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Leon Laufer, *1900

deportiert 1944 KZ Neuengamme
für tot erklärt


Kleine Meinkenstr. 1/auf dem Vorplatz
Bremen-Mitte

Leon Laufer


Leon Laufer wurde am 4.6.1900 als Sohn österreichischer Eltern in Magdeburg geboren. 1903 zogen sein Vater David Laufer mit Frau Jeanette (geb. Appel), dem dreijährigen Leon, dessen 10-jähriger Schwester und dem 12-jährigen Bruder nach Bremen. David Laufer etablierte sich in den folgenden Jahren als Galanteriewarenhändler, zunächst in der Hemmstraße, später in der Nordstraße. 1907 wurde dem Ehepaar noch ein Sohn geboren.

Leon Laufer, der Bremer Schulen besuchte, stellte sich 1914 als „österreichischer Staatsbürger zur Musterung in Bremen“ vor und war im „vaterländischen Hilfsdienst“ aktiv. Am 11.9.1925 heiratete er die ein Jahr ältere Verkäuferin Irma Henriette Hirschberg aus Barsinghausen. Leon Laufer zog mit seiner Frau in den Doventorsteinweg 90. Im Juli 1926 wurde ihre Tochter Ilse Juliane geboren. Vieles deutet auf eine geistige Behinderung des Kindes hin (Ein Stolperstein ist verlegt in der Faulenstraße 45). Die Ehe der Eltern wurde am 30.7.1932 rechtskräftig geschieden, Ilse blieb zunächst bei der Mutter, später folgten Aufenthalte in Kinderheimen.

Als Kaufmann war Leon Laufer zu Beginn der 1920er Jahre Teilhaber der Firma Laufer & Alteholz, die Handel mit Getreide und Futtermittel an der Tiefer 33/34 betrieb. 1926/27 fungierte er als „Telefonhändler“ für Getreide in der Firma H.S. Kramer in Bremen. Vom 1.6.1930 bis zum 31.12.1932 arbeitete er für die Getreidehandelsfirma Meyer & Wiechmann. In seinem Entlassungszeugnis vom 31.12.1932 wird ihm „... Geschicklichkeit im Aufspüren von Geschäften [...], bis sie zum Abschluss führen“ bescheinigt. Er arbeitete danach als Börsen- und Getreidemakler. Die neue Gesetzgebung ab 1933 untersagte Juden derartige Tätigkeiten.

Am 24.5.1933 heiratete er in zweiter Ehe die Verkäuferin Marie Rebekka Huth aus Rekum (geb. 26.5.1908). Sie war evangelischer Konfession, dennoch wurde die Ehe im jüdischen Glaubensbekenntnis geschlossen. Tochter Hannelore wurde am 24.10.1933 geboren. Nach dem Krieg sagte Marie Laufer in einer öffentlichen Sitzung im Landgericht Bremen aus, dass die Familie bereits 1934 aus rassischen Gründen verfolgt wurde und Diskriminierungen ausgesetzt war.

Aufgrund der Herkunft seiner Eltern war Leon Laufer Österreicher, obwohl er nie in Österreich gelebt hatte. Er stellte einen Antrag auf Einbürgerung und wurde am 2.4.1 deutscher Staatsangehöriger. Als Begründung wurde unter anderem angeführt, er sei mit dem „Deutschtum völlig verwachsen“, führe einen „tadellosen Lebenswandel, [...] mache einen sauberen Eindruck und sein Einkommen sei ausreichend“. Nach der NS-Machtübernahme wurde am 14.7.1933 das Gesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der Deutschen Staatsbürgerschaft erlassen. Es ging um Einbürgerungen ab 1918 bis zum 31.1.1933. Dies betraf auch Leon Laufer. Die deutsche Staatsangehörigkeit wurde ihm 1933 wieder aberkannt. Er erhob aber Einspruch gegen den Widerruf und hatte Erfolg. Am 31.4.1934 erhielt er erneut die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Geheime Staatspolizei vermerkte 1934 auf dem Antragsbogen (von 1930) „nachteiliges liegt hier nicht vor“.

Am 27.4.1934 zog er mit seiner zweiten Ehefrau Marie in die Kleine Meinkenstraße 1. Er arbeitete nun als Versicherungsagent, später als Lagerist, verlor jedoch diese Arbeitsstelle, weil die Firma 1943 für die Dauer des Krieges ihren Betrieb einstellte. Kurzfristig fand er in Delmenhorst in einer Schuhfabrik Arbeit.

In zunehmendem Maße erfuhr die Familie soziale Ausgrenzung und Diskriminierung. An der Wohnungstür hing ein schriftlicher Hinweis, dass dort Juden lebten. Leon Laufers Frau Marie wurde als „Judenweib“ beschimpft, deren gemeinsame Tochter als „Judenbastard“. In Gegenwart von Marie Laufer wurden judenfeindliche Lieder gesungen. Nach 1939 erhielt die Familie nur Lebensmittelkarten mit gekürzten Rationen und keine Sonderzuteilungen.

Die Laufers lebten in einer sogenannten „Mischehe“, die zumindest für eine gewisse Zeit Leon Laufer vor Deportation schützte. Einer Verhaftung in der Pogromnacht 1938 entzog er sich, versteckt bei Bekannten.

Als Jude war es Leon Laufer gemäß geltender Gesetze gestattet, sich in öffentlichen Luftschutzbunkern aufzuhalten, allerdings sah das Gesetz – wenn möglich - eine räumliche Trennung zwischen Juden und „Ariern“ vor. Als Leon Laufer Anfang September 1944 bei einem besonders schweren Luftangriff in einem Bunker Schutz suchte, handelte er folglich nicht gegen die Gesetze. Trotzdem wurde er denunziert. Der erste Versuch der Verhaftung scheiterte, weil Leon Laufer nicht zuhause war. Das Ehepaar sprach über Fluchtpläne, verwarf den Gedanken, da sie die Erfolgsaussichten für gering hielten. Am 6.9.1944 wurde Leon Laufer von Gestapobeamten verhaftet. Man warf ihm vor, einem „Arier“ im Luftschutzbunker den Platz weggenommen zu haben. Leon Laufer wurde von September bis 22.12.1944 im Arbeitserziehungslager (AEL) Farge festgehalten und bei „Außenarbeiten“ eingesetzt.

Marie Laufer wurde mehrfach bei der Gestapo vorstellig, bis ihr endlich der Aufenthaltsort ihres Mannes mitgeteilt wurde und sie eine Besuchserlaubnis (an zwei Tagen in der Woche) erhielt. Kriegsbedingt legte sie die Strecke bis Farge überwiegend zu Fuß zurück. Je länger Leon Laufer sich im Arbeitslager aufhielt, umso mehr veränderte er sich, stellte Marie fest. Die Haare wurden ihm kurz geschoren, seine Kleidung war zerlumpt. Sie hätte ihn „immer weniger wiedererkannt“. Marie Laufer versuchte die Entlassung ihres Mannes zu erwirken. Seit seiner Verhaftung wurde sie selber mehrfach von der Gestapo vorgeladen. In den Verhören litt Marie Laufer unter den diskriminierenden und schwer beleidigenden Äußerungen der Gestapobeamten. Als ihr Mann am 22.12.1944 vom AEL Farge ins KZ Neuengamme verlegt wurde, informierte man sie nicht. Mit der Verlegung verliert sich die Spur von Leon Laufer.

Marie Laufer blieb noch viele Jahre mit ihrer Tochter in der Kleinen Meinkenstraße 1 wohnen. Die drei Geschwister von Leon Laufer konnten zwischen 1936 und 1940 nach Shanghai und Montevideo emigrieren.

Kornelia Renemann (2016)

Informationsquellen:
StA Bremen 4,13/6-120 Nr. 33/1931, 4,54-E996, Einwohnermeldekartei

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Arbeitserziehungslager
Glossarbeitrag Neuengamme