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Otto Silberberg, *1890

deportiert 1941
ermordet in Minsk


Hastedter Heerstr. 233/235
Bremen-Hemelingen
ehemalige Straßenbezeichnung: Hastedter Heerstr. 313


Hastedter Heerstr. 233/235 - Weitere Stolpersteine:


Otto Silberberg


Familienbiografie
Otto Silberberg
Erna Silberberg, geb. Alexander

Der Viehhändler Otto Silberberg war am 24.3.1880 in Twistringen als Sohn von Bernhard Silberberg (gest. 1916) und Ehefrau Rosalie, geb. London (1864-1942), geboren worden. Am 12.4.1938 heiratete er im Alter von 58 Jahren Erna Alexander (geb. 1.8.1898 in Bremen). Sie war die Tochter von Adolf Abraham Alexander (1868-1928) und Ehefrau Helene, geb. Schragenheim (1866-1922). Sie hatte zwei Geschwister: Erich (geb. 1904) und Heinz (1911-1920). Die Ehe blieb kinderlos.

Die Familie Alexander zählte zu den ältesten jüdischen Familien in Hastedt. Erna Silberbergs Urgroßvater Hesekiel Jacob (1758 in Holland geboren) zog bereits 1785 nach Hastedt. Ihr Vater Adolf Alexander, der bis 1894 in Hemelingen wohnte, eröffnete 1894 an der Hastedter Chaussee ein Geschäft für Manufakturwaren. Aus dem Erbe ihres Vaters besaß Erna zwei Grundstücke mit Mietshäusern.

Mit der Eheschließung zog Otto Silberberg aus Twistringen zu seiner Ehefrau in die Hastedter Heerstraße 313 (heute Nr. 233/235), ihrem Elternhaus. Darin wohnte auch ihr Bruder Erich (siehe Biografie in diesem Band). Als ab Januar 1937 die Juden aus dem Viehhandel verdrängt wurden, verlor Otto Silberberg seine Existenzgrundlage. Ob er in Bremen noch beruflich tätig war, ist nicht bekannt. Die Einwohnermeldekarte weist ihn als Arbeiter aus. In der Reichspogromnacht vom 9./10.11.1938 wurde Otto Silberberg – wie auch sein Schwager Erich Alexander – verhaftet und anschließend in das KZ Sachsenhausen deportiert. Im Dezember 1938 wurde er entlassen.

Die Eheleute erhielten am 7.1.1939 von der Devisenstelle des Oberfinanzpräsidenten eine Sicherungsanordnung mit der Auflage, dass sie über ihre Vermögenswerte nur mit Genehmigung dieser Dienststelle verfügen dürften. Auf ihrem geerbten Grundstück Hastedter Heerstraße 273 (heute Nr. 189) stand ein Mehrfamilienhaus u.a. mit dem Feinkostgeschäft Kaiser. Unter dem Druck der antijüdischen Maßnahmen verkaufte Erna Silberberg die Liegenschaft am 6.3.1939. Das Haus wurde im Krieg durch Bomben zerstört. Das Ehepaar zog nach der „Arisierung“ des elterlichen Hauses am 1.3.1939 in die damalige Legion-Condor-Straße 60 (heute Parkstraße) um. Bis Oktober lebten sie hier wieder zusammen mit der Familie Erich Alexander und mit Martha Schragenheim, der Schwester von Erichs und Ernas Mutter. Am 3.10.1939 mussten sie in das „Judenhaus“ Legion-Condor-Straße 1 umziehen.

Zum väterlichen Erbe von Erna Silberberg zählten weiter die Grundstücke Hastedter Heerstraße 223-229 (alte Nummerierung) im sog. Gängeviertel Hastedts. Die zurückliegenden Grundstücke waren mit einem schmalen unbefestigten Gang, durch den allenfalls Fußgänger mit einem Handwagen passten, mit der Hastedter Heerstraße verbunden. Daran lagen kleine einstöckige Tagelöhnerhäuser. Es gelang Erna Silberberg, diese Grundstücke bis zum 26.4.1941 zu behalten. Der zwangsweise Verkauf wurde über einen Makler vermittelt und von Otto Silberberg abgewickelt. In Anbetracht der Zwangslage entsprach der Erlös von 7.500 RM vermutlich nicht dem Marktwert. Der Kaufbetrag wurde erst am 3.12.1941 auf ein Sperrkonto bei der Sparkasse eingezahlt; zu dem Zeitpunkt war das Ehepaar Silberberg bereits deportiert. Das Guthaben wurde vom Deutschen Reich konfisziert und von der Sparkasse Anfang 1942 an das Finanzamt Bremen-Ost abgeführt.

Die Mieteinnahmen trugen bis zur jeweiligen Veräußerung der Häuser zum Lebensunterhalt des Ehepaares bei. Vom ersten Verkauf blieben Erna Silberberg nach Tilgung von Hypotheken und Abführung der Judenvermögensabgabe noch 16.500 RM zur „freien Verfügung“. Das Geld befand sich jedoch auf einem Sperrkonto und konnte nur mit jeweiliger Genehmigung der Devisenstelle in Einzelbeträgen abgehoben werden.

Am 18.11.1941 wurden Otto und Erna Silberberg in das Ghetto Minsk deportiert. Auf diesem Transport befand sich auch ihr Bruder Erich Alexander mit Familie. Sofern sie nicht den unmenschlichen Lebensbedingungen im Ghetto erlagen, fielen sie einer der Massenmordaktionen zum Opfer, die Ende Juli 1942 begannen.

Otto Silberbergs Mutter, Rosalie Silberberg, kam 1942 im Ghetto Theresienstadt um. Sein Bruder Walter (geb. 1903) wurde ins Warschauer Ghetto deportiert und überlebte ebenfalls nicht. Seinem Bruder Semmi (geb. 1887) gelang es, im September 1938 mit seiner Familie nach Argentinien zu emigrieren.

Erna Silberbergs Onkel Levy Alexander (früher Langenstraße 69, heute Hannoversche Straße) fand mit sechs weiteren Familienangehörigen im Vernichtungslager Auschwitz den Tod (siehe Biografie in diesem Band). Ihre Tante Martha Schragenheim erlag den Entbehrungen im Ghetto Theresienstadt.

Peter Christoffersen (2023)

Informationsquellen:
StA Bremen 4,54-Ra607; 4,54-Ra608; 4,13/1 R.1.F. Nr. 206 # 98; Einwohnermeldekartei
Dünzelmann, Anne E.: Juden in Hastedt, Bremen 1995
Timm, Angelika et al.: Hastedt, Band 4, Bremen 1990
www.jüdische-geschichte-diepholz.de

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Minsk
Glossarbeitrag "Arisierung"