Sie befinden sich hier | Kapitelüberschrift  Stolpersteine Biografie
Schriftgroesse verkleinern Schriftgroesse normal Schriftgroesse vergrössern
Diese Seite ausdrucken

Ludwig Weihkopf, *1884

GEGNER DER NS-DIKTATUR, VERHAFTET 17.1.1938 "SCHUTZHAFT" SACHSENHAUSEN, ERMORDET 15.2.1945


Zeppelinstraße 32 a
Bremen-Hemelingen

Verlegedatum: 30.09.2021

Ludwig Weihkopf


Ludwig Weihkopf kam am 29.3.1884 als Sohn des Zigarrenmachers Ludwig Weihkopf und seiner Frau Anna, geb. Warnke, in Bremen zur Welt. Gemeinsam mit seinen jüngeren Geschwistern Karl (geb. 1886) und Beta (geb. 1990) wuchs er in einfachen Verhältnissen auf. Er besuchte acht Jahre die Volksschule Am Schwarzen Meer und erlernte danach in Bremen das Zimmerhandwerk. 1910 heiratete er die aus Nienburg an der Weser stammende Minna Beneke (geb. 1988). Das Paar bekam zwei Söhne: 1911 wurde Ludwig geboren, 1920 Theodor, der mit einer geistigen Behinderung zur Welt kam. Minna Weihkopf, die keinen Beruf erlernt hatte, war Hausfrau, der schwerbehinderte Sohn wurde von ihr zu Hause betreut.

Die Weihkopfs waren Mitglied in einer Siedlergemeinschaft, die Ende der 1920er Jahre in Erbbaupacht erworbene Grundstücke an der Helmholtzstraße im Stadtteil Sebaldsbrück in gegenseitiger Selbsthilfe bebaute. Bei den Mitgliedern der Gemeinschaft handelte es sich um Bauhandwerker, die sich untereinander kannten und oft der gleichen Gewerkschaft angehörten. 1928 konnte die Familie Weihkopf ihr eigenes Haus in der Helmholtzstraße 10 beziehen.

Ludwig Weihkopf war Mitglied der Gewerkschaft (Zimmermannsverband) und zur Zeit der Novemberrevolution 1918/19 auch für kurze Zeit KPD-Mitglied. 1933 trat er in den rechtsnationalistischen Stahlhelmbund ein, für den er auch als Kassierer tätig wurde. Als er 1937 mit der endgültigen Gleichschaltung des Stahlhelms automatisch in eine Untergliederung der NSDAP übernommen werden sollte, lehnte er dies jedoch ab. Auch soll er sich wiederholt kritisch über das NS-Regime geäußert haben.

In ihrem Haus in der Helmholtzstraße wohnten die Weihkopfs bis 1935, dann verkauften sie es und erwarben ein Haus in der Zeppelinstraße 32 a, wo sie zwei Wohnungen vermieteten. Wie schon in der Helmholtzstraße kam es auch hier häufig zu Auseinandersetzungen mit den Mietern und Nachbarn. Nach Aussage von Mutter und Sohn im späteren Entschädigungsverfahren entzündeten sich diese vor allem an dem auffälligen Verhalten des behinderten Sohnes, von dem sich die Nachbarn belästigt fühlten. Die Mieter hingegen gaben an, die Weihkopfs seien schwierige Vermieter gewesen.

Im Januar 1938 kam es im Haus in der Zeppelinstraße zu einer Auseinandersetzung zwischen Ludwig Weihkopf und dem Bruder einer Mieterin, der in der SA war. Dieser sammelte daraufhin in der Nachbarschaft Unterschriften gegen die Weihkopfs und denunzierte sie anschließend bei der Gestapo. Am 17.1.1938 wurde das Ehepaar vorgeladen, Ludwig Weihkopf sofort verhaftet, seine Frau zunächst wieder nach Hause entlassen. Als Grund für die Inhaftierung wurden gegenüber der Familie zunächst „kommunistische Umtriebe“ genannt, dann auch das Hören ausländischer Sender; bei einer Hausdurchsuchung wurde ihr Radio konfisziert. Zwei Tage später wurde Minna Weihkopf von der Gestapo aus ihrer Wohnung geholt, der achtzehnjährige Theodor in die Bremer Nervenklinik eingewiesen. Minna Weihkopf wurde die „asoziale Behandlung“ ihrer Mieter zur Last gelegt, dieser Vorwurf wurde später auch auf Ludwig Weihkopf ausgeweitet.

Die Weihkopfs sind beide in „Schutzhaft“ genommen worden, Ludwig Weihkopf wurde ins Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht, seine Frau war zuletzt im Frauenkonzentrationslager Lichtenburg interniert. Kurz nach ihrer Entlassung im August 1938 wurde der älteste Sohn Ludwig vor dem Sondergericht des Hanseatischen Oberlandesgerichtes in Hamburg wegen Vorbereitung zum Hochverrat angeklagt. Ludwig Weihkopf jun. hatte nach einer Dachdeckerlehre 1935 eine Anstellung als Metallschleifer bei den Borgward-Werken in Hemelingen gefunden. Wie sein Vater war er Gewerkschaftsmitglied gewesen. Dem Sohn wurde vorgeworfen, er habe sich abfällig über führende Nationalsozialisten geäußert, u.a. soll er Hitler als „Eunuchen“ bezeichnet haben. Sein Anwalt konnte den Vorwurf des Hochverrats abwehren, so dass er „nur“ zu einer neunmonatigen Haftstrafe wegen Vergehens gegen das „Heimtückegesetz“ verurteilt wurde.

Theodor Weihkopf wurde in der Nervenklinik zwangssterilisiert. Als seine Mutter davon Kenntnis erhielt, dass er aus Bremen in die Heilanstalt Hadamar in Hessen verlegt werden sollte, holte sie ihn umgehend wieder zu sich nach Hause. Damit hat sie ihn mit hoher Wahrscheinlichkeit vor der „Euthanasie“ bewahrt.

Ludwig Weihkopf sen. war sieben Jahre lang als politischer Häftling in Sachsenhausen interniert. Mehrfach hatte sein Anwalt versucht, seine Freilassung zu erreichen, was regelmäßig abschlägig beschieden wurde. Einmal gelang es diesem, in der Sache Weihkopf im Reichssicherheitshauptamt in Berlin persönlich vorgelassen zu werden, wo man ihm versicherte, die Schutzhaft werde in den gesetzlich vorgeschriebenen Abständen überprüft, Ergebnis sei aber bisher immer gewesen, dass Ludwig Weihkopf nicht die Gewähr dafür böte, dass „seine Einstellung so sei, dass man ihn ohne Schaden für die Allgemeinheit entlassen könne“.

In den Briefen, die Ludwig Weihkopf aus der Lagerhaft nach Hause schrieb, soll er vor allem die Sorge um seinen behinderten Sohn zum Ausdruck gebracht haben, es quälte ihn sehr, dass er nicht mehr als Vater für ihn sorgen konnte. Er starb am 15.2.1945 im KZ Sachsenhausen, ohne seine Familie wiedergesehen zu haben. Als Todesursache wurde von der Lagerverwaltung „Magenkrebs“ angegeben.

Auch Ludwig Weihkopfs jüngerer Bruder Karl wurde Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Die spärlichen, seiner Einwohnermeldekarte zu entnehmenden Informationen lassen auf ein unstetes, schwieriges Leben schließen. In den 1930er Jahren war er in Bremen an unterschiedlichen Adressen gemeldet, von denen er immer wieder unbekannt verzog; zwischenzeitlich wurde er vom NS-Regime in der Landesarbeitsanstalt in Glückstadt inhaftiert. Am 3.9.1943 wurde er als „Asozialer“ von Bremen aus ins KZ Dachau deportiert, wo er am 28.4.1944 umkam.

Das Entschädigungsverfahren gestaltete sich im Fall Ludwig Weihkopf sen. schwierig. Immer wieder wurde in Frage gestellt, ob er als politisch Verfolgter oder doch „nur“ als „asozialer Vermieter“ zu gelten habe; Zeugen aus dem Wohnumfeld hatten sich in diesem Sinne geäußert. Darüber hinaus erfüllte Ludwig Weihkopf in den Augen der Wiedergutmachungsbehörde nicht die hohen Anforderungen, an die sie eine Anerkennung als Opfer politischer Verfolgung geknüpft hatte: Verlangt wurde eine „charaktervolle, auf sittlicher Grundlage und während einer gewissen Zeitdauer bewährte Grundeinstellung dem Naziregime gegenüber“. Er war eher einer, der spontan aufmüpfig reagierte, wenn ihm politisch etwas gegen den Strich ging. Die nachfolgende Begebenheit, die eine Zeugin im Entschädigungsverfahren zu Protokoll gab, illustriert seine Form der Widerständigkeit: Eines Tages klingelte eine Frau mit der Sammelbüchse für eine der unzähligen Sammlungen der NS-Volksfürsorge an seiner Haustür; als Ludwig Weihkopf ihr öffnete, streckte sie ihm den Arm zum Hitlergruß entgegen und skandierte: „Heil Hitler!“. „Wohnt hier nicht“, knurrte er sie an.

In einem von der Familie gegen das Landesamt für Wiedergutmachung angestrengten Prozess erkannte das Landgericht Bremen nach Würdigung aller Umstände mit Urteil vom 7.8.1959 Ludwig Weihkopf wegen seiner politischen Gegnerschaft zum Nationalsozialismus als Verfolgten des Naziregimes an.

Christine Nitsche-Gleim (2023)

Informationsquellen:
StA Bremen 4,54- E760; 4,54-E751; Einwohnermeldekartei
1.2.2.1 / 11340554 /ITS Digital Archive, Arolsen Archives, Zu- und Abgangsbücher der Landesarbeitsanstalt Glückstadt
1.1.6.7 / 1077799/ ITS Digital Archive, Arolsen Archives, Schreibstubenkarte Karl Weihkopf
Konzentrationslager Dachau

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Sachsenhausen