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Sophie-Else Abraham, geb. Goldstein, *1888

deportiert 1941
ermordet in Minsk


Falkenstr. 7A
Bremen-Mitte
ehemalige Straßenbezeichnung: Bornstr. 31


Falkenstr. 7A - Weitere Stolpersteine:


Sophie-Else Abraham

geb. 15.7.1888 in Nordhausen

Sophie-Else Goldstein hatte im Ersten Weltkrieg ein Examen als Rote-Kreuz-Schwester erworben. Nach zwei aufgelösten Verlöbnissen lernte sie, durch Vermittlung ihres Bruders, Max Abraham aus Bremen kennen. Sie heirateten1921. Im selben Jahr erwarb Max das Haus Bornstraße 31. Die Tochter Charlotte (Lottie) wurde 1923 geboren.

Max Abrahams Eltern waren Nathan Abraham und Ida, geb. Oppenheimer. Sie hatten zwei Kinder: Maximilian und Karl (geb. 1877). Nathan Abraham gehörte mehr als dreißig Jahre dem Vorstand der Israelitischen Gemeinde Bremen an, von 1896 bis zu seinem Tode 1915 war er ihr Erster Vorsitzender. Um 1900 wurde er Mitbegründer und Präsident der Bremer Gruppe der Kaiser-Friedrich-Loge.

Max besuchte nach der mittleren Reife das Alte Gymnasium, absolvierte ab 1894 in Hannover eine Lehre als Textilkaufmann und kehrte 1897 nach Bremen zurück. Nach dem Tod des Vaters übernahm er dessen Großhandel in Kurzwaren und Herrenartikeln.

Max betätigte sich im jüdischen Wohltätigkeitsverein und war im Vorstand der Moses Schragenheim-Stiftung für Krankenpflege. Nach Einsetzen der Boykottmaßnahmen gegen jüdische Geschäfte begann er als Buchhalter der Jüdischen Winterhilfe zu arbeiten und war im Gemeindebüro aktiv. 1938 meldete er das Unternehmen ab, da der Betrieb seit Jahren ruhte. Nachdem der Gemeinderabbiner Dr. Felix Aber im März 1939 in die USA emigriert war, übernahm Max Abraham einen Teil des rabbinischen Auftrags als Ehrenprediger. Er wurde so zum letzten Seelsorger der tödlich bedrohten Gemeinde.

Nach dem Tode von Ida Abraham, die nach dem Tode ihres Mannes zu ihrem Sohn gezogen war, eröffnete Else eine kleine Frühstückspension im Hause, die sie mit dem wirtschaftlichen Niedergang des Geschäftes von Max zunehmend ausdehnte, aber spätestens mit dem Verlust des Hauses aufgeben musste. Die fünfzigjährige Else beschloss, sich als Krankenschwester zu qualifizieren und ging im April 1939 an das Jüdische Krankenhaus in Berlin in der Iranischen Straße, kehrte jedoch bereits im September 1939 wieder zurück.

In der Reichspogromnacht 1938 war die Familie verhaftet und in die Mißler-Hallen getrieben worden. Mutter und Tochter konnten recht bald wieder nach Hause gehen. Die Männer mussten zum Zuchthaus Bremen-Oslebshausen marschieren. Maximilian Abraham wurde danach am 11.11.1938 in das KZ Sachsenhausen deportiert. Nach etwa sechs Wochen kehrte er zurück; abgemagert, schmutzig, mit Blutergüssen und offenen Wunden bedeckt. Er war wochenlang kaum ansprechbar. Die in Sachsenhausen erhaltene Auflage umgehend auszuwandern, wurde auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Nach Erinnerung der Tochter Lottie glaubten die Eltern, den schweren Zeiten standhalten zu können.

Das Haus Bornstraße 31 wurde 1939 „arisiert“. Max und Else Abraham behielten zunächst ein auf wenige Zimmer beschränktes Wohnrecht, das aber vom neuen Eigentümer mit immer neuen Schikanen bis hin zum Verbot der Küchennutzung eingeschränkt wurde. 1940 musste das Ehepaar in das „Judenhaus“ in der General-Ludendorff-Straße 27 umziehen.

Die Abrahams waren um ihre Auswanderung bemüht. Sie besaßen ein Affidavit eines Verwandten in den USA, Otto Abraham (s. Markreich S. 57). Doch immer neue Hindernisse, auch seitens des Konsulats, vereitelten dies. Vermutlich trugen auch ihr Lebensalter und ihr gesundheitlicher Zustand dazu bei.

Am 18.11.1941 wurden Maximilian und Ida Abraham in das Ghetto Minsk deportiert. Dort endete ihr Lebensweg. Sie wurden nach Kriegsende für tot erklärt.

Max Markreich, Vorsteher der Israelitischen Gemeinde Bremen von 1924 bis 1938, schrieb über Max Abraham: „…In einer Atmosphäre altjüdischer Tradition herangewachsen und mit dem Rüstzeug eines guten Allgemeinwissens versehen, widmete sich Max Abraham zeitlebens dem Dienste des Judentums, hinter der Größe seines Vaters und dem Rufe seines Bruders bescheiden zurücktretend.“

Die Tochter Lottie wanderte 1939 nach England aus. Insbesondere ihr Cousin Gerd Abraham, der mit seiner Mutter bereits 1935 emigriert war, drängte auf ihre Flucht. Er besorgte für sie eine Familienbürgschaft, damit sie einfacher in die Liste der Kindertransporte aufgenommen werden konnte. Am 3.5.1939 fuhr sie in einer Gruppe mit etwa fünfzig Kindern über Holland nach England.

Ihr breits 1925 in Berlin gestorbener Schwager Karl Abraham, Neurologe und Psychiater, war Schüler und enger Vertrauter Sigmund Freuds. Er zählt zu den bedeutendsten Vertretern der Psychoanalyse.


Verfasser:
Dr. Klaus Eissing/Peter Christoffersen (2011)

Informationsquellen:
Bettina Decke, „Du mußt raus hier!“, Lottie Abraham-Levy: Eine Jugend in Bremen, Bremen 1998
Staatsarchiv Bremen, Akten 4,54-E10339, E11669, E11670
Max Markreich, Geschichte der Juden in Bremen und Umgebung, Bremen 2003
ders., unveröffentlichter Anhangband im Staatsarchiv

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Minsk
Glossarbeitrag "Arisierung"
Glossarbeitrag Kindertransporte
Glossarbeitrag Israelitische Gemeinde Bremen