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Martin Herz, *1868

deportiert 1942 nach Theresienstadt
ermordet in Treblinka


Lüder-Clüver-Str. 49
Bremen-Blumenthal
ehemalige Straßenbezeichnung: Blumenstr. 49


Lüder-Clüver-Str. 49 - Weitere Stolpersteine:


Martin Herz


Familienbiografie
Martin Herz
Henriette Herz, geb. Adler

Martin Herz kam am 28.11.1868 im Hause seiner Großeltern Meyer und Betty Hahn, geborene Wolff, in Blumenthal am Markt zur Welt. Seine Eltern waren der Kaufmann Hinrich Chaim Herz und Rosette, geb. Hahn. Sie zogen später nach Aumund-Fähr. Dort wurden seine drei jüngeren Brüder Alfred, Eduard und Adolf geboren.

Martin blieb Zeit seines Lebens Blumenthal verbunden. Um 1900 baute er auf dem Grundstück der Großeltern, Blumenstraße 49 (heute Lüder-Clüver-Straße 49), ein Wohn- und Geschäftshaus. Nach seiner Schulzeit wurde er Metzger und machte sich nach seiner Heirat mit Sybilla Franke aus Zons im Rheinland 1898 selbstständig. Berichten nach soll er vorrangig Ziegen geschlachtet haben. Die drei Kinder des Paares wurden in Blumenthal geboren: Heinrich 1900, Theodora 1904 und Erich Mendel 1907. Da das Einkommen aus dem Metzgerbetrieb nicht ausreichte, um eine Familie zu ernähren, gab er den Betrieb 1902 auf. Am 27.7.1914 meldete Martin Herz einen „Handel mit Kleidungsstücken und Schuhwaren“ an. Daneben betrieb er einen Überlandhandel und verkaufte seine Waren bei den Bauern der umliegenden Dörfer. Es gab keine Angestellten, seine Frau und die größer werdenden Kinder arbeiteten im Geschäft mit.

Sybilla Herz starb 1926. Vier Jahre später (1930) heiratete Martin Herz die aus Rüsselsheim stammende Henriette Adler (geb. 1874). Von der Familie und den Blumenthalern wurde sie zärtlich nur Jettchen genannt. Martin Herz engagierte sich in der Synagogengemeinde in Aumund, wo sich das Gotteshaus der Juden in Bremen-Nord befand. Er war dort viele Jahre Mitglied des Gemeinderates.

Bald nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten begannen die Boykottmaßnahmen, die finanzielle Situation der Familie Herz verschlechterte sich zusehends. Martin Herz war auf die finanzielle Unterstützung seiner Kinder angewiesen. Nach dem Auszug der Kinder, Mitte der 1930er Jahre, zog Henriettes Bruder Hermann Adler mit seiner Frau Ida, geb. Denker, aus Rüsselsheim kommend, zu ihm in das Haus.

Während des Novemberpogroms 1938 wurde Martin Herz inhaftiert. Die Schaufensterscheiben des Geschäftshauses wurden zerschlagen, die Ladeneinrichtung und die Waren zerstört. Nach der Haftentlassung war er gezwungen, sein Haus zu verkaufen; ein Uhrmacher aus Blumenthal erwarb es. Danach mussten Martin und Henriette Herz das Haus verlassen. Zunächst wurden sie in das Haus des jüdischen Rechtsanwaltes Dr. Ludwig Cobliner in der Blumenstraße 26 (heute Lüder-Clüver-Straße 26) eingewiesen, das zum Blumenthaler „Judenhaus“ bestimmt worden war. Schon bald danach musste das
betagte Ehepaar Herz Blumenthal verlassen und in das „Judenhaus“ Große Johannisstraße 85 in der Bremer Neustadt umziehen.

Am 23.7.1942 wurden Henriette und ihr Mann Martin Herz in das Ghetto Theresienstadt und am 23.09.1942 weiter in das Vernichtungslager Treblinka deportiert. Dort wurden sie ermordet.

Ihr ältester Sohn Heinrich hatte 1930 Irma Windmüller geheiratet und war zu ihr nach Oerlingshausen in Westfalen gezogen. Er führte dort zusammen mit seinem Schwiegervater ein Manufakturwarengeschäft. Nach der Zerstörung des Geschäftes in der Reichspogromnacht 1938 zog er mit seiner Familie für kurze Zeit zu seinen Eltern nach Blumenthal, bis sie in ein „Judenhaus“ in Hamburg eingewiesen wurden. Im November 1941 wurden Heinrich Herz, seine Ehefrau und die Kinder Manfred und Uriel von Hamburg aus in das Ghetto Minsk deportiert und ermordet.

Tochter Theodora, eine begeisterte Blumenthaler Turnerin, nur als Dolly bekannt, heiratete 1935 den Berliner Claus Unger, der 1937 nach Palästina emigrierte. Dollys Versuch ihm zu folgen, misslang zunächst, da sie kein Visum für Palästina, sondern nur eines für die USA hatte. Sie musste nach Deutschland zurückkehren und lebte staaten- und arbeitslos bei den Eltern in Blumenthal. Erst Monate später gelang es ihr, ihrem Mann nach Palästina zu folgen. Der jüngste Sohn Erich Herz wurde in der Reichspogromnacht 1938 verhaftet und im Gefängnis in Lesum festgehalten. Nach seiner Haftentlassung musste er mit seiner Familie in das „Judenhaus“ Große Johannisstraße 85 einziehen. 1940 gelang der Familie die Emigration nach Ecuador. Nach Kriegsende ging sie von Ecuador in die USA. Henriettes Bruder Hermann Adler und seine Frau Ida wohnten noch bis Februar 1940 im Haus Blumenstraße 49 zur Miete, danach mussten sie Blumenthal verlassen. Sie zogen nach Köln. Im Jahre 1941 wurden sie in das Ghetto Lodz (Litzmannstadt) deportiert und ermordet. In Köln erinnern zwei Stolpersteine an das Ehepaar. Die drei Brüder von Martin Herz – Adolf, Alfred und Eduard – lebten mit ihren Familien in Aumund-Fähr. 1941 wurden sie in das Ghetto Minsk deportiert und wurden vermutlich ebenfalls Opfer einer Massenerschießungen, die im Juli 1942 begannen, wenn sie nicht schon vorher den unmenschlichen Bedingungen erlagen.

Wiltrud Ahlers (2020)

Informationsquellen:
StA Bremen 4,54-E11023; Einwohnermeldekartei Oerlinghausen; Hartmann, J.: Lippische Mitteilungen Bd.57 (1988) Brief von Dolly Unger; Berichte von Magdalene Ehlers (Nachbarin und Freundin von Dolly Unger

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag "Judenhäuser"
Glossarbeitrag Theresienstadt
Glossarbeitrag Treblinka
Glossarbeitrag Minsk
Glossarbeitrag Auswanderung