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Alfred Bostelmann, *1921

verhaftet 1942 Zuchthaus Brandenburg-Görden
hingerichtet 26.3.1943


Kantstr. 42
Bremen-Neustadt

Alfred Bostelmann

Alfred Bostelmann
geb. 19.3.1921 in Bremen

Alfred Bostelmann war das jüngste der sechs Kinder von Wilhelm Bostelmann (1876 – 1939) und Mennonine (gen. Minna) Stöhr (1875 – 1963), die beide aus dem heutigen Niedersachsen stammten und 1899 geheiratet hatten.

Alfred Bostelmann war durch das Vorbild seines Vaters beeinflusst:
Wilhelm Bostelmann war bis 1912 Mitglied der Christlich Sozialen Partei gewesen. Ab 1913 gehörte er der Vereinigung Ernster Bibelforscher an, die seit 1931 den Namen Jehovas Zeugen führte, war Vorsitzender der Bremer Ortsgruppe und hielt öffentliche Vorträge. Auch unter der NS-Herrschaft blieb er seinem Glauben treu. Als Jehovas Zeugen verboten wurden, bezog er weiterhin die Zeitschrift „Der Wachtturm" und war Mitglied einer konspirativen Zelle.
Am 24.5.1935 wurde er von der Gestapo verhaftet und vor das Hanseatische Sondergericht gestellt. Zwar wurde er freigesprochen, jedoch anschließend einige Monate in „Schutzhaft“ genommen und schwer misshandelt. In den folgenden Jahren wurde er wiederholt verhaftet. Ende Juli 1939 ging es ihm nach einem Verhör sehr schlecht, er starb am 5.8.1939 im Rotes Kreuz Krankenhaus. Die Familie vermutete, dass Wilhelm Bostelmann, der während des Verhörs um ein Glas Wasser gebeten hatte, vergiftet worden war. Die genaue Todesursache blieb ungeklärt.

Alfred Bostelmann besuchte acht Jahre lang erfolgreich die Volksschule an der Kantstraße und begann dann eine Lehre als Autoschlosser, die er abbrach, weil er sich sehr ausgenutzt fühlte. Er schloss die Lehre bei den Atlas-Werken ab und arbeitete dort anschließend als Schweißer. Wie seine Eltern gehörte Alfred Jehovas Zeugen an und nahm seinen Glauben ernst. Zwei Ingenieure der Atlas-Werke, die Jehovas Zeugen ablehnend gegenüberstanden, sollen Alfred bespitzelt und denunziert haben. Alfred erhielt seine Einberufung, obwohl er eigentlich unabkömmlich war. Er sollte zum aktiven Dienst bei der Heimatflak gezwungen werden, wogegen er sich aufgrund seines Glaubens wehrte, da Jehovas Zeugen jeglichen Kriegsdienst ablehnen. Auf seine Weigerung hin wurde er am 5.10.1942 verhaftet und ins Feldgefängnis nach Bremen-Lesum gebracht. Wegen standhafter Verweigerung des Kriegsdienstes wurde Alfred Bostelmann schließlich durch das Reichskriegsgericht in Berlin wegen „Wehrkraftzersetzung“ zum Tode verurteilt und am 26.3.1943 im Zuchthaus Brandenburg-Görden hingerichtet. Das Amt für Familienunterhalt wurde angewiesen, der Familie keine Unterstützung zu gewähren.

Nach dem Krieg wurde Alfred Bostelmann in dem von seiner Mutter angestrengten Entschädigungsverfahren anfänglich nicht als Opfer der NS-Herrschaft anerkannt: Zunächst argumentierte das Landesamt für Wiedergutmachung in seinem Bescheid vom 10.7.1951 dass „die Weigerung, der Wehrdienstpflicht nachzukommen“ ... „nicht speziell gegen die nationalsozialistische Regierung gerichtet“ gewesen wäre. „Sie wäre auch erfolgt, wenn eine andere Regierung von ihm Kriegsdienst gefordert hätte.“ Dann begründete das Landgericht Bremen sein ablehnendes Urteil vom 29.10.1954 damit, dass Alfred Bostelmann „nicht aus Gründen des Glaubens, sondern wegen seiner beharrlichen Weigerung, Kriegsdienst zu leisten“ verfolgt und hingerichtet worden wäre. Erst das Oberlandesgericht Bremen erkannte in seinem Urteil vom 23.11.1955 den Zusammenhang zwischen Glauben und daraus entspringendem Verhalten und bewertete Alfred Bostelmanns Tod als aus Gründen des Glaubens erlittene nationalsozialistische Gewaltmaßnahme i.S.d. § 1 des Bundesentschädigungsgesetzes.

Verfasser: Edith Laudowicz / Michael Cochu (2011)

Informationsquellen:
Staatsarchiv Bremen, Akte 4,54-E491
Gedenkansprache von Herbert Breidbach, der acht Jahre lang mit Alfred Bostelmann dieselbe Klasse besucht hat, am 13.6.2006

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Jehovas Zeugen
Glossarbeitrag "Schutzhaft"
Glossarbeitrag Sondergericht Bremen
Glossarbeitrag Entschädigung / Rückerstattung