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Wilhelm Rengstorf, *1902

ZEUGE JEHOVAS, MEHRMALS VERHAFTET, VERURTEILT 1938, NEUENGAMME, CAP ARCONA,
TOT 3. MAI 1945 LÜBECKER BUCHT


Bleicherstraße 26
Bremen-Mitte

Verlegedatum: 14.06.2022

Wilhelm Rengstorf

Wilhelm Rengstorf
Der Musiker Wilhelm Rengstorf wurde am 20.5.1902 als Sohn von Diedrich und Hermine Rengstorf in Sebaldsbrück geboren. 1935 heiratete er Emma Hunte (geb. 1907). Die Ehe blieb kinderlos. Emma und Wilhelm Rengstorf wohnten 1937, zur Zeit der Inhaftierung, in der Bleicherstraße 26.

Das Ehepaar betätigte sich aktiv für die Internationale Bibelvereinigung (IBV), heute Zeugen Jehovas. Sie nahmen an Gottesdiensten und Versammlungen teil und verteilten Flugblättern und sonstige Informationsmaterialien. Zeitweilig stellten sie ihre Wohnung auswärtigen Gästen zur Verfügung, wie 1937 dem wegen illegaler Tätigkeit gesuchten Reichsdiener Heinrich Ditschi. Am 6.7.1937 wurden Wilhelm Rengstorf und seine Frau verhaftet und er während des Verhörs, bei dem er konsequent schwieg, misshandelt. Außerdem versuchte die Gestapo, Rengstorf für unzurechnungsfähig zu erklären und überwies ihn zur medizinischen Überprüfung in die Nervenklinik Bremen-Osterholz, wo man ihn jedoch für zurechnungsfähig hielt, worauf hin er in Bremen in Haft blieb.
Wilhelm Rengstorf lehnte es wiederholt und konsequent ab, die den Zeugen Jehovas vom nationalsozialistischen Staat vorgelegte Standarderklärung zu unterschreiben, in der er seine Abkehr vom Glauben bekannt und den Treueeid auf den „Führer“ geleistet hätte.

Im Prozess gegen 28 angeklagten „Zeugen Jehovas“ vor dem Hamburger Sondergericht vom Juli 1938 wurde Wilhelm Rengstorf zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, die er wie auch Emma nach der Untersuchungshaft in Bremen ab dem 6.8.1938 im Gefängnis Vechta verbrachte. Während Emma Rengstorf am 7.1.1940 entlassen wurde, wurde ihr Ehemann im März 1941 in „Schutzhaft“ genommen und in das Konzentrationslager Neuengamme verbracht. Dort betätigte er sich u.a. als Musiker.

Als die Lagerleitung im März 1945 begann, das Lager zu räumen, wurde Wilhelm Rengstorf gemeinsam mit ca. 4.600 Häftlingen an Bord der in der Neustädter Bucht liegenden Cap Arcona gebracht. In der irrigen Annahme, dass sich Soldaten und nationalsozialistische Funktionäre auf dem Schiff befänden, beschossen britische Flugzeuge das Schiff am 3.5.1945. Die Cap Arcona fing Feuer und versank. Die Schiffbrüchigen wurden, da sie nicht als Strafgefangene erkennbar waren, von den britischen Flugzeugen mit Bordwaffen oder von deutschen Truppen beschossen, wenn sie versuchten, das rettende Ufer zu erreichen. Lediglich rund 400 Menschen konnten aus dem nur acht Grad kalten Wasser gerettet werden. Wilhelm Rengstorf war nicht unter den Geretteten und hat vermutlich in der Ostsee den Tod gefunden. Nach Kriegsende galt er als vermisst. Das Hamburger Landgericht hat ihn am 4.6.1951 für tot erklärt, als Todesdatum wurde der 3.5.1945 festgesetzt.

Verfasser:
Günter Kleinen / Michael Berthold (2022)

Informationsquellen:
StA Bremen, Einwohnermeldekarte, E 4,54 – E 192 A