Mortka Mendel Bialystock, *1872
Flucht 1938 nach Frankreich verhaftet 1942 in Nizza
ermordet
Faulenstr. 48
Bremen-Mitte
Faulenstr. 48 - Weitere Stolpersteine:
Mortka Mendel Bialystock
geb. 2.5.1872 in WyszkowMortka (Mordechai) Mendel Bialystock wurde am 2.5.1872 in Wyszkow (Polen) als Sohn von Moshe Leib Bialystock und seiner Frau Freida Nekhama Bialystock geboren. Nach dem Besuch der Volks- und der Mittelschule absolvierte er eine Textilfachschule und wurde Textilkaufmann; als Kaufmann im Textilgroßhandel machte er sich in seiner Heimatstadt selbständig.
1890 heiratete er die am 1.6.1867 in Chorzele (Polen) geborene Malka Kahan. Aus der Ehe gingen sieben Kinder hervor: Dora Feigel (geb. 1891), Heinrich Chaim (geb. 1891), Chaja Esther (geb. 1894), Jankiel (geb. 1897), Isaak (geb. 1898), Bertha (geb. 1903) und Isidor (geb. 1907).
1911 zog die Familie Bialystock nach Deutschland, und Mortka Mendel Bialystock gründete in Kiel ein Textilgeschäft. Am 4.8.1914 zog die Familie nach Bremen weiter. In der Brautstraße 3/4 eröffnete Mortka Mendel Bialystock ein Herrenkonfektionsgeschäft; bald verlegte er dieses Geschäft in das Haus Faulenstraße 48, das sich – wie weitere Häuser – in seinem Eigentum befand. Hier wohnte die Familie auch.
Am 1.12.1932 zog die Familie – bis auf den Sohn Heinrich Chaim, der mit seiner Familie in Bremen blieb – in die Niederlande weiter und ließ sich in Den Haag nieder. Mortka Mendel Bialystock kehrte nur noch einmal (1936) zur Bar Mitzwa seines Enkels Martin von Den Haag nach Bremen zurück. Vom 30.8. bis zum 3.9.1936 war er am Bahnhofsplatz 16 in der einzigen Pension Bremens gemeldet, die noch jüdische Gäste aufnahm.
Noch vor dem deutschen Angriff auf die Niederlande, der am 10. Mai 1940 begann, trafen Mortka Mendel und Malka Bialystock am 13. März 1940 in Nizza ein, wo sie sich sicher glaubten. Nach der Kapitulation Frankreichs fiel Nizza zunächst unter die Herrschaft der Vichy-Regierung, war jedoch seit Ende 1942 von italienischen Truppen besetzt, was zu einem starken Zustrom jüdischer Flüchtlinge in die Region um Nizza führte. Die italienischen Zivil- und Militärbehörden widersetzten sich zunächst der Festnahme von Juden, konnten sich jedoch letztlich nicht gegen die Vichy-Regierung und die Gestapo behaupten. Mortka Mendel Bialystock wurde 1943 aufgrund des Verrats einer französischen Familie verhaftet und vermutlich in ein Vernichtungslager deportiert, wo er ermordet wurde.
Ende April 1945 erhielt Mortka Mendels und Malkas Enkel Martin Bialystock, der sich 1940 – mit 17 Jahren – in Palästina den britischen Truppen angeschlossen und in Nordafrika und Italien gekämpft hatte, einen Brief seiner Tante Chaja Esther Pajgin aus Surinam (Niederländisch Guayana). Sie berichtete ihm, in welch verzweifelter Lage sich seine Großmutter in Nizza befände. Er fuhr daraufhin mit einem Jeep von Bologna nach Nizza und suchte dort die Synagoge auf, um zu erfahren, wo die Großmutter wohnte. Den Denunzianten, der seinen Großvater verraten hatte, übergab er der Militärpolizei.
Malka Bialystock kehrte in die Niederlande zurück. Sie starb am 7.7.1955 in Den Haag.
Verfasser: Michael Cochu (2013)
Informationsquellen:
Staatsarchiv Bremen, Akte 4,54-E4763
Bericht des Enkels Martin Bialystock
Abbildungsnachweis: Privatbesitz