Sie befinden sich hier | Kapitelüberschrift  Erinnerungsportal | Biografie
Schriftgroesse verkleinern Schriftgroesse normal Schriftgroesse vergrössern
Diese Seite ausdrucken

Biografie im Erinnerungsportal, kein Stolperstein vorhanden

Bernhard de Haas, *1919

1941 deportiert Ghetto Minsk, ermordet



Bremen-Neustadt
ehemalige Straßenbezeichnung: Warnkengang 5

Bernhard de Haas


Familienbiografie
Iwan de Haas
Bernhardine de Haas, geb. Heyersberg
Bernhard de Haas
Moritz de Haas
Jenny de Haas

Iwan de Haas wurde am 10.8.1877 in Harpstedt/Oldenburg geboren als Sohn von Abraham de Haas und Betty, geb. Neublum. Die vier jüngeren Geschwister von Iwan kamen in Wildeshausen zur Welt, wo der Vater, ebenso wie dessen Brüder Bernhard und Moritz, eine Schlachterei betrieb.

Am 26.11.1903 heiratete Iwan de Haas in Delmenhorst Bernhardine Heyersberg, die als uneheliches Kind von Johanna Heyersberg am 3.6.1881 in Bremen geboren wurde. Sie war zur Zeit der Eheschließung Haustochter, Iwan de Haas Viehhändler in Alfhausen bei Quakenbrück.

In den folgenden Jahren hat er offenbar versucht, sich an unterschiedlichen Orten eine Existenz aufzubauen, denn die insgesamt 10 Kinder des Paares kamen in verschiedenen Ortschaften des Gebiets Quakenbrück/Wildeshausen zur Welt. Der 1914 geborene Sohn Siegmund lebte im Alter von 2 bis 9 Jahren in Emden im Waisenhaus, was auf wirtschaftliche Probleme der bereits 6-köpfigen Familie in den Kriegsjahren hinweisen könnte.

1916 zog die Familie nach Delmenhorst, wo sie bis zur Vertreibung 1940 lebte. In den 1920er Jahren soll Iwan de Haas als Schlachter, Vieh- und Produktenhändler ein recht gutes Auskommen gehabt haben. Möglicherweise infolge der Wirtschaftskrise geriet die Familie jedoch in finanzielle Not. Sie wohnte zunächst am Berliner Weg 142, in sehr beengten Verhältnissen zur Miete. Ab 1930 lebte sie am Bahnweg 8 in einer Einfachstwohnung von 35qm, mit zwei Zimmern je 12 qm und einer Küche von 8 qm.

Schon vor dem Beginn der der Herrschaft der Nationalsozialisten musste Iwan de Haas 1932 als Notstandsarbeiter bei der Stadt Delmenhorst arbeiten, mit einem Wochenverdienst von 25 RM. In den folgenden Jahren, die von zunehmendem Drangsalieren und Verboten für Juden gekennzeichnet waren, war er arbeitslos. Laut Aussagen seiner Nachbarn handelte er zeitweise mit Altmetall und Lumpen, jedoch ohne wesentliches Einkommen.

In der Pogromnacht vom 9./10.11.1938 wurden er und seine Söhne, ebenso wie alle männlichen jüdischen Einwohner Delmenhorsts, verhaftet und für eine Nacht im Stadtgefängnis arretiert. Bei der anschließenden Internierung im KZ Sachsenhausen, waren die Häftlinge Demütigungen und Misshandlungen ausgesetzt und wurden zu schwerer Arbeit herangezogen

Nach seiner Entlassung am 14.12.1938 musste Iwan de Haas weiterhin Zwangsarbeit leisten. 1939 wurden die Vermögensverhältnisse von Juden erfasst. Die Eheleute de Haas teilten den Finanzbehörden mit, dass sie keinerlei Vermögen und auch nie ein Bankkonto besessen hätten

Anfang 1940 wurden alle jüdischen Einwohner Ostfrieslands und Oldenburgs ausgewiesen. Das Ehepaar de Haas, sowie ihre Kinder Moritz und Jenny zogen am 9.4. zur Tochter Klara, verheiratete Seligmann nach Bremen, in den Warnkengang 5 in der Neustadt.

Da nach und nach auch noch weitere vertriebene Mitglieder der Familie Seligmann nach einer Unterkunft suchten, lebten schließlich bis zu 14 Personen im 22 qm kleinen Haus unter schwer vorstellbaren Bedingungen.

Die drei jüngsten Kinder hatten im Gegensatz zu den Älteren, keinerlei Möglichkeit einen Beruf zu erlernen. Grund hierfür war nicht nur die Armut der Eltern, sondern auch die Berufsverbote der Nationalsozialisten.

Bernhard de Haas (geb. 30.5.1919) machte auf dem Gut Jägerslust bei Flensburg, einer Hachschara Einrichtung, eine Ausbildung zum Landwirt. Die Verbindung entstand möglicherweise durch den Bruder Siegmund, der von April bis Oktober 1938 in Flensburg lebte und dort als Verkäufer arbeitete. Die Nähe zur dänischen Grenze mit einem Austauschprogramm stellten für die insgesamt 100 Schüler eine potentiell gute Fluchtmöglichkeit dar. Bernhard muss die Einrichtung schon vor ihrer Auflösung in der Pogromnacht verlassen haben, denn er wurde in Delmenhorst interniert und nach Sachsenhausen deportiert.

Nach der Entlassung im März 1939 wurde er, wie seine Brüder, zur Zwangsarbeit im Straßenbau und in einer Ziegelei verpflichtet. Bernhard zog schon vor seinen Eltern und jüngeren Geschwistern am 26.2.1940 nach Bremen. Er wohnte zunächst bei Arthur und Regina Levy in der Wartburgstraße 31/33, die in ihrem eigenen, unter Wert verkauften Haus noch zur Miete wohnen konnten. Schon vier Monate später musste auch Bernhard in den Warnkengang, in die Nr. 7 ziehen, wo er bis zur Deportation am 18.11.1941 lebte.

Moritz de Haas (geb. 21.6.1920) hatte den Wunsch, wie sein Vater das Schlachterhandwerk zu erlernen. Nach Abschluss der Volksschule in Delmenhorst 1933 konnte der 13-Jährige zunächst nur als Laufjunge etwas Geld verdienen, in den folgenden Jahren als landwirtschaftlicher Arbeiter. Er wurde bis zum 1.4.1939 im KZ Sachsenhausen interniert und musste danach Zwangsarbeit verrichten.

Das jüngste Kind, Jenny (geb. 16.7.1923), besuchte ab 1930 die Volksschule, die sie absolviert hatte, noch bevor am 15.11.1938 jüdischen Kindern verboten wurde, deutsche Schulen zu besuchen. Sie war Mitglied im Turnerbund „Schild“, einem nicht zionistisch ausgerichteten jüdischen Sportverein. Ihr Berufswunsch, Krankenschwester zu werden, konnte 1938 nicht mehr in Erfüllung gehen. Sie wurde wie bereits ihre Schwestern Haustochter bei freier Kost und Logis und einem Taschengeld.

Am 18.11.1941 wurden alle Bewohner des Warnkengangs von Bremen aus in das Ghetto Minsk deportiert. Dort wurden sie ermordet: Sofern sie nicht den unmenschlichen Lebensbedingungen im Ghetto erlagen, fielen sie einer der Massenmordaktionen am 28./29.7.1942 zum Opfer.

Der älteste Sohn Adolf war bereits 1906 im Alter von zwei Jahren verstorbenen. Die Schwestern Minna und Sophie konnten 1939 nach England und von dort in die USA flüchten. Alle anderen Kinder der Eheleute de Haas, sowie deren Familien, fielen der Vernichtung durch die Nationalsozialisten im Ghetto Minsk zum Opfer.

Für Ida Cohen, geb. de Haas und ihren Ehemann wurden in Delmenhorst Stolpersteine verlegt, für Siegmund de Haas, seiner Ehefrau und deren Familie in Bremen-Nord.

Christa Rödel/Christine Nitsche-Gleim (2025)

Informationsquellen:
Staatsarchiv Bremen Einwohnermeldekartei, Akten 4,54-E 11687, E 11688, E 11689,
454-E11691, E 11692, 4,54-E 11916, 4,54-E11917, 454-Rü 5629
Dwertmann, Franz: Der Warnkengang in der Neustadt, in: Stolpersteine in Bremen, Band 6 Neustadt, Bremen 2020
Meiners, Werner : Geschichte der Juden in Wildeshausen, Oldenburg 1988
Meyer, Enno: Geschichte der Delmenhorster Juden, Oldenburg 1985

Jörg Paulsen, Jörg: Erinnerungsbuch. Ein Verzeichnis der von der nationalsozialistischen Verfolgung betroffenen Einwohner der Stadt Oldenburg, Bremen 2001

https://hachschara.juedische-geschichte-online.net/ort/11

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Minsk