Sara Bloch, *1877
deportiert 1941
ermordet in Minsk
Faulenstr. 48
Bremen-Mitte
Faulenstr. 48 - Weitere Stolpersteine:
Sara Bloch
geb. 7.9.1877Die in Vechta geborenen Schwestern Sara, Helene (1879), Meta (1881) und Dora (1884) waren Töchter des Textilkaufmanns Adolf Bloch (1834–1917) und seiner in Borgholzhausen geborenen zweiten Ehefrau Rosa geb. Weinberg (1864–1922).
Der Vater war 1848 als Lehrling aus seinem Geburtsort Twistringen nach Vechta gekommen, hatte 1856 das vor 1800 erbaute ansehnliche Geschäftshaus seines Lehrherrn in der Großen Straße 71 übernommen und dort neben dem Handel mit Manufakturwaren eine Agentur des Norddeutschen Lloyd für die Auswanderung in die USA betrieben. Er war zweimal verheiratet und hatte insgesamt 15 Kinder. Viele Jahre war er Vorsteher der Synagogengemeinde Vechta. Als er 1917 auf dem jüdischen Friedhof begraben wurde, hielt der Landesrabbiner die Trauerrede, und der Kriegerverein ehrte ihn mit einer Parade.
Nach dem Tod der Eltern erbte die 1866 geborene Halbschwester Johanne („Hanna“), die der ersten Ehe des Vaters entstammte, das Haus und führte zusammen mit Sara das Geschäft fort, das vor allem Damenartikel, Trikotagen, Wäsche und Wollwaren in hochwertiger Qualität anbot. 1932 kehrte die Schwester Dora aus Hamburg, wo sie als Verkäuferin in einem Briefmarkengeschäft gearbeitet hatte, in das Elternhaus zurück und unterstütze fortan die Schwestern Hanna und Sara. Dora, das jüngste Kind Adolf und Rosa Blochs, unterschied sich von ihren Schwestern durch ein besonderes Interesse für Literatur, insbesondere die deutsche Literatur des 19. Jahrhunderts; auch hatte sie in ihrer Jugend einen Bubikopf getragen.
Als Hanna Bloch, die in Vechta wegen ihres sozialen Engagements hoch angesehen war und 1916 als Vorstandsmitglied des Vaterländischen Frauenvereins vom Großherzog mit dem Friedrich-August-Kreuz II. Klasse ausgezeichnet worden war, 1936 starb, wurde sie unter großer Anteilnahme der katholischen Bevölkerung auf dem jüdischen Friedhof bestattet. Sara erbte nun Haus und Geschäft.
1937 kehrten auch die Schwestern Helene und Meta in das Elternhaus zurück. Sie hatten gemeinsam in Hameln ein Textilgeschäft aufgebaut, das sie aufgeben mussten, als infolge des antisemitischen Drucks die Kundschaft ausblieb. Die vier Schwestern kümmerten sich nun gemeinsam um das Geschäft.
In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde der Laden geplündert und demoliert. Die Geschäftsbücher wurden beschlagnahmt und die Namen der verbliebenen Kunden im „Stürmerkasten“ veröffentlicht. Auch der jüdische Friedhof wurde verwüstet. Als am 3.12.1938 jüdische Hauseigentümer durch die „Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens“ zum Verkauf ihrer Immobilien verpflichtet wurden, veräußerte Sara Bloch das Geschäftshaus an eine befreundete Familie. Da der Kaufpreis auf einem behördlichen Sperrkonto eingefroren wurde, waren die vier Schwestern jetzt nahezu mittellos und konnten ihre Absicht, in die USA auszuwandern, nicht mehr verwirklichen. Im Sommer 1939 zogen sie deshalb zu ihrem Bruder Albert und seiner Frau Else nach Bremen in die Faulenstraße 48. Dort lebten sie in einer dunklen Wohnung im Obergeschoss; Nachbarn aus Vechta haben sie dort noch besucht.
Am 18.11.1941 wurden Sara, Helene, Meta und Dora Bloch wie ihr Bruder Albert und seine Frau Else von Bremen aus in das Ghetto Minsk deportiert. Dort wurden sie ermordet: sofern sie nicht den unmenschlichen Lebensbedingungen im Ghetto erlagen, fielen sie einer der Massenmordaktionen zum Opfer, die Ende Juli 1942 begannen.
Meta Bloch im Poesiealbum der Schwester Helene:
„Drei Engel mögen dich begleiten In deiner ganzen Lebenszeit Und die drei Engel die ich meine Sind : Liebe, Glück, Zufriedenheit.
Dieses schrieb dir Deine Schwester Meta
Vechta, 1895 July 30.“
Überlebt wurden sie von ihren noch vor dem Ersten Weltkrieg in die USA ausgewanderten Brüdern Simon (geb. 1876) und Ernst (geb. 1886) sowie von ihrer Schwester Paula Kasch geb. Bloch (1883 – 1963), die in einer „Mischehe“ überlebte.
2010 wurden für die Schwestern Hanna, Sara, Helene, Meta und Dora Bloch vor ihrem Elternhaus in der Großen Straße 71 in Vechta Stolpersteine verlegt.
Verfasser: Michael Cochu
Informationsquellen:
StA Bremen 4,54-E10653, Einwohnermeldekarte
Rohdenburg, Günther (Bearb.):„Judendeportationen“ von Bremerinnen und Bremern während der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, Bremen 2006, S. 195
Kratochwill-Gertich, Nancy, u. Antje C. Naujoks: Vechta, in: Obenaus (Hg.): Handbuch, Bd. II, S.1502ff.
Behne, Ulrich: Die Viehhändlerfamilien Gerson und das Schicksal der jüdischen Gemeinde zu Vechta, 2. A., Diepholz 2010 Sieve, Peter: Juden in Vechta 1709-1939, 2. A., Vechta 2013
Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Minsk
Glossarbeitrag "Arisierung"
Glossarbeitrag Novemberpogrom