Friedel Bamberger, geb. Rauh, *1885
Gedemütigt, entrechtet
Flucht in den Tod 23.6.1940
Parkallee 44
Bremen-Schwachhausen
Verlegedatum: 11.10.2013
Parkallee 44 - Weitere Stolpersteine:
Friedel Bamberger
FamilienbiografieJulius Bamberger
Friedel Bamberger, geb. Rauh
Anni Bamberger
Egon Bamberger
Julius Bamberger, geb. 1880 in Schmallenberg/Sauerland, wuchs zusammen mit seiner älteren Schwester Selma und seinem jüngeren Bruder Curt auf. Seine jüdischen Eltern Simon und Friedrike Bamberger, geb. Dannenbaum, betrieben eine Landwirtschaft und ein kleines Geschäft neben der Schmallenberger Synagoge, die von seinem Großvater Mendel Bamberger erbaut wurde.
1885 verkauften seine Eltern die Landwirtschaft und zogen mit der Familie nach Köln. Er besuchte ab 1886 eine jüdische Schule und ab 1890 eine Oberrealschule. Dort war er unter 69 christlichen Mitschülern der einzige Jude. „So lernte ich, was es hieß, ein jüdischer Mensch in einer andersgläubigen Umgebung zu sein“. Nach dem Schulabschluss absolvierte er eine Lehre in der Firma seines Onkels in Krefeld, nebenbei besuchte er eine Webschule für Materialkunde, Hand- und Stuhlweben. Seinen einjährigen Militärdienst leistete er 1900 in Köln ab. Danach folgten Stationen in Dortmund, Zwickau und Leipzig als Angestellter in großen Kaufhäusern. 1907 eröffnete er sein Kaufhaus Julius Bamberger in Bremen, Doventorstraße 1 im Stephaniviertel.
Im Sommer 1914 heiratete Julius Bamberger Thekla Frieda Rauh, genannt Friedel. Sie kam als viertes Kind von Alexander Eduard Rauh und Emma Wilhelmine, geb. Meinel, in Zwickau zur Welt und wurde evangelisch getauft. 1922 kamen Anni Lieselotte und ihr Zwillingsbruder Egon Johannes Essmann zu Julius und Friedel Bamberger in Pflege, 1923 wurden sie vom Ehepaar Bamberger adoptiert und trugen fortan den Namen Bamberger.
Nach Umzug und Erweiterung seines Geschäftes in den 1920er Jahren von der Doventorstraße zur Faulenstraße eröffnete er 1929 das erste moderne große Kaufhaus, von den Bremern „Bambüddel“ genannt, abgeleitet von dem plattdeutschen Begriff “Büdel“ für Beutel. Es war ein Kaufhaus der „kleinen Leute“ und hatte neun Stockwerke und die erste Rolltreppe in Bremen. Sein soziales Engagement war legendär, so errichtete er während der Weltwirtschaftskrise eine Armenküche, in der Notleidende preiswert oder umsonst essen konnten, auch seinen Mitarbeitern gegenüber zeigte er sich großzügig. Ferner zeichnete er sich als Kunstmäzen aus, engagierte sich im „Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens“ und ermöglichte nach 1933 zahlreichen Verfolgten, Deutschland zu verlassen.
Wirtschaftliche Probleme und Aufrufe der NSDAP, jüdische Geschäfte zu boykottieren, ließen die Umsätze Anfang der 1930er Jahre stark zurückgehen. Im April 1933 wurde er für mehrere Wochen inhaftiert. Bamberger versuchte mehrfach, sein Kaufhaus zu verkaufen, um sich im Ausland eine neue Existenz aufzubauen. Zunächst ohne Erfolg. Als sich endlich ein Interessent gefunden hatte, ließ die NSDAP den Verkauf annullieren. 1937 wurde die Firma aufgelöst, das Gebäude 1939 zwangsversteigert. 1945 wurde das Kaufhaus ausgebombt.
Mit Hilfe von Freunden flüchtete Julius Bamberger 1937 in die Schweiz, wo bereits seit 1935 seine Kinder in einem Internat lebten. Bambergers Bruder Curt, der bereits 1932 nach Frankreich emigriert war, verhalf den Dreien zu einer neuen Bleibe in Paris. Die Brüder eröffneten ein Geschäft für Damen- und Sportbekleidung. Friedel Bamberger blieb allein in Bremen zurück. Über die Gründe ist nichts bekannt. 1938 bezog sie eine Wohnung in der Bismarckstraße 71. Am 23.6.1940, einen Tag vor ihrem 55. Geburtstag, nahm sie sich mit einer Überdosis Schlafmittel das Leben. Ihre Geschwister ließen sie nach Zwickau überführen und dort bestatten.
Nach der Besetzung Frankreichs 1940 wurden Julius Bamberger und sein Sohn im Lager Colombes bei Paris und die Tochter Anni im Pariser Vélodrome d‘Hiver interniert. Nach seiner Flucht (vermutlich im September 1940) gelang es ihm, Anni und Egon ausfindig zu machen. Mit Hilfe seiner Schwester Selma, die schon seit längerem in den Vereinigten Staaten lebte, emigrierte er mit seinen beiden Kindern 1941 über Spanien und Portugal in die USA.
Erneut versuchte er, von Unterernährung und Krankheit gezeichnet, eine Existenz aufzubauen und eröffnete ein Juweliergeschäft in San Francisco, das er aus Krankheitsgründen 1950 aufgeben musste. Er starb ein Jahr später mit 71 Jahren. Sein Sohn Egon fand nach Ankunft in New York eine Arbeit in einem Kaufhaus. 1943 wurde er zum Militär eingezogen und amerikanischen Staatsbürger. 1944 heiratete er Liesel Stern, die er noch aus Bremen kannte und die mit seiner Schwester befreundet war. Noch im März 1945 kam er als Soldat nach Europa zurück.
Nach Rückkehr aus dem Krieg zog er mit seiner Frau und seiner Schwiegermutter nach San Francisco, wo sein Vater und seine Schwester lebten. Auch er arbeitete zunächst als Juwelier und wurde dann Versicherungsagent. Er setzte sich für gewerkschaftliche Rechte, bessere medizinische Versorgung und höhere Renten ein. Er starb im April 1984, vier Monate nach dem Tod seiner Frau.
Seine Tochter Anni wurde nach ihrer Internierung im Vélodrome d‘Hiver ins Lager Gurs am Rande der Pyrenäen verschleppt. Diese traumatischen Erfahrungen begleiteten sie ihr Leben lang. Es gelang ihr die Flucht in die USA (Los Angeles). Dort heiratete sie 1944 und bekam drei Töchter. Nach der Rückübereignung des Kaufhauses nach dem Krieg verkauften die Erben das Grundstück. Es wurde mit einem Büro- und Geschäftshaus bebaut, das in den 1990er Jahren nicht mehr genutzt wurde und zusehends verfiel. Der Bremer Bauunternehmer Klaus Hübotter erwarb das Grundstück 2004 und baute das Bamberger-Haus und seinen neunstöckigen Turm mit dem Schriftzug Bamberger wieder auf. Die Bremer Volkshochschule nutzt das Gebäude als Veranstaltungs- und Verwaltungszentrum. Im Treppenaufgang, verteilt über neun Stockwerke, wurde eine Dauerausstellung zum Leben des jüdischen Kaufhausbesitzers und seiner Familie eingerichtet.
Kirsten-Constance Gosau (2017)
Informationsquellen:
Julius Bamberger in www.wikipedia.de (Stand 6/2017)
Besuden, Eike: Aufgeben? – Niemals – Die Geschichte der Familie Bamberger, 65-minütiges Doku-Drama, Pinguin Studios, 2012
Rohdenburg, Günther: „Das war das neue Leben“. Leben und Wirken des jüdischen Kaufhausbesitzers Julius Bamberger und seiner Familie, Bremen 2000
Weitere Informationen:
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