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Frieda Rosenberg, geb. Silberberg, *1889

deportiert 1941
ermordet in Minsk


Blankenburgerstr. 26
Bremen-Östliche Vorstadt

Frieda Rosenberg

geb. 8.5.1889 in Bassum

Frieda Silberberg wurde als Tochter von Meyer Silberberg (1848-1927) und seiner Frau Friederike, geb. Alexander (1862-1941), geboren. Ihr Vater entstammte einer Viehändlerdynastie in Bassum und war selbst in diesem Beruf tätig. Sie heiratete 1918 in Bassum Siegmund Rosenberg. Er wurde am 2.9.1890 als Sohn von Josef Rosenberg und seiner Frau Jette, geborene Rosenstein, geboren. Das Ehepaar Rosenberg bekam zwei Kinder, Tochter Gertrud (1919) und Sohn Helmut (1924). Beide Kinder wurden in Bremen geboren.

Siegmund Rosenberg etablierte sich in Bassum gleichfalls als Viehhändler. Er handelte mit Nutz- und Zuchtvieh, besaß umfangreiche Geschäftsbeziehungen und galt als ein „Fachmann durch und durch“, erinnerte sich im Jahr 1957 der Geschäftsführer des Viehhandelsverbands Hannover.

Mit der Machtübernahme der NSDAP 1933 wurde Rosenberg in seiner Berufsausübung erheblich eingeschränkt, Ende 1934 kam sein Geschäft zum Erliegen. Seine bis 1933 zufriedenstellenden Einkünfte brachen bis 1935 völlig weg. Zu diesem Zeitpunkt lebten noch etwa 30 Juden in Bassum. Auf einer nationalsozialistischen Versammlung forderte ein Redner „…Rassenstolz zu bewahren …“ und mit Juden keine Geschäfte mehr zu machen. Nach und nach verließen die Juden Bassum. Siegmund Rosenberg zog mit seiner Familie im Sommer 1936 nach Bremen in die Feldstraße 22, in eine zweieinhalb Zimmerwohnung. Zum Ende des Jahres 1936 löste er seinen Bassumer Betrieb auf.

Die Familie plante, im Sommer 1938 nach Argentinien zu flüchten und besaß vier Tickets für die Schiffspassage. Vor der geplanten Abreise boten Rosenbergs ihr Mobiliar und Hausrat per Anzeige zum Verkauf an. Tochter Gertrud gab nach dem Krieg an, auf die Anzeige hin seien viele Leute gekommen und ihre Mutter Frieda hätte sehr geweint, weil die Möbel zu einem lächerlich niedrigen Preis verschleudert werden mussten.

Das Schiff nach Argentinien lief am 31.8.1938 aus. Die Rosenbergs waren jedoch nicht an Bord, da ihnen bis dahin keine gültigen Einreisepapiere vorgelegen hatten. Die Schiffskarten verfielen, das Umzugsgut, das sich bereits in den Niederlanden befand, verblieb dort und wurde 1941 beschlagnahmt. Die Familie besaß nur noch das, was sie als Reisegepäck bei sich hatte.

Am 1.9.1938, also nur einen Tag nach der gescheiterten Ausreise, wanderte die 18-jährige Tochter Gertrud Rosenberg von Bremen nach New York aus. Sie hatte ein Visum zur Einwanderung in die USA bekommen und ging dort am 24.9.1938 an Land. Die Eltern und Helmut blieben in Bremen, wo sie ab September 1938 in der Hastedter Heerstraße 313 gemeldet waren. Am 5.11.1938 meldeten sich Frieda Rosenberg und ihr Sohn Helmut nach Hamburg, Bundesstraße 35, ab.

Am 9./10.11.1938 wurde Siegmund Rosenberg im Zuge der Reichspogromnacht verhaftet und im KZ Sachsenhausen interniert. Nach seiner Entlassung am 24.11.1938, organisierte er seine Flucht nach Kuba. Am 12.5.39 meldete er sich in Bremen "nach Cuba" ab. Er hatte eine Passage auf der St. Louis gebucht. Seine Tochter Gertrud, hatte sich in den USA für die Flucht ihres Vaters 250 Dollar geborgt und das Geld an einen weitläufigen Verwandten in Kuba überwiesen. Dies war die letzte Fahrt der St. Louis nach Kuba. Überraschend erklärte die kubanische Einwanderungsbehörde die Landungspermits für ungültig, die Auswanderer durften nicht von Bord gehen. Die kubanischen Visabestimmungen für Einwanderer waren kurz zuvor geändert worden, und die dortigen Behörden verweigerten den Passagieren mit Touristenvisa die Einreise. Das Schiff kehrte nach Europa zurück. Belgien, Niederlande, Frankreich und Großbritannien erklärten sich bereit, die Passagiere aufzunehmen. Siegmund Rosenberg ging in Antwerpen von Bord. Ab dem 18.6.1939 war er in Rotterdam als Flüchtling gemeldet. Einen Monat später siedelte er nach Amsterdam um, wo er die Wohnadresse mehrfach wechselte.

Am 10.5.1940 begann der Überfall der Wehrmacht auf die Niederlande und Siegmund Rosenberg, der inzwischen den Vornamen Selig führte, wurde erneut verhaftet. Vom 1.7.1940 bis zum 18.1.1944 war er im Sammellager Westerbork interniert. Er zählte zu den "Altlagerinsassen" und wurde erst 1944 in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Dabei war er auf der Liste der Frontkämpfer mit EK II und Verwundetenabzeichen registriert. Von dort wurde er am 6.10.1944 in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau verbracht und vermutlich am 8.10.1944 ermordet.

Frieda Rosenberg lebte ab dem 21.11.1938 wieder in Bremen. In einem Brief an den Bremer Oberfinanzpräsidenten schrieb sie, dass sie sich seit Mai 1939 ganz alleine in Bremen befinde, da Mann und Kinder im Ausland seien und sie seit einem Jahr ohne „Wohnung oder Zimmer“ sei. Unterschlupf fand sie bei Sally Lennhoff im Ostertorsteinweg 77, einem „Verwandten, der sie voll und ganz verpflege“. Sie erhielt von der jüdischen Gemeinde eine monatliche Unterstützung von 20 RM. 1940 verdiente sie sich als Hausgehilfin 40 RM im Monat. Ab Juni 1940 wohnte sie in der Blankenburger Straße 26. Für eine Überfahrt von Lissabon nach New York im September 1941 zahlte ihr Schwiegersohn in den USA die Passage. Doch ab Herbst 1941 wurde den Juden die Auswanderung verboten. Frieda Rosenberg konnte die Überfahrt nicht mehr antreten. Sie wurde am 18.11.1941 aus Bremen in das Ghetto Minsk deportiert. Dort starb sie entweder im Winter 1941/42 an Hunger, Krankheit oder Kälte oder wurde Opfer einer der Massenerschießungen ab Sommer 1942.

Der Sohn Helmut Rosenberg emigrierte zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt 1939 in die Niederlande (siehe Biografie). Er wurde am 30.4.1943 im Alter von 19 Jahren im Vernichtungslager Auschwitz ermordet.

Gertrud Rosenberg (später mit Namen Gerdy Kleinmann) überlebte als einziges Familienmitglied. Sie hat geheiratet und drei Kinder zur Welt gebracht.


Verfasserin:
Kornelia Renemann (2019)


Informationsquellen:
StA Bremen 4,54-E10465, 4,54-E10466, Einwohnermeldekartei
Archiv Kampwesterbork (Auskunft)
Obenaus, Herbert (Hrsg.): Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, Göttingen
2005
de.wikipedia.org/wiki/Irrfahrt_der_St._Louis
www.jüdische-gemeinden.de/index.php/gemeinden/a-b/343-bassum-niedersachsen
www.hamburg.de/ballinstadt/280324/flucht-und-vertreibung-1933-1941.html
www.lostliners.de/schiffe/s/stlouis/geschichte/index.htm

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Auswanderung
Glossarbeitrag Novemberpogrom
Glossarbeitrag Westerbork
Glossarbeitrag Auschwitz
Glossarbeitrag Minsk