos geführt.

Das Ehepaar wohnte von 1915 an in der Wartburgstraße 102. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor: Tochter Gertrud Anna wurde 1909 geboren, Sohn Walter 1920. 1929 baute die Familie ein Haus in der Huchtinger Straße 42 in Woltmershausen. „In der Familie war er ein ruhiger Mann und seinen zwei Kindern ein selbstloser Vater“, so Marie Schmid über ihren Mann.

Johann Schmid nahm ab 1915 am Ersten Weltkrieg teil, geriet in russische Gefangenschaft und kehrte erst 1919 nach Bremen zurück. Seine Ehefrau Marie schrieb später: „Er hatte die Revolution unter Lenin mitgemacht und kam als bewusster Marxist nach Deutschland zurück.“ Seit 1904 war Schmid in der SPD gewesen, 1926 wurde er Mitglied der KPD. Schmid betätigte sich auch als Kassierer und Delegierter in der Baugewerkschaft, gehörte dem Arbeitergesangverein und der „Roten Hilfe“ an. Von 1940 bis zu seiner Verhaftung 1943 arbeitete Johann Schmid bei Borgward/Werk II in Hastedt, zuletzt als Dreher an der „Revolverbank“ bei Meister Eichem und Vorarbeiter Pundsack in 10-Stunden-Schichten, Stundenlohn -,98 RM, Monatseinkommen 254,80 RM.

1941 wurde Sohn Walter an der Ostfront so schwer verwundet, dass er nach langem Leiden im Münchener Kriegslazarett 1943 starb. „Johann Schmid hatte den Krieg immer gehasst und war Gegner des Hitler-Faschismus. Durch das schwere Leiden des geliebten Sohnes, welcher 2 ½ Jahre dahin siechte (Lungensteckschuss) wurde der Hass noch stärker … Auch auf den Borgward-Werken tat er den ausländischen Kriegsgefangenen jede Gefälligkeit, die eben möglich war. Für ihn war klar und unzweideutig, daß Faschismus und Militarismus den Tod des deutschen Volkes bedeuteten und schwersten Lasten anderer Völkern zufügte“. Schmids illegale Aktivitäten wurden verraten, vermutlich durch Denunzianten auf seiner Arbeitsstelle: Vorarbeiter Johann Meyer, Arbergen, Hollerstraße 262 und Dreher Fritz Scheer, Salzhornstraße 281, werden in den Akten namentlich genannt.

Am 5.10.1943 verhaftete die Gestapo Johann Schmid. „Man hatte ihn zu Beginn seiner Haft fünf Tage und Nächte hier in Bremen im Polizeigefängnis geprügelt und misshandelt, um die Aussage zu erzwingen. Die Stärke der Gestapo bestand in der Misshandlung dieses 60-jährigen, niemals vorbestraften Mannes. Die Familie sah ihn das letzte Mal am Begräbnistage seines Sohnes, wo er in Gestapo-Begleitung anwesend war“, schreibt die Ehefrau. Am 14.4.1944 wurde Johann Schmid ins Zuchthaus Bremen-Oslebshausen überstellt, wo er bis zum 28.8.1944 einsitzen musste. Während dieser Zeit verurteilte ihn das Sondergericht Bremen zu fünf Jahren Zuchthaus und Ehrverlust wegen "Landesverrats", insbesondere wegen „fortgesetzten Abhörens feindlicher Sender“ und weil er „einen Soldaten der deutschen Wehrmacht zur Fahnenflucht angeregt“ habe (Urteil vom 14.6.1944, Zeugen M., S. und B.). Letzteres bestritt Schmid: Er habe lediglich gesagt, dass er in russischer Gefangenschaft gut behandelt worden sei.

Am 28.8.1944 wurde Johann Schmid in das Zuchthaus Hameln überstellt. Er besaß: „1 grüner Lodenmantel, 1 gr. Herrenhut, 1 grauer Maßanzug, Unterwäsche, Hose, Hemd, Strümpfe, 1 Paar schwarze Lederhandschuhe, 1 Paar braune Lederhandschuhe, Oberhemd, Kragen, Schlips“. Die Kleider wurden im Innenhof des Zuchthauses verbrannt, nachdem Johann Schmid acht Monate später dort gestorben war. Er ist laut Unterlagen des Standesamts Hameln in Hameln am 14.4.1945 angeblich an Durchfall und Herzschwäche verstorben. „Doch Hunger, Ungeziefer, Fehlen von Kleidung und die schlechte Unterkunft in den feuchten Kerkerzellen machten ihn krank. Auch seelisch war er sehr herunter, da zum Tode des Sohnes auch noch das Verlieren sämtlicher Habe gekommen war.“ Johanns Ehefrau bezieht sich im letzten Satz darauf, dass ihr Haus beim 117. Luftangriff auf Bremen – am 26.11.43 – so stark beschädigt worden war, dass die Familie umziehen musste. Bei diesem Angriff wurden auch eine ganze Reihe von Nachbarn verwundet. Erst 1951 konnte die inzwischen verwitwete Marie Schmid in das wieder hergestellte Haus in der Huchtinger Straße einziehen. Sie starb 1955.

Verfasser:
Franz Dwertmann (2022)

Informationsquellen:
Staatsarchiv Bremen: Einwohnermeldekarte, Akten 4,77/1-130-132, 4,125/2-76, 4,77/1-2296
Weser-Kurier vom 14.6.1983
Senator für Justiz und Verfassung der Freien Hansestadt Bremen (Verantwortlich: Wrobel, Hans): Strafjustiz im totalen Krieg, Bremen 1992, Bd 1, S.70 f
Zuchthausbuch Bremen-Oslebshausen
www.geschichte-hameln.de/gedenkbuch

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Politisch Verfolgte