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Hanny Meyer, geb. Cohen, *1905

deportiert 1941
ermordet in Minsk


Elsasser Str. 114
Bremen-Schwachhausen


Elsasser Str. 114 - Weitere Stolpersteine:


Hanny Meyer

Hanny Meyer
geb. 31.3.1905 in Osterholz-Scharmbeck

Hanni (Hanny) Meyer war das zweite Kind von Siegmund Cohen (1871) und Klara (Clara) Assenheimer (1871). Ihr Großvater Meyer Cohen (1828) betrieb ein Manufakturgeschäft in Osterholz, einem Ortsteil von Osterholz-Scharmbeck, in der Hohetorstraße (heute Nr. 14), das er seinem ältesten Sohn Alfred übergeben hatte. Sein zweiter Sohn, Hannis Vater, übernahm 1897 oder 1898 am Bahnhof (später Bahnhofstraße 37) das Manufaktur-, Kurz- und Weißwarengeschäft, dessen Gebäude er später erwarb.

Im Ersten Weltkrieg war Siegmund Cohen Aufsichts-Unteroffizier für den Kreis Osterholz. Aus dem Krieg kam er als Schwerbeschädigter zurück und war aufgrund der Kriegsverwundung auf Dauer nicht mehr in der Lage, das Geschäft zu führen. Die Tochter Hanny blieb zunächst bei ihren Eltern und half in dem Geschäft. Ihre Berufsbezeichnung lautete „Hausgehilfin“. Seit 1925 stand das Unternehmen unter „Geschäftsaufsicht“, weil die Geschäfte offensichtlich sehr schlecht gingen. Dennoch übernahm Hanni Meyer am 21.09.1932 den Betrieb der Eltern (Verkauf vom Vater an die Tochter) und führte ihn zunächst weiter. Ihr Bruder Erich (geb. 1900) wanderte 1933 nach Südafrika aus.

Der Boykott jüdischer Geschäfte führte zum Konkurs des Geschäftes in der Bahnhofstraße mit anschließender Zwangsversteigerung im Oktober 1934. Hanni teilte danach mit ihren Eltern eine Mietwohnung in der Lindenstraße 6 und betrieb noch bis 1938 einen kleinen Manufakturladen in angemieteten Räumen in der Bahnhofstraße 34. Er wurde in der Reichspogromnacht verwüstet. In dieser Nacht vom 9. auf den 10.November drangen SA-Männer außerdem in die Wohnung der Cohens ein und misshandelten Hannis Vater so schwer, dass er am 20.11.1939 an den Folgen der erlittenen Verletzungen verstarb.

Hanni und ihre Mutter Klara Cohen verließen daraufhin Osterholz. Beide wurden am 15.7.1940 in Bremen in das „Judenhaus“ Elsasser Str. 114 eingewiesen. Am 15.11.1940 nahm Hanny dort den Kaufmann Bernhard Moritz Meyer (geb. 19.12.1883 in Halberstadt) als Untermieter auf.

Einige Briefe von Hanni Meyer an ihre Freundin Marie Kothe geb. Blume sind erhalten geblieben. Die Frauen kannten sich entweder über gemeinsame Bekannte in Eldagsen (Nähe Hannover) oder über die von beiden absolvierte Ausbildung als Hauswirtschafterin. Unter anderem bat Hanni um dringend benötigte Unterwäsche und berichtete von (vergeblichen) Bemühungen um ein Affidavit (Bürgschaft bei Auswanderung). „Ich weiß gar nicht, was ich tun soll.“ schrieb sie verzweifelt. Aber sie schrieb auch, dass sie gern Bernhard Meyer heiraten wolle – trotz Bedenken ihrer Mutter und des großen Altersunterschiedes von 22 Jahren. Am 28.8.1941 heirateten die beiden, ihre Trauzeugen waren Hannis 77jähriger Onkel Alfred Cohen aus Osterholz und der aus Eldagsen stammende Levi Abt. Zwei Monate später berichtete Hanni über schöne Geschenke, eine vergnügte Hochzeitsfeier und eine Harzreise. Aber im gleichen Brief (30.10.1941) teilte sie die vorgesehene Deportaton aller Bremer Juden nach Minsk mit. Ihre 70jährige Mutter müsse zwar nicht mitkommen, „aber ich lasse sie nicht allein zurück [...] das ist das Ende und wir Drei waren so glücklich [...]“. fasste sie zusammen.

Bernhard und Hanny Meyer wurden – wie auch Hannys Mutter Klara Cohen und die anderen Bewohner des „Judenhauses“ Elsasser Str. 114 – am 18.11.1941 in das Ghetto Minsk deportiert. Dort wurden sie ermordet; sie kamen entweder durch die unmenschlichen Lebensbedingungen oder während einer der Massenmordaktionen ums Leben, die im Juli 1942 begannen.

Bernhards Bruder Jacob und dessen Frau starben im Februar bzw. November 1940 in Amsterdam. Die Trauzeugen der Hochzeit im August 1941 starben beide im Ghetto Theresienstadt (August 1942 bzw. 1943).

Verfasserin:
Barbara Ebeling (2023)


Informationsquellen:
Staatsarchiv Bremen, Akte 4,54 E-11384, Einwohnermeldekartei, Auszug aus dem Heiratsregister August 1941
Obenaus, Herbert (Hrsg.): Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, Göttingen 2005, S. 1351 ff.
Beer, Klaus: Denkmal für die Familie Cohen, die in Osterholz-Scharmbeck gelebt hat, errichtet im Jahr 2001, Osterholz-Scharmbeck 2001
Briefe von Hanny Meyer an Marie Kothe vom 9.4./24.4./25.5./30.10./7.11.1941, Privatbesitz
www.teufelsmoor.eu

Abbildungsnachweis: privat

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Minsk