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Glossar

Haftstätten in Bremen

Zuchthaus Oslebshausen
Gefangenenhaus Ostertorwache
Untersuchungsgefängnis
Konzentrationslager Mißler
Konzentrationslager Ochtumsand
Gosselhaus
Sonstige

Zuchthaus Oslebshausen
Die Straf- und Justizvollzugsanstalt in Oslebshausen wurde als Zuchthaus nach Plänen von Alexander Schröder im neugotischen Stil von 1871 bis 1874 errichtet. Um 1935 war hier Platz für 892 Gefangene. Die tatsächliche Belegung, insbesondere in den Kriegsjahren, war wesentlich höher und lag zwischen 1.300 und 1.400 Personen. Am Morgen nach der Novemberpogromnacht 1938 mussten 178 jüdische Männer mitten durch die Stadt zum Zuchthaus Oslebshausen marschieren. Von dort wurden sie am 11.11.1938 in das Konzentrationslager Sachsenhausen bei Oranienburg deportiert. Ab 1940 kamen Zuchthausgefangene aus den Emslandlagern hinzu (insgesamt 1.585), die bei Bunkerbauten und in der Kriegsindustrie eingesetzt wurden. Vom 30.1.1933 bis zum 18.5.1945 waren hier insgesamt 857 politische Häftlinge inhaftiert. Zahlreiche Gefangene wurden in diverse Konzentrationslager verlegt, größtenteils nach Neuengamme. Am 9.5.1944 gab es einen Abtransport mit 14 Häftlingen nach Buchenwald. Das Zuchthaus besaß keine Luftschutzräume für die Gefangenen. Es wurde am 26.4./27.4.45 von den einmarschierenden Briten übernommen. Alle politischen Gefangenen wurden am 25.5.1945 entlassen.
1936 wurden zwei Außenlager eingerichtet. In Oldenbrook und Strückhausen, einem Moorgebiet im Stedingerland. Jedes Lager war mit durchschnittlich 80 Gefangenen belegt, die in der Torfindustrie arbeiten mussten. Ab 1940 wurde das Außenlager Neuenlander Feld eröffnet. Es war für 750 Häftlinge ausgerichtet, die im Flugplatzbau eingesetzt wurden.

Gefangenenhaus Ostertorwache
Das Gefangenenhaus Ostertorwache wurde 1823 nach Plänen von Friedrich Moritz Stamm als klassizistisches Torhausensemble als Wach- und Detentionsgebäude erbaut. Im Gefangenenhaus gab es Einzelzellen, Zellen für zwei, sechs und acht Häftlinge sowie die Kellerräume. Die normale Belegungsfähigkeit wurde 1935 behördlicherseits mit 153 Personen angegeben. Doch schon wenige Tage nach der Machtergreifung war das Gefangenenhaus im März 1933 mit 228 internierten Personen überbelegt. Im Jahre 1944 betrugen die Belegungszahlen sogar zeitweise bis zu 260 Männern und 98 Frauen, darunter auch viele ausländische Zwangsarbeiter. Vor allem Kommunisten und Sozialdemokraten gehörten in den Anfängen der NS-Herrschaft neben anderen Verfolgten zu den hier Inhaftierten. Während des Krieges saßen vor allem Zwangsarbeiter ein. Die Ostertorwache blieb während der nationalsozialistischen Herrschaft weiterhin ein Polizeigefängnis. Sie wurde aber auch von der Gestapo, deren Dienststelle nur wenige hundert Meter von dem Gefangenenhaus entfernt war, mit Gefangenen belegt.
1993 entschied der Senat, hier eine Gedenkstätte einzurichten. Das Staatsarchiv Bremen ist Träger der historischen Dokumentationsstätte Gefangenenhaus Ostertorwache, die 1999 eröffnet wurde.

Untersuchungsgefängnis
Das Untersuchungsgefängnis befand sich im sogenannten Alten Gerichtshaus zwischen Buchtstraße, Violenstraße und Ostertorstraße unweit des Gestapo-Gebäudes Am Wall 199.
Ab 1940 bekam es die Bezeichnung „Gerichtsgefängnis Stadt“. Es hatte offiziell 1935 eine Kapazität von 207 Belegungsplätzen. Doch bereits im selben Jahr war es zeitweise mit 385 Häftlingen überbelegt. Das Untersuchungsgefängnis befindet sich heute in Oslebshausen.

Konzentrationslager Mißler
Das KZ Mißler war ein frühes Konzentrationslager, das Ende März 1933 in den ehemaligen Auswandererhallen der Auswandereragentur Friedrich Mißler im Bremer Stadtteil Findorff, angelegt worden war. Zunächst wurden hier 148 Häftlinge, in erster Linie verfolgte Kommunisten, in „Schutzhaft“ festgehalten; später erhöhte sich die Belegungszahl bis auf 300. Das Lager wurde bereits im September 1933 wieder aufgelöst.

Konzentrationslager Ochtumsand
Nach der Auflösung des Konzentrationslagers Mißler wurde am 13.9.1933 auf einem Schleppkahn des Norddeutschen Lloyd in der Ochtummündung ein neues Lager eingerichtet. Der Kahn wurde vom Bremer Senat angemietet. Hierher wurden die als harmloser eingeschätzten Gefangenen von Mißler überführt. Zu ihnen gehörte u.a. auch der Reichstagsabgeordnete der SPD und Chefredakteur der "Bremer Volkszeitung" Alfred Faust. Die Häftlinge arbeiteten auf dem nahen Spülfeld Ochtumsand, daher der Name.
Ungefähr einhundert Gefangene wurden in zwei Räumen zusammengepfercht. Auf der Reling des Kahns war ein mannshoher Stacheldraht angebracht. 30 SA Männer und drei Polizisten waren zur Bewachung abgestellt. Bei kleinsten Vergehen kam es zu Misshandlungen. Am 15. Mai 1934 wurde das Lager wieder geschlossen. Die Gefangenen wurden auf das Ostertorgefängnis, das Untersuchungsgefängnis und das Konzentrationslager Langlütjen II in der Wesermündung aufgeteilt.

Gosselhaus
Keine Haftstätte im engeren Sinne, aber dennoch im NS-Terrorsystem eingebunden, war das sog. Gosselhaus am Buntentorsteinweg. Das „Rote Haus" hatte zuvor der KPD als Parteihaus gedient. Am 13.4.1933 wurde es offiziell der SA übergeben. Johann Gossel war ein SA-Mann, der in einer Schlägerei mit den Kommunisten 1931 zu Tode gekommen war. Im Auftrag der Gestapo folterte und prügelte die SA hier politische Gefangene. Sie erhielt Rückendeckung vom Innensenator Laue, der im Juni 1933 verfügte, dass alle Personen, die künftig wegen staatsfeindlicher Betätigung festgenommen werden, einem „nationalen Verband" (gemeint war die SA) überstellt werden sollten. Geständnisse, die nicht erreicht werden konnten, sollten durch Schläger erpresst werden. Die Verfügung wurde in der Presse veröffentlicht. Schutzhafthäftlinge wurden von der Gestapo zur „Sonderbehandlung" in das Gosselhaus gebracht. Es gibt zahlreiche Zeugenaussagen, die über die dort erlittenen Torturen Bericht abgegeben haben.

Sonstige
Neben den Haftstätten der Polizeiorgane hat es zu Kriegsende über 200 Lager in Bremen gegeben, in denen über 30.000 Fremdarbeiter untergebracht waren. Sofern sie nicht bei der Beseitigung von Kriegsschäden eingesetzt waren, beschäftigten nahezu alle größeren Betriebe in der Stadt ausländische Zwangsarbeiter.


Quellen / Weitere Informationen:
Herbert Schwarzwälder, Geschichte der Freien Hansestadt Bremen, Band IV: Bremen in der NS-Zeit (1933-1945), Bremen 1985

Hans-Joachim Kruse, Zur Geschichte des Bremer Gefängniswesens, Band III: Das Bremer Gefängniswesen im 3. Reich, Norderstedt 2004

Susanne Engelbertz, Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945, Band 6: Frankfurt/M 1992

Die weiße Wache, hier: Dieter Fricke, »...musterhaft, die Reinlichkeit, tadellos« - Das Gefangenenhaus am Ostertor zu Bremen, Delmenhorst 1998

Polizei.Gewalt, Bremens Polizei im Nationalsozialismus, Ausstellungskatalog 2011

Benz u.a. (Hg.) Der Ort des Terrors: Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, Band 2, Seite 79/80 (Ochtumsand), München 2005

http://www.erinnernfuerdiezukunft.de/doku/geschi.htm (Dokumentationsstätte Gefangenenhaus Ostertorwache)

http://www.gedenkstaettenforum.de/nc/gedenkstaetten-rundbrief/rundbrief/news/die_dokumentationsstaette_gefangenenhaus_ostertorwache_in_bremen/ (Martin Engelking, Die Dokumentationsstätte »Gefangenenhaus Ostertorwache« in Bremen)

Liste der im KZ Ochtumsand Inhaftierten:

http://spurensuche-bremen.de/wp-content/uploads/2010/09/1933-im-KZ-Ochtumsand-Inhaftierte.pdf


Peter Christoffersen (2011)


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