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Isidor Propper, *1902

´SCHUTZHAFT` 1938 KZ SACHSENHAUSEN, VERHAFTET 1942 KZ NEUENGAMME, DEPORTIERT AUSCHWITZ
ERMORDET 5.11.1942


Keplerstraße 36
Bremen-Östliche Vorstadt

Verlegedatum: 11.10.2023


Keplerstraße 36 - Weitere Stolpersteine:


Isidor Propper

Isidor Propper

Isidor Propper wurde am 6.7.1902 in Lübeck geboren. Er war der Sohn von Josef Kalmen Propper (geb. 1875 in Auschwitz/Oswiecim) und seiner Ehefrau Dorchen Elster, geb. Sklarz (geb. 1872 in Pleschen/Posen). Ihre Eheschließung fand 1901 in Pleschen statt. Das Ehepaar hatte ein weiteres Kind Tochter Leonie, die 1903 geboren wurde. Beide hatten die polnische Staatsangehörigkeit und waren jüdischen Glaubens.

Die Familie zog 1909 von Lübeck nach Bremen. Joseph Propper führte hier von 1926 bis zu seinem Tode 1934 einen Butter- und Käsegroßhandel sowie ein Ladengeschäft in der Keplerstraße 36, zusätzlich betrieb er eine Zigarettenproduktion. Seine Ehefrau Dorchen führte seit 1926 ein Weiß- und Kurzwarengeschäft gleichfalls in der Keplerstraße. Dies musste sie Ende November 1938 aufgeben. Sie besaß die polnische Staatsangehörigkeit und wurde im Zuge der „Polenaktion“ am 28.10.1938 aus dem Deutschen Reich ausgewiesen. Sie lebte danach bis Dezember 1939 in Bojanowo/Bezirk Posen. Ihrem Sohn Isidor gelang es, sie wieder nach Bremen zurückzuholen.

Isidor Propper erwarb 1927 die deutsche Staatsbürgerschaft. Seine berufliche Ausbildung erhielt er im Medizinischen Warenhaus Bremen, Marktstraße. Vermutlich im Anschluss daran machte er sich als Handelsvertreter selbständig und vertrieb chirurgische Instrumente und medizinische Bedarfsartikel für Krankenhäuser und Arztpraxen. Er vertrat verschiedene Firmen der Branche. Von 1926 bis 1936 war er u.a. der Provinzvertreter (Bremen, Oldenburg, Ostfriesland) der Medicinhaus AG Berlin. Anschließend, bis zu seinem Berufsverbot 1938, reiste er für die Fa. Baer & Co. aus Bremen.

Am 12.6.1933 heiratete er in Reinfeld/Kreis Lübeck die Kontoristin Ilse Engst, geb. 20.3.1904 in Dresden. Sie war evangelischen Glaubens und trat 1934 zum jüdischen Glauben über. Ihre Trauung fand in der Synagoge in Münster statt. Am 13.12.1937 wurde ihr Sohn Siegfried geboren.

Bis zu seiner Eheschließung wohnte Isidor anfangs bei seinen Eltern und von 1922 bis 1927 in Berlin. Das junge Ehepaar zog 1934 in die Mainstraße 83, wo es eine gut eingerichtete 3-Zimmer-Wohnung bewohnte. Nach dem Novemberpogrom 1938 wurde ihnen die Wohnung gekündigt und sie zogen zu den Eltern in die Keplerstraße. Einen Teil ihrer Wohnungseinrichtung mussten sie unter Wert verkaufen.

Im Zuge des Novemberpogroms wurde Isidor am 9./10.11.1938 verhaftet und zusammen mit 178 Männern aus dem Zuchthaus Oslebshausen in das KZ Sachsenhausen überstellt. Dort war er bis zum 10./12.12.1938 inhaftiert. Am 30.11.1938 konnte er seiner Ehefrau aus dem KZ eine Postkarte senden. Sie war in Oranienburg abgestempelt mit dem Zusatz "Sommerfrische am Lehnitzsee, großes Freibad". Eine ähnliche Antwort erhielt Ilse Propper vom Gestapobeamten des Judenreferats Parchmann, als sie nach dem Verbleib ihres Ehemannes fragte. Parchmann: der sei zur Erholung fort, dem gehe es gut.

Ilse Propper schilderte die Ereignisse der Pogromnacht 1948 anlässlich einer Zeugenaussage im Verfahren Parchmann: "In der Nacht zwischen 5 und 6 Uhr wurde plötzlich an unserer Haustür laut geklopft und mächtig randaliert. Mit lauter Stimme wurde geschrien, Isidor Propper soll runterkommen. Erst hatte man sogar verlangt, dass auch ich und mein einjähriger Junge ebenfalls mit runterkommen sollten. Da mein Sohn aber heftig weinte, durften er und ich oben bleiben. Mein Mann aber musste sich, nur notdürftig angezogen, sofort nach unten begeben. Unten standen ein SA-Arzt und noch ein SA-Mann. [...] Mittags erschien eine SA-Horde, ausgerüstet mit Axt und Beil, sie wollten mein gesamtes Mobiliar zerschlagen. Meiner Hauswirtin gelang es, die Horde mit den Worten zu beruhigen: 'Die Judenaktion ist schon längst beendet.' Hierauf zogen die SA-Männer ab."

Nach seiner Rückkehr aus dem KZ war Isidor die Ausübung seines Berufes verboten, und er meldete seine Vertretung am 17.10.1940 zwangsweise ab. Danach arbeitete er zeitweise in einem Elektrogeschäft und als Bote eines Modesalons. Nach Ausbruch des Krieges war er zur Zwangsarbeit bei der Norddeutschen Hütte verpflichtet worden.

Durch die Verheiratung mit einer "Arierin" befand er sich in einer privilegierten "Mischehe" und war vor der 1941 durchgeführten Deportation in das Ghetto Minsk verschont geblieben. Die Gestapo versuchte beständig auf die nicht-jüdischen Ehepartner Druck auszuüben, sich scheiden zu lassen. So fand 1942 beispielsweise eine Hausdurchsuchung durch die Gestapo/Judenreferat wg. angeblichen "Spionageverdachts" statt.

Dem Judenreferat der Gestapo soll zugetragen worden sein, dass Sohn Siegfried nach mosaischem Ritus beschnitten worden und damit "Geltungsjude" sei. Die Eltern leugneten zwar nicht die Beschneidung bestritten aber den religiösen Hintergrund, um ihren Sohn zu schützen. Schließlich meinte die Gestapo dennoch nachweisen zu können, dass Siegfried aus religiösen Gründen beschnitten worden sei. Isidor Propper wurde wegen des "Nichteinhaltens von Meldevorschriften" am 20.4.1942 verhaftet und am 23.6.1942 in das KZ Neuengamme überstellt. Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt wurde er in das Vernichtungslager Auschwitz transportiert. Er verstarb dort am 5.11.1942, angeblich an Rippenfellentzündung.

Nach der Verhaftung wurden alle persönlichen Sachen Isidor Proppers beschlagnahmt. Ilse Propper musste mit ihrem Sohn das Haus in der Keplerstraße verlassen. Sie wohnten anschließend jeweils kurzfristig in "Judenhäusern" in der Feldstraße, Legion Condor-Straße (heute Parkstraße), Wiesenstraße und Franz-Liszt-Straße. Das Haus Keplerstraße 36, das gleichfalls als "Judenhaus" genutzt wurde, kam am 8.4.1943 unter die Verwaltung der Haupttreuhandstelle Ost, Berlin.

Sohn Siegfried Propper wurde mit weiteren Kindern und Angehörigen aus "Mischehen" am 13.2.1945 in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Nach der Befreiung kehrte er im Juli 1945 nach Bremen zurück.

Ilse Propper wanderte mit ihrem Sohn 1958 in die USA aus, sie kehrten aber nach wenigen Monaten zurück. Sie verstarb am 23.8.1999. Siegfried Propper war bei der Gedenkfeier des Senats der Freien Hansestadt Bremen am 27.1.2011 als Ehrengast anwesend. Er verstarb am 6.3.2019 in Friedrichsdorf/Taunus.

Leonie Propper, Schwester von Isidor, war 1934 nach Südafrika emigriert und verstarb 1941 in Johannesburg.

Dorchen Propper, Isidors Mutter, wurde am 23.7.1942 im Alter von 70 Jahren mit den anderen Bewohnern des Jüdischen Altersheimes in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Sie war eine der 24 Überlebenden dieses Transportes. Sie verstarb 1947 in Bremen-Grohn.

Peter Christoffersen (2023)

Informationsquellen:
StA Bremen Akten 4,54 E-612, E-28231, Rü-5287, 4,66-I.8240, Einwohnermeldekartei
Archivum PMAB - Auschwitz Museum Archives, Todesbücher

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Rassengesetzgebung
Glossarbeitrag "Judenhäuser"
Glossarbeitrag Auschwitz