Sie befinden sich hier | Kapitelüberschrift  Stolpersteine Biografie
Schriftgroesse verkleinern Schriftgroesse normal Schriftgroesse vergrössern
Diese Seite ausdrucken

Johann Kühn, *1897

verhaftet 1934 wegen "Hochverrat"/Zuchthaus Bremen KZ Sachsenhausen 1939/KZ Bergen-Belsen 1945
ermordet


Gröpelinger Heerstr. 92/94
Bremen-Gröpelingen

Johann Kühn


Johann Heinrich Adolf Kühn (geb. 9.3.1897 in Bremen) war Sohn des Steinhauers Wilhelm Kühn und dessen Ehefrau Johanna, geborene Röpenack. Er wuchs in der Hafenvorstadt auf. Früh verlor er seinen Vater, er war neun Jahre alt, als dieser starb.

Er besuchte die Volksschule, anschließend erlernte er das Maschinenbauerhandwerk (Schlosser). 1914 meldete er sich freiwillig zum Kriegsdienst, von 1915 bis 1918 diente er in der Marine. 1918 bis 1920 arbeitete er als Schlosser in Bremen, ging dann nach Holland (Rotterdam), von wo er im April 1922 nach Bremen zurückkehrte. Im Oktober 1922 heiratete er Louise Speichert (geb. 8.6.1900 in Jeinsen), die ebenfalls vorübergehend in Rotterdam gewohnt hatte. 1924 kam Tochter Elfriede und 1931 Tochter Ingeborg zur Welt.

Im Zuge der Weltwirtschaftskrise wurde er 1930 arbeitslos, von kurzzeitigen Notstandsarbeiten unterbrochen. 1933 war er als Zeitschriftenverkäufer tätig, 1934 fand er Arbeit in einer Metallgießerei im Bremer Holzhafen und für kurze Zeit auch in Verden.

Johann Kühn war Gewerkschaftler und aktives Mitglied der SPD. Vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten war er langjähriger Distriktführer der SPD im Ortsverein Bremen (Distrikt Gröpelingen). Außerdem gehörte er als passives Mitglied dem Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold an, einer überwiegend sozialdemokratischen Organisation, in der sich u.a. ehemalige Frontsoldaten gegen Rechts zusammenfanden.

Nach dem Verbot der SPD im Juni 1933 bildete sich ein nunmehr illegaler Parteivorstand, dem Hermann Osterloh, Karl Ernemann, Anna Stiegler sowie Friedrich Hackmack angehörten und von denen Johann Kühn zu Treffen hinzugezogen wurde, die in Privatwohnungen oder auch in einem Lokal am Lehester Deich stattfanden. Nach der Verhaftung von Parteimitgliedern und von Angehörigen des Reichsbanners stand die Sammlung von Geldern zur Unterstützung der Familien der Inhaftierten im Vordergrund der Aktivitäten. Johann Kühn oblag es, Geld im Distrikt Gröpelingen zu sammeln. Außerdem wurden illegale Schriften hergestellt und verbreitet, an deren Verbreitung er beteiligt war. In den Schriften wurde zum Kampf gegen den NS-Staat aufgerufen.

Am 5.11.1934 wurde Johann Kühn in „Schutzhaft“ genommen, weil er einer „illegalen Vereinigung“ angehörte. Mit 13 weiteren Genossen – darunter alle Mitglieder des Parteivorstandes – wurde er angeklagt, einen gewaltsamen Umsturz vorbereitet, einen organisatorischen Zusammenhalt hergestellt und die Massen durch Herstellung oder Verbreitung von Schriften beeinflusst zu haben.

Nach einem Jahr Untersuchungshaft wurde im Prozess vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg am 28.11.1935 das Urteil „in der Sache Osterloh und Genossen“ gefällt. Den Angeklagten war vorgeworfen worden, „zu Bremen in den Jahren 1933 und 1934 fortgesetzt und gemeinschaftlich handelnd das hochverräterische Unternehmen, mit Gewalt die Verfassung des Reiches zu ändern, vorbereitet zu haben“. Sie hätten sich in Wort und Schrift für das SPD-Ziel einer Revolution gegen die Regierung Hitler und für den Sturz des NS-Staates eingesetzt.

Die Höchststrafe bei Hochverrat lautete auf acht Jahre. Da Johann Kühn nicht dem Parteivorstand angehörte und nur an Beschlüssen mitgewirkt hatte, die sich auf die Beschaffung, Herstellung und Verbreitung illegalen Materials bezogen, jedoch nicht an der Herstellung der Schriften und nur unwesentlich an der Verbreitung beteiligt war, wurde er nur zu drei Jahren und sechs Monaten Zuchthaus verurteilt. Im Übrigen hatte er sich im Prozessverlauf deutlich vom angeblichen SPD-Ziel eines gewaltsamen Umsturzes distanziert.

Nach Strafverbüßung wurde er am 5.6.1938 entlassen. Am 1.9.1939 wurde er – wie weitere 19 Sozialdemokraten zu Beginn des Krieges – erneut verhaftet, kam zunächst in das Zuchthaus Oslebshausen, später ins Konzentrationslager Sachsenhausen. Im Januar 1945 war er dort im Krankenbau gemeldet, ab Februar 1945 fehlte jedes Lebenszeichen. Soweit nach Kriegsende bekannt wurde, soll sein letzter Aufenthalt Bergen-Belsen gewesen sein. Wann und wo Johann Kühn letztlich den Tod fand, ließ sich nicht klären.

Im Stadtteil Gröpelingen ist eine Straße nach Johann Kühn benannt.

Barbara Johr/Kornelia Renemann (2019)

Informationsquellen:
StA Bremen 9,S9-17-54/3 (Sonderband der Sammelakte VIII, I 5,II 65-Str., R. II 106, 109, IV 197, B 9), 4,54-E247
Gatter, Frank Thomas/Müser, Mechthild: Bremen zu Fuß. 20 Streifzüge durch Geschichte und Gegenwart, Hamburg 1987
Hundertmark, Willy/Pfarr, Jakob (Hrsg.): Antifaschistischer Widerstand 1933-1945 in Bremen, Eine Dokumentation für die
Ausstellung Antifaschistischer Widerstand in der Unteren Rathaushalle in Bremen vom 28.4.-19.5.1974
Marßolek, Inge/Ott, René: Bremen im Dritten Reich. Anpassung, Widerstand, Verfolgung, Bremen 1986
Engelbertz, Susanne: Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945,
Band 6, Bremen 1992
Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten/Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Politisch Verfolgte