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Carl Polak, *1901

deportiert 1941
ermordet in Minsk


Nordstr./in Höhe der Haltestelle Grenzstr.
Bremen-Walle
ehemalige Straßenbezeichnung: Nordstr. 210


Nordstr./in Höhe der Haltestelle Grenzstr. - Weitere Stolpersteine:


Carl Polak

Carl Polak

Carl Polak wurde am 13.09.1901 in Oldersum bei Emden als Sohn von Adele (1870-1942) und Jakob Polak (1856-1915) geboren. Er hatte noch sechs weitere Geschwister: Die Brüder Ludwig (Jg. 1898) und Siegfried Hermann (Jg. 1903) sowie die Schwestern Emma (Jg. 1893), Dora (Jg. 1894), Therese (Jg. 1896) und Elise (Jg. 1908).

Carl lernte ebenso wie seine Brüder bei seinem Vater den Viehhandel und die Schlachterei. Als sein Vater am 20.7.1915 starb, führte zunächst seine Mutter das Geschäft weiter. Am 31.8.1927 zog sie mit ihren Söhnen Carl, Siegfried Hermann und Ludwig sowie vermutlich ihrer Tochter Elise in die Graudenzer Straße 45 nach Bremen und setzte dort den Viehhandel fort.

Carl heiratete am 9.9.1932 Johanne Sophie Jacobsohn (geb. 1912) aus Kirchweyhe. Die Trauung fand im Bremer Dom statt, da Wilhelm Goßmann, Pfarrer in Kirchweyhe und Superintendent, sich weigerte „Juden“ zu vermählen. Das junge Paar zog in ein voll eingerichtetes Haus in Kirchweyhe. Es war ein Geschenk zur Hochzeit seiner Schwiegereltern Otto und Hilka Jacobsohn, geborene Schumacher, die gut situierte Viehhändler in Kirchweyhe waren.

Am 16.7.1933 kam ihr Sohn Otto Jakob Polak in Bremen zur Welt. Er wurde im evangelisch-lutherischen Glauben erzogen und getauft. Dennoch galt Otto nach den "Nürnberger Gesetzen" als "Person mit mindestens drei jüdischen Großeltern" als „Volljude“.

Nach dem Tod seines Schwiegervaters am 27.1.1933 führte Carl Polak den Viehhandel weiter und sorgte für den Lebensunterhalt der Familie. Das Familienglück hielt nicht lange. Die Ehekrise endete 1938 mit der Scheidung.
Aufgrund der nationalsozialistischen Repressionen musste Carl den Viehhandel im Hause Jacobsohn aufgeben und zog am 20.9.1938 zurück zu seiner Mutter in die Graudenzer Straße 45 nach Bremen. Am 1.3.1940 wurden Carl und seine Mutter Adele gezwungen, in das „Judenhaus“ in der Nordstraße 210 zu ziehen.

Seine ehemalige Frau Johanne erkrankte nach der Scheidung an Tuberkulose und ging mit ihrem Sohn Otto zurück zu ihrer Mutter und ihren Schwestern. Da sie sich oft im Sanatorium in Sülzayn im Harz aufhielt, erzog die Großmutter Hilka ihren Enkel.

Ende 1939 musste der siebenjährige Otto in die jüdische Religionsschule in der Kohlhökerstraße 6 in Bremen gehen, da er die Volksschule in Kirchweyhe nicht besuchen durfte. Ab September 1941 war er verpflichtet, den Judenstern zu tragen und dadurch vielen Demütigungen ausgesetzt.

Otto Polak ist in Erinnerung geblieben: Als Schulausflug getarnt, sollten alle Kinder mit ihren Lehrern im November 1941 ins Ghetto Minsk deportiert werden. Der Lehrer Nußbaum informierte die Großmutter, die den Jungen zu Hause behielt. – Inzwischen gilt als gesichert, dass alle zur Deportation in das Ghetto Minsk Ausersehenen Wochen vorher nach den Vorgaben des Reichssicherheitshauptamtes in Listen erfasst waren. Otto Polak und seine "halbjüdische" Mutter fielen nicht in eine der Kategorien, die auch für den Regierungsbezirk Stade (Kirchweyhe), galten. Alle Beteiligten waren hierüber rechtzeitig informiert. So auch die Eltern der Schulkinder.

Carl und seine Mutter Adele Polak wurden am 18.11.1941 in das Ghetto Minsk deportiert. In dem Zug waren auch sein Bruder Siegfried Hermann, seine Schwägerin Gisela sowie seine Schwestern Therese und Elise mit ihren Familien.

Aufgrund von Hunger, Kälte sowie Willkür und Folter der SS starben viele im harten Winter 1941/42. Sofern sie nicht den unmenschlichen Lebensbedingungen im Ghetto erlagen, fielen sie einer der Massenmordaktionen zum Opfer, die Ende Juli 1942 begannen.

Über den Tod seines Vaters Carl erfuhr Otto Polak später von einem ehemaligen Mitarbeiter seines Großvaters Otto Jacobsohn, der als Wachsoldat in Minsk eingesetzt war, Folgendes: Er habe über den Stacheldraht mit Carl gesprochen. Carl sei vergast worden. Die anderen Häftlinge hätten ein großes Loch buddeln müssen, in das die Vergasten reingeworfen worden seien.

Am 6.12.1942 starb auch Carls ehemalige Frau Johanne. Ihr gemeinsamer Sohn Otto war nun Vollwaise. Ihm drohte im Februar 1945 die Deportation in das Ghetto Theresienstadt. Der mutige Hausarzt Dr. Folkard Willms verschrieb dem Jungen eine Salbe, die juckenden Ausschlag am ganzen Körper verursachte, und stellte ein Attest auf Transportunfähigkeit aus. Da die SS eine Ansteckung befürchtete, gelang es der Großmutter, Otto zu Hause zu behalten.

Die Gemeinde Weyhe benannte 1995 zum Gedenken an Carl Polak eine Straße nach ihm und ernannte 2012 seinen Sohn Otto Polak zum Ehrenbürger.

Verfasserin:
Ilse Zelle (2020)

Informationsquellen:
StA Bremen Akten 4,54-E11447, 4,54-E10898, 4,54-Rü 5980, 4,54- 6196, 4,54-E1201, 4,54-Ra600, Einwohnermeldekartei
Bruss, Regina: Die Bremer Juden unter dem Nationalsozialismus, Bremen 1983
Christoffersen, Peter: Es war ein einziges Grauen. Die Deportation der Bremer Juden in das Ghetto Minsk und ihre Vernichtung, in: Christoffersen, Peter/Johr, Barbara (Hrsg.): Stolpersteine in Bremen, Schwachhausen, Bremen 2017
Teuber, Werner: Jüdische Viehhändler in Ostfriesland und im nördlichen Emsland 1871-1942. Cloppenburg 1995, S. 29; 67

Abbildungsnachweis: Privat
(Johanne und Carl Polak 1932)

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag "Judenhäuser"
Glossarbeitrag Minsk