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Chana Klara Dellheim, geb. Silberberg, *1898

1940 deportiert von Mutterstadt nach Gurs, überlebt in psychiatrischer Anstalt in Lannemezan/Frankreich


Am Rosenberg 47
Bremen-Hemelingen

Chana Klara Dellheim


Chana Klara Silberberg wurde am 17.9.1898 in Freistadt/Frysztak (heute Polen) als Tochter von Moses Silberberg und Bertha (geb. Zeiger) geboren. Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung hatten bereits vor dem 1.Weltkrieg galizische Juden in die Emigration gezwungen.

Chana wohnte, von Köln kommend, vom 2.6.1920 -2.12.1935 in Bremen, Am Rosenberg 47, wo sie bereits erstmals vom 26.5.-1.8.1915 gemeldet war. Sie lebte hier mit der Familie ihres Bruders Samuel Silberberg (geb.1889) bis 24.11.1935. Dieser ließ sich 1919 mit einem Woll- und Weisswarengeschäft nieder. Auch er hatte sich vorher mehrmals in Bremen aufgehalten, von 1913-1914 und von 1914-1916. Er heiratete am 17.4.1919 Frieda Lan (geb.1893) aus Lisko. Das Ehepaar bekam zwei Söhne Moritz (geb. 1920) und Jakob (geb.1922). Die Familie wanderte 1936 nach Haifa/Palästina aus.

Chana zog am 24.11.1935 nach Zweibrücken, wo sie Emil Dellheim (geb. 1892) heiratete. Nach einem Bericht einer Nichte der Familie lernte Chana Silberberg Emil Dellheim in Köln im Zusammenhang mit Pferdehandelsaktivitäten kennen, wo sie sich offenbar immer wieder aufgehalten hat (möglicherweise bei den dort lebenden Eltern). Für ihn war es die zweite Ehe. Er kam aus Mutterstadt, betrieb aber in Zweibrücken eine Pferdemetzgerei. Dort lebte das Ehepaar in der Mühlstrasse 1.

Emil Dellheim wurde in der Novemberpogromnacht 1938 mit anderen jüdischen Männern verhaftet und im Zweibrücker Gefängnis gezwungen sein Vermögen an den Kreiswirtschaftsberater Emil Hitschler als Vertreter der Saarpfälzischen Vermögensverwaltungsgesellschaft Neustadt zu übertragen. Anschliessend wurde er im KZ Dachau bis zum 16.12.1938 inhaftiert. Er ging, da er seine Metzgerei in Zweibrücken 1939 schliessen musste, in seine Geburtsstadt Mutterstadt zurück. Hier lebte das Ehepaar in seinem Geburtshaus in der Speyrer Straße 11. Anschließend war er vorübergehend als Hilfsarbeiter in einer Eisenbahnreparaturwerkstatt tätig.

Am 22.10.1940 wurde Emil Dellheim gemeinsam mit seiner Frau von Mutterstadt aus in das französische Internierungslager Gurs deportiert, gemeinsam mit 827 jüdischen Frauen und Männern aus der Pfalz. Insgesamt wurden über 6.500 Juden aus Baden, der Pfalz und dem Saarland auf Betreiben des badischen Gauleiters Robert Wagner verhaftet und in Zügen Richtung Frankreich deportiert. Die französische Regierung in Vichy leitete die Züge in das Internierungslager Gurs am Rande der Pyrenäen weiter.

Chana Klara Dellheim war durch die Ereignisse schwer traumatisiert worden. Sie wurde von Gurs aus am 16.6.1941 in die psychiatrische Anstalt in Lannemezan, Departement des Hautes-Pyrenees, eingewiesen, als eine von 47 jüdischen Menschen. Dort lebte sie bis zum 8.3.1962. Anschliessend kam sie in ein Altersheim in Pointis de Riviere, Region Okzitanien. Dort starb sie am 5.4.1972. Sie überlebte den Holocaust in Frankreich geistig verwirrt.

Emil Dellheim kam am 28.8.1942 mit dem Transport Nr. 25 von Gurs über das Sammellager Drancy in das KZ Auschwitz. Sein Todesdatum ist nicht bekannt.

Er hinterliess drei Briefe, die er aus Gurs zunächst nach Lausanne an seine Schwester Lina schickte und um Weitersendung an seine Schwester Ida in Mutterstadt bat. Der Brief vom 8.12.1940 enthält die Bitte „um ein paar Franken“ und „nur wenn Du in der Lage bist“. In den beiden weiteren erhaltenen Briefen vom 31.5.1942 und 2.8.1942 aus dem Internierungslager Miramas erwähnt er wieder die Bitte um Geld und dass er die Hoffnung habe, dies nach dem Krieg wieder gutmachen zu können. In seinem letzten Brief vor seinem Weitertransport wird seine Verzweiflung deutlich lesbar durch die Klage über völlig zerstörte Schuhe und wie schrecklich es sei, ohne Geld zu sein.

In den 1990iger Jahren erkennt eine Nichte der Dellheims, Ruth Külbs, in einem TV-Beitrag des Südwestdeutschen Rundfunk Baden-Baden (1998) über einen Auschwitz Transport ihren Onkel Emil Dellheim. Sie konnte einige neue Erkenntnisse zum Schicksal der Dellheims, insbesondere zum Schicksal Chana Klaras in Frankreich, beitragen. Diese soll eine streng gläubige, zurückgezogen lebende Frau gewesen sein. Auf die Verhaftung habe sie „kopflos und versteinert“ reagiert, das Notwendigste nicht einpacken können. Ruth Külbs war als Zeitzeugin für die Aufarbeitung der jüdischen Geschichte Mutterstadts eine wertvolle Hilfe.

Für Emil und Chana Dellheim wurden am 7.7.2020 Stolpersteine in Zweibrücken, Mühlstrasse 1, verlegt.

Petra Nothaft (2025)

Informationsquellen:
StA Bremen Einwohnermeldekartei
Stadtarchiv Zweibrücken Heiratsurkunde
Nachruf Ruth Külbs im Mutterstadter Wochenblatt 8.12.2020
www.stolpersteine-zweibruecken.de
www.judeninmutterstadt.org: Drei Mutterstadter Schicksale
www.pfalzgeschichte.de
www.gurs-pfalz.de

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Gurs