Sie befinden sich hier | Kapitelüberschrift  Stolpersteine Biografie
Schriftgroesse verkleinern Schriftgroesse normal Schriftgroesse vergrössern
Diese Seite ausdrucken

Emma Steiniger, geb. Macknapp, *1875

SEIT 1912 MEHRMALS EINGEWIESEN NERVENKLINIK, „VERLEGT“ 9.12.1943 HEILANSTALT MESERITZ-OBRAWALDE, ERMORDET 4.7.1944


Föhrenstraße 19
Bremen-Hemelingen

Verlegedatum: 30.09.2021

Emma Steiniger


Emma Steiniger, geb. Macknapp

Emma Steiniger wurde am 25.5.1875 als Emma Anna Hedwig Macknapp in Pankow/Berlin geboren. Ihr Vater Friedrich Macknapp war Tischler. Sie besuchte die Volksschule bis zur zweiten Klasse, und verließ die Schule nach ihrer Konfirmation. Sie arbeitete als Stickerin, später als Arbeiterin in einer Schokoladenfabrik. Mit 19 Jahren heiratete sie 1894 in Berlin den zweieinhalb Jahre älteren Alwin Steiniger, gebar ihm fünf Kinder und erlitt eine Fehlgeburt.

Mit etwa 30 Jahren traten erste psychische Krankheitszeichen auf. Gegen 1905 bekam sie Angstbeklemmungen, die mit Kognak behandelt wurden. Später entwickelte sie eine starke (wahnhafte) Eifersucht. 1907 zog die Familie von Berlin nach Bremen. Ihr Mann wurde Werkmeister, später besaß er eine Möbelfabrik. Emma Steiniger tat sich schwer, sich in Bremen einzuleben. Sie fuhr auf eigene Faust mehrmals nach Berlin und irrte dort umher.

1911 kaufte ihr Mann ein Haus in der Föhrenstraße 19, und die Familie zog dort ein. Emma Steiniger wollte in dieses Haus nicht einziehen. Sie hörte Stimmen, die sie beleidigten und beschimpften. Sie stritt sich mit ihrem Mann und griff ihn an. Sie beschimpfte und belästigte Menschen auf der Straße und Hausnachbarn. Schließlich wurde sie am 3.2.1912 mit 36 Jahren in die Bremer Nervenklinik eingewiesen. Nach einem halben Jahr (Anfang August 1912) wurde sie als „gebessert“ versuchsweise zur Familie entlassen.

Im Sommer 1921 spitzte sich die Situation erneut zu. Sie hörte wieder Stimmen, die mit ihr sprachen, zu Hause zerschnitt sie Ölbilder, so dass sie am 8.8.1921 in Dr. Bennings Sanatorium Rockwinkel in Oberneuland aufgenommen wurde. Im Sanatorium zog sie sich in ihre eigene Welt zurück. Sie ging keiner Beschäftigung nach, blieb für sich, ab und zu unternahm sie einen Versuch zu fliehen.

Am 2.7.1934 wurde sie in die Bremer Nervenklink mit der Diagnose Schizophrenie verlegt. Emma Steiniger war eher eine unauffällige Patientin. So hieß es in der Krankenakte im Juli 1937: „Patientin ist unauffällig, drückt sich immer nur in den Ecken herum, spricht mit niemanden und ist abweisend.“ Oder im August 1940: „Ganz unverändert. […] Sondert sich ab, hält sich von allen fern. Schimpft halblaut, wenn sie angeredet wird – Macht ihre regelmäßige Hausarbeit gut.“

Sie wurde „sehr regelmäßig zweimal wöchentlich von den Töchtern“ besucht. Während die Patientin 1940 noch wegen ihrer Arbeitsleistung geschätzt wurde, war es 1943 nicht mehr so. Sie wurde von Haus 1 „wegen Platzmangels mit anderen älteren Damen nach Haus 2“ verlegt.

Am 26.11.1943 wurde die Klinik bombardiert; einige Gebäude wurden völlig zerstört, die meisten mehr oder weniger stark beschädigt. So wurden die Patienten, die nicht mehr bei den Aufräumarbeiten mitarbeiten konnten und nicht „bunkerfähig“ waren, verlegt.

Emma Steiniger wurde mit 200 Männern und Frauen schon am nächsten Tag (am 27.11.) nach Kloster Blankenburg gebracht. Endgültige Aufnahmeklinik war für die Patienten die Heil- und Pflegeanstalt Meseritz-Obrawalde in der Provinz Posen. Am 9.12.1943 verließ der Zug mit 307 Personen aus der Nervenklinik den Bremer Güterbahnhof, unter ihnen auch Emma Steiniger.

In Meseritz-Obrawalde wurde sie am 4.7.1944 im Alter von 69 Jahren getötet. Die angebliche Todesursache in der Krankenakte lautet „Apoplexie“ (Schlaganfall). Sie überlebte ihre Ankunft nur sieben Monate.

Frauke Lieberum (2023)

Informationsquellen:
Archiv Krankenhaus-Museum Bremen, Krankenakte A 502/1
StA Bremen Einwohnermeldekartei
Engelbracht, Gerda: Die tödlichen Schatten der Psychiatrie. Die Bremer Nervenklinik 1933-1945, Bremen 1997

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag "Heilanstalten"