Biografie im Erinnerungsportal, kein Stolperstein vorhanden
Kurt Deichmann, *1913
1941 deportiert Ghetto Minsk, Ermordet
Bremen-Gröpelingen
ehemalige Straßenbezeichnung: Gröpelinger Deich 50
Kurt Deichmann

Kurt Deichmann wurde am 5.7.1913 in Delmenhorst geboren. Seine Eltern waren der Viehhändler Willy Deichmann (geb. am 23.2.1983) und Rosa Deichmann, geborene Harf (geb. am 25.7.1882). Sie heirateten 1912 in Syke.
Im Dezember 1926 zog die Familie nach Hoya. Dort lebten auch die Großeltern von Kurt Deichmann. Sie führten einen „Produkt und Tabakwaren Verkauf. Sie hatten sechs Kinder: Willy, Kurts Vater, war ihr vierter Sohn. 1928 war das neue Haus der Deichmanns in der Feldstraße 4 fertig, das Kurts Vater mit Mitteln seiner Kriegsversehrtenrente (er hatte am 1. Weltkrieg teilgenommen) bauen ließ. Kurt wurde Mitglied im Männerturnverein Hoya von 1878.
Am 8. 9.1936 ging der 23-Jährige nach Engeo bei Bremervörde und absolvierte bei dem jüdischen Viehhändler und Landwirt Joseph Salomon eine Ausbildung zum landwirtschaftlichen Gehilfen. Auf dessen großen Hof arbeiteten bis etwa 1938 regelmäßig zwei bis drei jüdische Lehrlinge.
Am 9.6.1938 meldete sich Kurt Deichmann in Bremervörde ab und zog nach Zeven zu seiner Tante Martha Deichmann. Sie war mit dem nichtjüdischen Viehhändler Friedrich Helmke verheiratet. Berichtet wird, dass Hans Helmke, der Sohn von Kurts Tante Martha, seinen Cousin dringend geraten hatte, Deutschland so schnell wie möglich zu verlassen. Dieser habe aber zunächst seine landwirtschaftliche Ausbildung beenden wollen.
Am Morgen des 10. November 1938 wurden in Zeven alle 21 jüdischen Männer, Frauen und Kinder der Stadt durch etwa 40 bis 50 SA-Leute, die in kleinen Trupps loszogen, in „Schutzhaft“ genommen, darunter auch Kurt Deichmann. Sie wurden zunächst zu einem Sammelplatz gebracht (Gastwirtschaft Lohmann). Von dort brachten SA-Leute sie zum Haus von Erich Neugarten in der Gartenstraße 336 (heute Nummer 16). Dort befand sich seit dem 28.2.1937 der Betsaal für die jüdische Gemeinde Zevens. Er wurde, ebenfalls am 10. November, von SA-Angehörigen zerstört und geplündert. Teile der Einrichtung wurden auf dem Gelände des Viehmarktes (dem heutigen Busbahnhof) öffentlich verbrannt. Etliche Schulklassen sahen auf Anordnung ihrer Lehrer der Verbrennung zu.
Am Nachmittag des 10. November begann der Abtransport der verhafteten Männer; Frauen und Kinder blieben zurück. Kurt Deichmann wurde zusammen mit fünf anderen Männern mit einem Lastwagen durch Zeven gefahren. Der Wagen trug antisemitische Parolen und bremste immer wieder abrupt, so dass die Männer auf der Ladefläche durcheinanderfielen.
Auf einem Foto, aufgenommen unmittelbar vor dem Abtransport zur Gestapo nach Geestemünde bei Bremerhaven, sind die sechs verhafteten Männer vor dem Haus in der Gartenstraße zu sehen: Erich Neugarten (Zweiter von rechts), Hermann Samson (Vierter von rechts), Bernhard Blumert (Sechster von rechts) und dahinter vermutlich Kurt Deichmann. Außerdem Albert Rosenthal (Vierter von links) und vermutlich Gustav Kleinschmidt (Zweiter von links).
Im Gerichtsgefängnis in Geestemünde wurden die sechs Männer in einen Keller gesperrt und zwischen 20 und 21 Uhr verhört. Am nächsten Tag wurden sie mit dem Zug zu einem Sammelpunkt nach Bremen gebracht. Ein Sonderzug fuhr sie von dort weiter in das KZ-Sachsenhausen. Bevor sie im Dezember 1938 aus dem KZ freigelassen wurden, musste jeder von ihnen eine Erklärung unterschreiben, in der sie ihre schnellstmögliche Auswanderung bestätigten.
Kurt Deichmann kehrte am 30.12.1939 in sein Elternhaus in Hoya zurück. Nur wenige Tage später, am 8.1.1940, meldete er seinen Wohnsitz in der Busestraße 3 in Bremen an. Unmittelbar vor seiner Deportation nach Minsk war er vom 13.11. bis zum 17.11.1941 am Gröpelinger Deich 50 gemeldet.
Am 18.11.1941 wurde Kurt Deichmann von Bremen aus in das Ghetto Minsk deportiert. Auch sein Onkel August Deichmann, zusammen mit seiner Frau Minna und seinem Sohn Fredy, waren auf demselben Transport. Sie wurden in Minsk ermordet, sofern sie nicht den unmenschlichen Lebensbedingungen im Ghetto erlagen. Fredi Deichmann überlebte zwar die Zeit in Minsk, starb aber 1944 im KZ Flossenbürg.
Von Kurt Deichmanns engsten Verwandten überlebten nur seine Tante Martha (sie starb 1966 in Zeven) sowie sein Onkel Iwan. Er emigrierte zusammen mit seiner Frau Rebecca Kahn nach Brasilien. Kurts Eltern Willy und Rosa wurden am 23.7.1942 nach Theresienstadt deportiert und am 6.10.1944 weiter nach Auschwitz, wo sie ermordet wurden.
In Hoya erinnern insgesamt acht Stolpersteine an die Familien Deichmann. In der Feldstraße 4 wird an Kurt erinnert und an seine Eltern Willi und Rosa sowie an seine Tante Johanne Harf, die drei Jahre ältere Schwester seiner Mutter. Sie war im Sommer 1939 zu ihrer Schwester nach Hoya gezogen. Am 31.3.1942 wurde sie in das Ghetto Warschau deportiert, wo sich ihre Lebensspur verliert.
In der Langen Straße 51 in Hoya befinden sich Stolpersteine für Kurts Onkel Siegfried und dessen Frau Hedwig, sowie für seine Tante Henny und den Großvater Julius Deichmann.
In Bremen kann für Kurt Deichmann kein Stolperstein verlegt werden, da die Straße Gröpelinger Deich nicht mehr existiert.
Hans-Ulrich Brandt (2025)
Informationsquellen:
StA Bremen Akte 4.54-E4888, Einwohnermeldekartei
Hornecker, Elfriede: Woher. Wohin – Jüdische Familien im Hoyaer Land, Hrsg. Heimatmuseum Grafschaft Hoya e.V.
Stolpersteine in Hoya. Online unter: www.stolpersteine-guide.de; Liste der Stolpersteine in Hoya. Online unter Wikipedia
Bachmann, Elfriede: Zur Geschichte der Juden in Zeven und Umgebung. In: „De Sood“ Nr. 30 vom März 1992, Mitteilungen des Heimatbundes Bremervörde-Zeven
Bachmann, Elfriede: Zur Geschichte der Juden in der Stadt Bremervörde. In: Rotenburger Schriften (1991), Heft 74/75, S. 129-200
Kreisarchiv Landkreis Rotenburg
Juden in Bremervörde. Online unter: www.juedische-friedhoefe.info
Jüdisches Leben in Zeven. Hrsg. Von der Samtgemeinde Zeven unter: www.zeven.de
Archiv Samtgemeinde Zeven
Novemberprogrome 1938 in Niedersachsen. Hrsg. Von der Stiftung niedersächsischer Gedenkstätten. Online unter: www.progrome1938-niedersachsen.de
Bildnachweis: StA Bremen Akte 4.54-E4888, Teil 1, S. 376
Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Minsk