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Lieselotte Eilers, *1924

EINGEWIESEN 1941 NERVENKLINIK, ´VERLEGT` 9.12.1943 HEILANSTALT MESERITZ-OBRAWALDE
ERMORDET 19.2.1944


Pfarrfeldsweg 40a
Bremen-Obervieland
ehemalige Straßenbezeichnung: Horstedter Weg 2

Verlegedatum: 09.10.2023

Lieselotte Eilers

Lieselotte Eilers

Lieselotte (Liselotte) Eilers wurde am 13.10.1924 in Bremen geboren. Sie arbeitete als Haushaltsgehilfin. Ihr letzter Wohnort war in Habenhausen, im Horstedter Weg 2 (heute: Pfarrfeldsweg 40a).

Nach der Schule ging sie in Anstellung bei einem Gastwirt in Habenhausen und blieb dort für fast zwei Jahre bis zum Mai 1941. Bereits Anfang 1941 wurde deutlich, dass sie den Arbeitsplatz wechseln wollte. Ihr Arbeitgeber hatte sie sexuell missbraucht. In der Folge trat eine Veränderung ihrer Persönlichkeit zu Tage: Sie wurde „so komisch“, nachdenklich, „lachte öfters vor sich hin“ und zeigte Gedächtnisschwierigkeiten.

Nach einer Anstellung bei einem Rechtsanwalt ging sie 1941 zu einem älteren Bremer Ehepaar, um dort im Haushalt zu arbeiten. Ihr Arbeitgeber war Organist in einer Bremer Kirche. Lieselotte Eilers gab an, die Eheleute seien „nicht nett zu ihr gewesen“. Sie hätten eine sehr hohe Arbeitsleistung verlangt, was sie zunehmend erschöpfte. Sie beabsichtigte einen Arzt aufsuchen, doch die Eheleute hätten „ihr das verboten und das Haus abgeschlossen“. Daraufhin zerschlug sie die Scheibe des Windfangs und floh. Über ihre Schwester, die in der Nähe arbeitete, fand sie Unterkunft in der Fürsorge der Inneren Mission im Isenbergheim in der Kornstraße.

Am 10.12.1941 wurde sie aus dem Heim kommend in der Bremer Nervenklinik aufgenommen. Sie war von einer Fürsorgeschwester dorthin gebracht worden. Während der Aufnahme wurde festgestellt: „Sieht blühend aus. Ist orientiert“. Dennoch klagte sie über Schmerzen, die dazu führten, dass sie die Arbeit im Haushalt nicht mehr erledigen konnte. Sie war geschwächt und nahm wenig Anteil an ihrer Umgebung. Immer wieder gab sie an, dass sie die Belastung durch ihren Beruf nicht mehr tragen konnte. Es wurde eine Schizophrenie diagnostiziert.

In der Klinik wurde sie „faradisiert“, d.h. mit elektrischem Strom behandelt, eine damals durchaus gängige Behandlungsmethode, um ihre Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen. Sie litt an Schlaflosigkeit und erhielt Medikamente. Im Frühjahr 1942 wurde eine Cardiazol-Behandlung durchgeführt, in deren Folge ihre Wahnvorstellungen offenbar abnahmen. Doch gleichzeitig bewirkte die Behandlung, dass es für sie immer schwieriger wurde, ihre Gedanken zu ordnen. Dass die Symptome ihrer Krankheit nach dem sexuellen Übergriff durch ihren früheren Arbeitgeber erstmals in Erscheinung traten, wurde in der Klinik nicht thematisiert und auch nicht als Ursache oder Erklärung in Betracht gezogen.

Die Arbeit in der Klinik lehnte sie mehrfach ab und stellte sie auch ein. Sie entgegnete: „Ich bin krank, ich brauch‘ nicht zu arbeiten.“ Auch wenn sie später wieder an der Arbeit teilnahm, wurde in ihrer Krankenakte festgestellt: „Antrieb und Affektivität sind schwer gestört.“ Im August 1942 wurde festgehalten: „Ist auch wegen ihrer Zerfahrenheit u. Antriebsstörung zu keiner Arbeit recht zu gebraucht.“ In der Klinik sprach Lieselotte Eilers viel von ihrem Vater und wünschte sich Besuche.

Nach zwei Jahren Klinikaufenthalt wurde sie am 9.12.1943 mit einem Sammeltransport in die Heil- und Pflegeanstalt Meseritz-Obrawalde verlegt. Lieselotte Eilers starb am Morgen des 19.2.1944 in Meseritz-Obrawalde, angeblich an Schizophrenie und Hirnentzündung.

Jannik Sachweh (2023)

Informationsquellen:
Archiv Krankenhaus-Museum Bremen, Krankenakten 20153
StA Bremen Einwohnermeldekartei

Foto: Privatbesitz

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag "Heilanstalten"