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Henny Knurr, geb. Bienheim, *1864

DEPORTIERT 1942 THERESIENSTADT, 1942 TREBLINKA
ERMORDET


Rüdesheimer Straße 21
Bremen-Neustadt

Verlegedatum: 09.10.2023


Rüdesheimer Straße 21 - Weitere Stolpersteine:


Henny Knurr

Henny Knurr

Henny Knurr, geborene Bienheim, wurde am 3.2.1864 in Duingen bei Hildesheim geboren. Die Bienheims waren bereits seit mehreren Generationen dort ansässig. Sie wuchs als drittes Kind in einer kinderreichen Familie auf. Ihr Vater Eli Bienheim war Kaufmann und konnte sich 1870 zusammen mit seiner Frau Rieke, geb. Poli den Kauf eines großen Wohn- und Geschäftshauses leisten. Nach dem Tod des Vaters führte ihr Bruder Martin das Kolonialwarengeschäft seiner Eltern mit Unterstützung seines jüngeren Bruders Hermann erfolgreich fort.

Henny und ihre jüngere Schwester Ida heirateten zwei Brüder aus Aurich: Henny 1890 Abraham Joseph Heymann Knurr (geb. 1856), Ida fünf Jahre später Lippmann Heymann Knurr (geb.1859). Die beiden Brüder Knurr führten in Aurich zusammen ein gut gehendes Manufaktur- und Konfektionswarenhaus, das Traditionsgeschäft H. C. Knurr in der Norderstraße/Ecke Marktstraße. Hennys Ehemann Abraham war nicht nur als Auricher Geschäftsmann, sondern auch als Mitglied der jüdischen Gemeinde, in der er das Amt des Mohels innehatte, hoch angesehen.

Henny Knurrs Ehe blieb kinderlos, sie hatte jedoch ein inniges Verhältnis zu den sieben Kindern ihrer Schwester Ida, die ihrer „guten Tante“ nach Kriegsende in einem in der Zeitschrift „Der Aufbau“ veröffentlichtem Nachruf liebevoll gedachten. 1924 verstarb Hennys Mann im Alter von 68 Jahren, drei Jahre später auch ihre Schwester Ida. Diese Schicksalsschläge dürften Henny noch mehr mit der Familie ihres Schwagers verbunden haben.

Mit der Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur setzte die erste Welle staatlichen Terrors gegen Juden im Frühjahr 1933 ein, von der auch das Traditionsgeschäft der Brüder Knurr nicht verschont blieb. Nach der „Arisierung“ ihres Geschäfts und -Wohneigentums waren Henny Knurr und ihr Schwager Lippmann Knurr gezwungen, in die Lilienstraße 12 zu ziehen, in eine etwa einhundert Meter entfernt liegende Wohnung.

Mit der Vertreibung der Juden aus Ostfriesland mussten Henny Knurr und ihr Schwager ihre Heimatstadt Aurich im Februar 1940 für immer verlassen. Schon vorher hatte Henny von ihren Neffen und ihrer Nichte Abschied nehmen müssen: diese hatten alle bis 1936 mit ihren Familien in die USA emigrieren und sich dort eine berufliche Existenz schaffen können. Von den USA aus bedrängten sie beiden verwitweten Alten, doch zivilrechtlich zu heiraten, was ihnen eine Einreise in die USA ermöglicht hätte. Henny Knurr, die eine streng orthodoxe Jüdin war, lehnte dies aus religiösen Gründen jedoch ab. Vielleicht trauten sich die beiden, inzwischen weit über 70 Jahre alt, einen Neuanfang in einem fernen fremden Land auch einfach nicht mehr zu. Vorerst fanden sie in Bremen in der Rüdesheimer Straße 21 bei der Familie von Henny Knurrs Nichte Anna eine neue Bleibe. Anna Grünberg war die Tochter von Henny Knurrs verstorbenem Bruder Martin, und auch Lippmann Knurr war über seine verstorbene Frau mit ihr verwandt.

Mit der Deportation der jungen Familie ins Ghetto Minsk im November 1941 verloren die beiden betagten Menschen ihren Zufluchtsort und ihre Versorgung. Im Januar 1942 mussten sie deshalb ins Jüdische Altersheim in Bremen-Gröpelingen ziehen, das zu diesem Zeitpunkt schon hoffnungslos überfüllt war. Im Frühjahr 1941 wurde Lippmann Knurr in einer Bremer Straßenbahn zum Opfer brutalster antisemitischer Gewalt, von der er sich nicht mehr erholte. Er starb im März 1942, als Todesursache wurde „Altersschwäche, Entkräftung“ angegeben. Lippmann Knurr wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Hastedt beigesetzt.

Henny Knurr wurde im Juli 1942 mit den verbliebenen Altersheimbewohnern nach Theresienstadt deportiert und von dort aus am 23 9.1943 weiter ins Vernichtungslager Treblinka, wo sie vermutlich am Ankunftstag ermordet wurde.

Für Henny Knurr ist ein Stolperstein in Aurich verlegt worden, der Stadt, die jahrzehntelang ihr Lebensmittelpunkt war. Eine ausführliche Biographie, die auch detaillierter über ihre Lebenszeit in Aurich berichtet, findet sich im Internet unter www.stolpersteineaurich.wordpress.com.

Christine Nitsche-Gleim (2023)

Informationsquellen:
StA Bremen Einwohnermeldekartei, Akte 4,60/5
www.stolpersteineaurich.wordpress.com/1913/06/30/henny-knurr-geb-bienheim
www.stolpersteineaurich.wordpress.com/1914/12/27/lippmann-knurr

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Judenvertreibung Ostfriesland / Oldenburg
Glossarbeitrag Theresienstadt