Jenny Ries, geb. Leeser, *1867
deportiert 1942 nach Theresienstadt
ermordet in Treblinka
Lüssumerstr. 1
Bremen-Blumenthal
Jenny Ries

Jenny Ries, geb. Leeser, wurde am 25.3.1867 in Bramstedt geboren. Sie war Kauffrau und führte gemeinsam mit ihrem Ehemann David Ries das 1900 in Blumenthal in der Lüssumer Straße 1 eröffnete Kaufhaus. David Ries wurde 1866 in Schwanewede geboren. Seine Eltern waren der 1829 geborene Levy Ries und dessen Frau Edel, geb. Leeser, aus Meyenburg.
Schon der Großvater von David Ries (1795-1865) hatte als „Schutzjude“ Wohnrecht am Ort gehabt. Ohne einen Schutzbrief durften Juden keinen Handel treiben und kein Gewerbe ausüben. Die Ries’ waren Landwirte, Schlachter, Kaufleute und wohnten Am Damm in Schwanewede. Das Haus steht noch heute, ist aber unbewohnt und verfällt. Der Schlussstein des Torbogens über dem Eingang des Hauses trägt die Inschrift ‚D.R.1832’. Durch seine Herkunft hatte David Ries gute Verbindungen zu den Bauern in der Umgebung. Viele Kunden kamen aus dem ländlichen Raum; sie kauften oft auf Kredit und beglichen die Rechnungen mit den Einnahmen aus den Ernteerträgen.
David und Jenny Ries hatten zwei Kinder: die Tochter Flora lebte von 1892 bis 1923, der 1898 geborene Sohn Arthur fiel 1917 im Ersten Weltkrieg. David Ries starb 1920. Er ist wie seine Tochter auf dem jüdischen Friedhof in Schwanewede begraben.
Zunächst führte Jenny Ries das Geschäft allein weiter. Ende der 1920er Jahre adoptierte sie Emil Jacobs, geb. 1892 in Haselünne, und führte mit ihm bis 1935 das Kaufhaus, das als das erste Haus am Platz galt. 1928 stellten sie Bernhard Frank, einen jüdischen Kaufmann aus Bielefeld, als Geschäftsführer ein. Im Geschäft der Familie Ries waren zeitweise 15 Angestellte beschäftigt, die dort über lange Jahre zufrieden arbeiteten.
Aufgrund des 1933 einsetzenden Boykotts jüdischer Geschäfte sahen sich Jenny und Emil Jacobs-Ries gezwungen, das Geschäft 1935 an Fritz Schulz zu verpachten. Dieser wurde im Dezember 1938 Eigentümer des Grundstücks.
Am 2.12.1935 zogen Jenny Ries und Emil Jacobs-Ries nach Bremen, wo sie An der Weide 30 wohnten. Jenny verließ das Haus in Blumenthal Berichten zufolge laut weinend mit den Worten: „Womit habe ich das verdient? Mein Liebstes, meinen Sohn, habe ich für Deutschland gegeben! Was wollen die jetzt noch von mir?“
Emil Jacobs-Ries betrieb zunächst die Strumpfgroßhandlung weiter, die er – neben dem Geschäft in Blumenthal – in der Sögestraße hatte. 1937 heiratete er Martha Lieber, geb. 1910 in Bielefeld. Die Eltern Ernst und Thekla Lieber führten in Bielefeld ein Ofen-, Eisenwaren und Haushaltswarengeschäft. Martha Lieber zog nach der Hochzeit zu ihrem Mann nach Bremen.
Im August 1939 flüchtete Emil Jacobs-Ries mit seiner Frau Martha nach Antwerpen, um von dort aus nach Chile auszuwandern. Dieser Plan scheiterte. Martha wurde vom 21.2. bis zum 29.3.1940 im Gefängnis in Antwerpen festgehalten. Von März bis Mai 1940 waren beide im Flüchtlingslager Marneffe in Belgien interniert. Von Anfang 1942 bis zum 3.9.1944 lebten sie zusammen mit anderen Deutschen in einem Versteck in Brüssel und konnten so überleben. 1947/48 kehrten sie nach Bielefeld zurück. 1953 wanderten sie in die USA aus. Martha starb 2003 in Luzern.
Trotz der verschärften antijüdischen Maßnahmen blieb der Geschäftskontakt von Emil Jacobs-Ries zur Firma Schulz auch nach seiner Emigration nach Belgien bestehen. Dasgute Verhältnis endete erst, als Emil Jacobs-Ries 1950 bei seinem dritten Besuch in Blumenthal einen Antrag auf Restitution (Rückerstattung) stellte. Der folgende Prozess schloss mit einem Vergleich.
Im Dezember 1939 kam die nunmehr alleinstehende und betagte Jenny Ries im Jüdischen Altersheim in der Gröpelinger Heerstraße 167 unter. Von hier aus wurde sie am 23.7.1942 in das Ghetto Theresienstadt und am 23.9.1942 weiter in das Vernichtungslager Treblinka deportiert und ermordet.
Wiltrud Ahlers (2013)
Informationsquellen:
StA Bremen 4,54-E10262
Stadtarchiv Bielefeld 104,3, Einwohnermeldeamt Nr. 18
www.holocaust.cz
Abbildungsnachweis: Dokumentationszentrum Berlin. Das Foto zeigt Jenny Ries mit Adoptivsohn.
Weitere Informationen:
Glossarbeitrag "Arisierung"
Glossarbeitrag Theresienstadt
Glossarbeitrag Treblinka

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