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Biografie im Erinnerungsportal, kein Stolperstein vorhanden

Elsa Grünberg, *1889

1941 deportiert Ghetto Minsk, Ermordet


Biebricher Straße 7
Bremen-Neustadt

Elsa Grünberg


Familienbiographie
Adolf Grünberg
Goldine Grünberg, geb. Wallheimer
Elli Grünberg, geb. Wallheimer
Marianne Grünberg
Elsa Grünberg

Das Haus in der Biebricher Straße 7 in der Bremer Neustadt ließ der jüdische Kaufmann Adolf Grünberg in den 1920er Jahren für sich und seine Familie erbauen. Bis zu ihrer Vertreibung aus dem Haus im November 1941 lebten dort drei Generationen der Familie unter einem Dach: Adolf Grünberg und seine Frau Elli mit der gemeinsamen Tochter Goldy, seine verwitwete Mutter Goldine, sowie seine unverheirateten Schwestern Elsa und Marianne, letztere nur für zwei Monate im Jahr 1941.

Zu den einzelnen Familienmitgliedern: Goldine Grünberg wurde am 13.4.1858 in Aurich als Tochter von Wolff Benjamin Wallheimer und seiner Frau Engel, geb. Wolff in die ostfriesische Viehhändlerfamilie Wallheimer hineingeboren, sie wuchs dort als ältestes Kind mit einer Schwester und drei Brüdern auf, der jüngste Bruder starb noch im Säuglingsalter. 1886 heiratete sie in ihrer Heimatstadt Aurich den Produktenhändler Joseph Grünberg aus der emsländischen Kleinstadt Weener. In Weener wurden auch die beiden ältesten Kinder des Paares geboren: Marianne am 21.1.1897 und Wolff-Joseph am 6.2 .1888. Wie seine jüngeren Brüder Nathan und Adolf siedelte sich auch Goldines Mann Joseph Ende des 19. Jahrhunderts als Produktenhändler in der Bremer Neustadt an. Dort kamen die weiteren Kinder der Familie zur Welt: Elsa am 27.5. 1889 , Adolf am 29.12. 1898 und Hermann am 20.4.1890. Zwei weitere Kinder der Familie erreichten das Erwachsenenalter nicht.

Die Familie lebte zunächst in Walle in der Nordstraße 210. Im Jahr 1904 erwarb Joseph Grünberg dann in der Neustadt ein Wohn- und Geschäftshaus in der Großen Johannisstraße 85/87. Zu diesem Zeitpunkt hatte er sich schon auf den Handel mit Flaschen und Altglas spezialisiert. Seine drei Söhne stiegen in den väterlichen Betrieb ein und übernahmen diesen nach dem Tod des Vaters im Jahre 1919 zu gleichen Anteilen.

1925 heiratete Goldine Grünbergs jüngster Sohn Adolf in Aurich Elli Wallheimer, eine Kusine mütterlicherseits, Tochter seines Onkels Samuel Wallheimer seiner Frau Jeanette, geb. Samson. Im Sommer 1925 bezog das Paar gemeinsam mit Adolfs Mutter Goldine und seiner Schwester Elsa das neugebaute Haus in der Biebricher Straße. Ihr Haus in der Großen Johannisstraße 85 vermietete Goldine Grünberg.

Am 30.3.1927 wurde Goldy, das einzige Kind von Adolf und Elli Grünberg geboren.

Für Ella und Elsa Grünberg finden sich in den hiesigen Archivunterlagen keine Angaben über eine Berufsausbildung und/oder berufliche Tätigkeit. Ella lebte Zeit ihres Lebens in der Bremer Neustadt. Es ist anzunehmen, dass sie wie damals üblich im Familienbetrieb und im Haushalt ihres Bruders mitgearbeitet hat.

Adolf Grünbergs älteste Schwester Marianne Grünberg, gen. Minna, war schon im Sommer 1910 aus Bremen fortgezogen. Aus den wegen Kriegseinwirkungen nur unvollständig erhaltenen Meldeunterlagen der Stadt Frankfurt am Main lässt sich rekonstruieren, dass sie vor 1928 schon in Frankfurt ansässig war, und ab 1928 als Untermieterin in der Neuhausstraße 13 wohnte. Als ihren Beruf hatte sie im Hausstandsbuch Verkäuferin eintragen lassen.

Die OHG Flaschen und Produkthandel Joseph Grünberg wurde 1927 um zusätzliche Lagerfläche an der Industriestraße 39 am südlichen Rand der Bremer Neustadt erweitert und 1930 verlegte man die Geschäftsräume an den Neustadtswall 27c. Die weitere wirtschaftliche Erweiterung des Familienbetriebes wurde mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten beendet.

In der Reichspogromnacht 1938 wurden sowohl das Wohnhaus als auch die Lagerräume der Firma zum Teil zerstört und das Inventar geplündert. Wie seine Brüder wurde auch Adolf Grünberg in der Pogromnacht verhaftet und ins Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert. Die drei Brüder waren schließlich zur Geschäftsaufgabe gezwungen. Am 27.1.1939 wurde der Betrieb „arisiert“.

Nach der Aufgabe ihres Viehhandelsbetriebes in Aurich zogen Ende 1939 Goldines Schwester Minna, gen. Minkel, Wallheimer und ihr Bruder Calmer Wallheimer mit seine Frau Julie gemeinsam nach Bremen. Sie fanden in der Biebricher Straße 7 Zuflucht.

Goldy Grünberg starb am 23.2.1940 im Alter von 12 Jahren im Willehadhaus (heute Rotkreuzkrankenhaus) an einem Herzleiden , möglicherweise nach längerer Krankheit: im Sterberegister des Standesamtes Bremen-Mitte wurde “Encarditis lenta“ als Todesursache eingetragen.

Am 2.9.1941, zweieinhalb Monate vor der Deportation der Bremer Juden nach Minsk, kehrte Marianne Grünberg aus Frankfurt nach Bremen zurück zu ihrer Familie in die Biebricher Straße 7. Einen Monat zuvor war bereits ein Untermieter, der aus Hamburg zugezogene Lehrer Alfred Seligmann, aufgenommen worden.

Marianne, Adolf, Elli und Elsa Grünberg wurden am 18.11.1941 ins Ghetto Minsk verschleppt. Mit dem selben Transport wurden auch Adolf Grünbergs Bruder Wolff-Joseph mit seiner Familie, der Sohn seines Bruders Hermann sowie zwei der Kinder seines Onkels Adolf mit ihren Familien deportiert*. Alle kamen in Minsk um: wie fast alle Bremer Juden dieses Transportes fielen sie den Entbehrungen im Ghetto oder einer der Massenmordaktionen zum Opfer, die dort im Juli 1942 einsetzten.

Das Grundstück in der Biebricher Straße war noch am Tag der Deportation von der Gestapo beschlagnahmt und dann von der Oberfinanzdirektion Weser-Ems zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen worden. Mobiliar, Hausrat und Bekleidung der Familie wurden beschlagnahmt und später versteigert.

Goldine Grünberg, Minna Walleimer, Calmer und Julie Wallheimer, die aus Altersgründen von der Deportierung noch verschont geblieben waren, mussten das Haus in der Biebricher Straße verlassen und in Goldines Haus in der Großen Johannisstraße 85/87 ziehen, das inzwischen zum „Judenhaus“ geworden war. Das nun gänzlich geräumte Haus in der Biebricher Straße – auch der Untermieter Alfred Seligmann war nach Minsk deportiert worden – wurde ab März 1942 vermietet, die Mieteinnahmen gingen an die Oberfinanzdirektion Weser-Ems.

Goldine Grünberg wurde Opfer der sogenannten Altersdeportation ins Ghetto Theresienstadt am 23.7.1942. Sie starb dort unmittelbar nach der Ankunft am 25.7.1942. Ihr Bruder und seine gingen Frau gingen nur wenig später an den unmenschlichen Lebensbedingungen im Ghetto zugrunde. Einzig ihre Schwester Minkel konnte aus Theresienstadt befreit werden.

Das Schicksal von Elli Grünbergs Schwester Eva, verh. Wienskowitz und ihrem Mann ist unbekannt, sie wurden 1948 für tot erklärt.

Im November 2026 werden für einige Familienmitglieder in der Biebricher Straße 7 Stolpersteine verlegt werden.

Christine Nitsche-Gleim (2025)

*Siehe auch die Familienbiographien Wolff Joseph, Anna und Eva Grünberg; Frieda, Moses, Ruth und Mary Cohen; Hugo und Käthe Grünberg sowie die Biographie Hermann Grünberg in diesem Portal

Informationsquellen:
StA Bremen, Einwohnermeldekartei, Akten 4,54-RA 2198, 4,54 RA 2123, 4,54-Ra40, 4,54-Ra51, 4,54-Ra53 4,54-E4768, 4,54-E4770, 4,54- E4771, 4,54-E10129, 4,74/5-54274, 42/3-44, Nr. 306 und 308, 4,60/5-7057, Nr. 982
Institut für Stadtgeschichte Frankfurt/Main : A.12.03, Hausstandsbuch Nr. 416
HHStA Wiesbaden, Bestand 676 Nr. 7328 und Bestand 519/3 Nr. 2471
Balz,Hanno: Die „Arisierung“ von jüdischem Haus und Grundbesitz in Bremen, Bremen 2004
Renemann, Kornelia: Jüdische Produktenhändler in Bremen, in: Christoffersen, Peter/Johr, Barbara (Hrsg.): Stolpersteine in Bremen, Neustadt, Bremen 2020, S.54-67

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Minsk
Glossarbeitrag Theresienstadt
Glossarbeitrag "Judenhäuser"