Sie befinden sich hier | Kapitelüberschrift  Stolpersteine Biografie
Schriftgroesse verkleinern Schriftgroesse normal Schriftgroesse vergrössern
Diese Seite ausdrucken

Johann Niemann, *1900

IM WIDERSTAND / VERHAFTET 1944 / ZWANGSARBEIT LANDSBERG/WARTHE
ERMORDET 31.1.1945


Timmersloher Straße 1
Bremen-Findorff

Verlegedatum: 18.11.2019

Johann Niemann


Johann Heinrich Bernhard Niemann kam am 5.12.1900 als Kind von Johann Heinrich Bernhard und Frederike Niemann, geb. Grohnfeldt, zur Welt. Der Vater arbeitete im Hafen als Küper (Quartiersmann); die Familie wohnte in der Kastningstraße 18 in Walle.

Johann Niemann lernte Schlosser, ab 1938 war er als Teileingenieur bei der AG „Weser“ angestellt. Am 27.11.1928 heiratete er Margarete Helene Katharine, geb. Buhrdorf. Die Familie wohnte zuerst in der Würzburgerstraße 93, ab dem 1.8.1931 dann in der Timmersloher Straße 1, wo 1934 ihr Sohn Hans zur Welt kam.

Im Konstruktionsbüro der AG „Weser“ bekam Johann Niemann Kontakt zu einer Widerstandsgruppe um Hermann Steltner, zu der Angestellte, Ingenieure und Techniker gehörten. Unter dem Eindruck der sich häufenden militärischen Niederlagen, insbesondere an der Ostfront, brachte der technische Zeichner Willy Ermert „Hetzgedichte“ mit wie:

"Flugzeuge und Kanonen bauen
Dem Volk den letzten Pfennig klauen
Fahnen hissen, Volk bescheißen
Feste feiern, Männer enteiern
und sowas nennt man Deutschland erneuern"

Die seit längerer Zeit unter Beobachtung der Gestapo stehenden Mitglieder der Gruppe Steltner wurden am 9.5.1944 verhaftet. Zu diesem Zeitpunkt wurde Johann Niemann Vorbereitung des Hochverrats vorgeworfen. Er verbrachte den Mai 1944 im Gefangenenhaus Ostertorwache in Bremen, bevor er am 3.6.1944 über das Untersuchungsgefängnis Hamburg-Altona nach Landsberg/Warthe gebracht wurde.

Als einziger der Steltner-Gruppe wurde Johann Niemann nicht des Hochverrats angeklagt; ihm warf man vor, von den „Hetzgedichten gewusst, sie aber nicht gemeldet“ zu haben. Ihm wurde positiv angerechnet, dass er über den Verfasser des Schmähbriefes öffentlich gesagt hatte, „der hat ja wohl einen Vogel“. Außerdem arbeite Niemann freiwillig im Roten Kreuz mit.

Den Prozess am 22.12.1944 und am 11.1.1945 erlebte Johann Niemann jedoch nicht mehr. In Landsberg leistete er Zwangsarbeit in den dortigen Zinkwerken, wo er sich bald eine Bleivergiftung zuzog. Johann Niemann wurde am 13.11.1944 in das Krankenhaus Landsberg eingewiesen. Am 23.1.1945 erreichte ein letzter Brief seine Ehefrau; seitdem gilt er als verschollen. Als offizielles Todesdatum wurde der 31.1.1945 festgesetzt.

Auch zur Urteilsverkündung im Prozess gegen die Gruppe Steltner, die für den 7.2.1945 angesetzt war, kam es nicht mehr; vier Tage vorher, am 3.2.1945 war der Volksgerichtshof durch Bombenangriffe, in deren Verlauf auch der Volksgerichtspräsident Roland Freisler getötet wurde, schwer beschädigt worden.

Niemanns Frau Margarete, die ab 1956 als Packerin arbeitete, führte nach Kriegsende einen langwierigen und letztlich erfolglosen Streit um die Anerkennung ihres Mannes als politisch Verfolgter. Ausschlaggebend für diesen Entscheid waren Aussagen mehrerer Mitglieder der Gruppe Steltner, die Niemann als hochanständigen, aber unpolitischen Menschen beschrieben, der nicht aktiv Widerstand geleistet, sondern sich nur geweigert habe, Menschen, von denen er wusste, dass sie im Widerstand waren, anzuzeigen. Er sei nicht wegen politischer Überzeugungen, sondern aufgrund der Nicht-Anzeige, also einer nicht allgemeinen Straftat angeklagt und inhaftiert worden.

Wie man das politische Verhalten Johann Niemanns auch einschätzen mag, es bleibt die Tatsache, dass er im Rahmen der Verfolgung der AG „Weser“ Gruppe Steltner ebenfalls verhaftet und inhaftiert wurde, Zwangsarbeit leisten musste und in Folge einer in diesem Rahmen erlittenen Bleivergiftung sein Leben verlor.

Michael Berthold (2019)

Informationsquellen:
StA Bremen 4,54-E 906, 4,54-E 627, 4,54-E 2324, 4,75/12-1911-1920, 9, S 9-17-65, Einwohnermeldekartei
Marßolek, Inge/Ott, René: Bremen im Dritten Reich, Bremen 1986

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Politisch Verfolgte