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Biografie im Erinnerungsportal, kein Stolperstein vorhanden

Wilhelm Berner, *1912

Im Widerstand, 1937 KZ Sachsenhausen, 1941 KZ Groß-Rosen, TOT 13.1.1942


Vahrer Straße 208
Bremen-Vahr

Wilhelm Berner


Wilhelm Berner wurde am 7.6.1912 in Bremen geboren. Seine Eltern waren der Tischler Christoph Hermann Wilhelm Berner (1886 - 1965) und seine Ehefrau Martha, geb. Pralle (1892 - 1978).

Er besuchte acht Jahre die Volksschule in Sebaldsbrück, seine Entlassungsfeier fand in der "Kommunistischen Jugendweihe" statt, so sein Vater in einem Lebenslauf von 1947. Er berichtet weiter über seinen Sohn: "Schon früh setzte er sich für die kommunistische Idee ein. Er ergriff den Seemannsberuf und hat alle Erdteile befahren. [...] Während seiner Arbeitslosigkeit verkaufte er kommunistische Zeitungen und war überall da, wo es was zu agitieren gab. Im Jahr 1931 wurde er durch einen Hemelinger kommunistischen Funktionär der, wie sich bei der Gerichtsverhandlung herausstellte, ein Polizeispitzel war, zur Strecke gebracht. [...] Von 1930-31 war er Kurier für die Partei zwischen Berlin und Sachsen." Als Matrose verdiente er 230 RM in der Woche.

Wilhelm Berner jun. war im Januar 1931 bei seinen Eltern in der Vahrer Straße 208 ausgezogen und wohnte anschließend bis Mai in der Calvinstraße 94, von dort meldete er sich nach Berlin ab. Von 1926 - 1932 gehörte er dem Seemannsverband an. Die bekannten Verurteilungen lassen darauf schließen, dass er aktiv in den politischen Auseinandersetzungen der KPD in der Endphase der Weimarer Republik engagiert war und nicht vor Gewalttaten zurückschreckte. Eine Parteizugehörigkeit ist nicht dokumentiert.

18-jährig wird er 1930 erstmalig vom Amtsgericht Bremen zu 90 RM (oder Ersatzhaft) nach der Seemannsverordnung verurteilt. Nach den aufgeführten übertretenen Bestimmungen scheint es sich um ein Trunkenheitsdelikt mit Ausfällen gegenüber der Schiffsführung gehandelt zu haben.

1931 wird er in Halle, als ohne festen Wohnsitz, vom Schöffengericht verurteilt wegen "unerlaubter Führung einer Schusswaffe und einer Stoßwaffe, ferner wegen bewaffneten Erscheinens an öffentlichen Orten zu politischen Zwecken, endlich wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt" zu drei Monaten Gefängnis verurteilt. Im Februar 1932 wird er vom Schwurgericht Halle wegen "Totschlagversuchs" und wegen Schusswaffen- und Munitionsbesitzes zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt. Hintergrund war ein Schusswechsel mit der Polizei in den Straßen Halles. Berner und seine Kameraden nahmen an, die Polizei habe einen Parteigenossen verhaftet. Die Polizei allerdings geleitete ein KPD-Mitglied nach Hause, das als Spitzel angesehen und an diesem Abend von Parteigenossen verfolgt und bedroht wurde.

Beide Strafen wurden aufgrund des Reichsgesetzes über Straffreiheit vom 20.12.1932 erlassen. Die Amnestie betraf insbesondere die "politischen Ausschreitungen" und Übertretungen von politisch motivierten Verordnungen im Bereich der öffentlichen Sicherheit und Ordnung Anfang der 1930er Jahre.

1932 stand Berner mit zwei weiteren Personen in Bremen wegen eines "Sprengstoffanschlages" und "des versuchten Totschlags" vor Gericht. Den Tathergang betitelte die Bremer Nationalsozialistische Zeitung am 28.6. mit "Wildwest in Hemelingen". Soweit dem geschilderten Bericht von der Verhandlung Glauben zu schenken ist, soll ein Mitangeklagter Berner seinerzeit nach einer Erwerbslosenversammlung vorgeschlagen haben, dem in Hemelingen als "besonders rabiat" geltenden Polizeibeamten Gutzeit einen Streich zu spielen und sein Haus mit roter Farbe zu beschmieren. Ein anderes KPD-Mitglied regte an, dies effektiver mit dem Wurf einer Karbidflasche zu machen; den beteiligten Männern war nicht bekannt, dass er ein Polizeispitzel war. Sie warfen die Flasche in die Wohnung des Landjägers Scheibner, die sie mit der Gutzeits verwechselt hatten. Es entstand Sachschaden.

Anschließend wurde B. in der Wohnung seiner Eltern in der Vahrer Straße aufgespürt und er floh. Er wurde bei einem Landwirt am Hollerdeich gestellt. Bei seiner Festnahme gab er Schüsse auf die Anwesenden ab, die bei drei Personen zu leichten Verletzungen führten. Auch wurde ihm vorgehalten, bereits vor längere Zeit anlässlich eines Stahlhelmumzuges zwei Schüsse abgegeben und dabei eine Person verletzt zu haben.

In einem Revisionsverfahren vor dem Reichsgericht wurden im Dezember 1932 die Verurteilungen nach politischem Strafrecht aufgehoben. Übrig blieb die Verurteilung wegen "Versuchs des Totschlags in vier Fällen", die mit fünf Jahren und sechs Monaten Zuchthaus belegt wurde. Berner verbüßte seine Strafe bis zum 24.10.1937 im Zuchthaus Oslebshausen.

Bereits 1935 stufte die Kripo Berner als "Gewohnheitsverbrecher" ein und fragte bei der Gestapo an, ob eine "Vorbeugungshaft" notwendig sei. Der Gestapo war er "...seit 1937 als Kommunist bekannt. Er stand fast stets in vorderster Linie." Er sei ein "mit allen verbrecherischen Energien geladener Bursche", auf den die Zuchthausstrafe "keinen Eindruck trotz seiner Jugend" gemacht habe. Die Kripo drängte zunächst darauf, ihn nach Strafende dem KZ Esterwegen "zuzuführen", da seine Straftaten "durchweg auf politischem Gebiet liegen" und er nicht als "Berufsverbrecher" angesehen werden könne. Die Gestapo pflichtete der Einschätzung im April 1935 bei, er müsse "unter allen Umständen in politische Schutzhaft genommen werden, da feststehen dürfte, dass Berner sofort wieder auf der Seite der Staatsfeinde stehen würde. Da er führend in der kommunistischen Terrorgruppe tätig war, wäre eine Freilassung unter den augenblicklichen politischen Verhältnissen nicht tragbar." In scheinbarem Unbeteiligtsein stellte die Kripo 1937 fest: Berner sei "auf Veranlassung der Geheimen Staatspolizei am 27.10.1937 dem KZ Sachsenhausen zugeführt." Dort wurde sein Zugang am 30.10. mit der Häftlingsnummer 1054 registriert.

Der Mitangeklagte Anders im Prozess von 1932 beschrieb im Rahmen des Entschädigungsverfahrens (1951) Wilhelm Berner als weder kriminell noch als asozial veranlagt. "Er selbst sah seine Vergehen auch nur von der politischen Seite an, soweit er sie verstand."

Im Oktober 1939 wurde Berner vom AG Bad Doberan wegen Diebstahls in zwei Fällen (geschehen anscheinend im KZ) zu einer Gefängnisstrafe von acht Monaten verurteilt. Das AG Berlin verurteilte ihn im März 1940 zu einer weiteren Gefängnisstrafe von sechs Monaten wegen im Mai 1939 begangener "widernatürlicher Unzucht" nach § 175 StGB mit einem anderen "Schutzhäftling". Diese Strafen verbüßte er vermutlich in der Zeit von November 1939 bis Dezember 1940 im Strafgefängnis Berlin-Spandau ab.

Am 17.9.1941 wurde er mit 124 weiteren Häftlingen in das KZ Groß-Rosen überstellt. Im Januar 1941 erhielt die Familie ein Telegramm von dort, dass ihr Sohn am 13.1.1942 angeblich an "Lungenentzündung und Kreislaufschwäche" verstorben sei. Eine Leichenbesichtigung sei bis zum 15.1. möglich, die Einäscherung fände im Lagerkrematorium statt.

Seine Eltern forderten die Urne an, die am 4.4.1942 auf dem Friedhof Osterholz beigesetzt wurde. Das Beerdigungsinstitut "Pietät" stellte die Kosten der Beisetzung dem Konzentrationslager am 17.4.1942 in Rechnung. Dies wurde abgelehnt, da lediglich "der Urnenversand vom hiesigen Krematorium bis zu der betreffenden Friedhofsverwaltung" vom Konzentrationslager getragen werde.

Das Landesamt für Widergutmachung lehnte 1951 den Antrag des Vaters auf Widergutmachung ab. In der Herleitung der Entscheidung wurde ansatzweise die Schutzhaftbegründung von Kripo und Gestapo herangezogen. Die politische Überzeugung des Verstorbenen basiere nicht auf "einer charaktervollen und sittlichen Grundlage, sondern war gegen das Leben anderer Personen gerichtet." Da die Straftaten vor 1933 begangen wurden, "[...] konnte er dem nationalsozialistischen Staat wenig Schaden zufügen, da dieser damals noch gar nicht bestand. Seine Handlungsweise richtete sich vielmehr gegen den Weimarer Rechtsstaat, den er auf diese Art und Weise mit unterhöhlte, so dass schließlich der Nationalsozialismus zur Macht gelangen konnte."

Dass Berner nach Verbüßung seiner Zuchthausstrafe 1937 der Willkür des NS-Regimes ausgesetzt war und als "politischer Schutzhäftling" ohne Urteil in ein Konzentrationslager eingewiesen und ermordet wurde, war anscheinend nicht entscheidungsrelevant bzw. ist nach Aktenlage nicht zu erkennen. Vielmehr wurden "Diebstahl und widernatürlicher Unzucht" im Konzentrationslager als Ausdruck seines "asozialen Verhaltens" gewertet. Eine politische Überzeugung im Sinne des Entschädigungsgesetzes sei "auf keinen Fall erwiesen". – Der Vater legte keine Rechtsmittel gegen den Bescheid ein.

Aufgrund der städtebaulichen Gegebenheiten kann kein Stolperstein an seinem Hauptwohnort verlegt werden.

Peter Christoffersen (2025)

Informationsquellen:
StA Bremen Akten 4,54-E2719, 4,54-E5167, 4,54-E1299, 4,60/5-2774, Einwohnermeldekartei
Archives Arolsen
Archiv Gedenkstätte Sachsenhausen
Bremer Nationalsozialistische Zeitung vom 28.6. und 29.6.1932
Schmuhl H-W.: Halle in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus. In: Freitag W, ed. Geschichte der Stadt Halle an der Saale, Halle 2006, S. 237-302
Die Maus, Leichenbücher

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Politisch Verfolgte
Glossarbeitrag Sachsenhausen