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Glossar

Sinti und Roma

Verfolgung oder Diskriminierung der Sinti und Roma ist bereits seit dem Mittelalter nachzuweisen und durchzieht die Jahrhunderte. Erst unter der nationalsozialistischen Herrschaft führte sie zu systematischer Vernichtung. 1938 wurde eine „Reichszentrale zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens“ gebildet. Sie unterstand dem Reichskriminalpolizeiamt. Am 8.12.1938 verfügte Himmler, dass die „Regelung der Zigeunerfrage aus dem Wesen dieser Rasse heraus“ erfolgen müsse. Ghettoisierung, Verhaftungen als „Asoziale“ und „Arbeitsscheue“, Deportationen, Massenexekutionen in den besetzten Gebieten und die systematische Ermordung insbesondere in Auschwitz-Birkenau waren die Stationen der NS-Verfolgung.
Nach Auschwitz-Birkenau, wo ein „Familienlager für Zigeuner“ eingerichtet war, erfolgten die Deportationen ab März 1943. Dort wurden mindestens 17.000 Menschen umgebracht. Die Gesamtzahl der ermordeten Sinti und Roma ist nicht zu bestimmen. Nachweisbar sind etwa 200.000 Opfer, die Schätzungen reichen jedoch bis über 500.000.
In Bremen wurde – wie überall im Reich – bei jeder Kriminalpolizeitleitstelle eine „Dienststelle für Zigeunerfragen“ eingerichtet. Hier wurden die Sinti und Roma registriert und erkennungsdienstlich erfasst. Die Unterlagen wurden der Reichszentrale in Berlin übersandt.
Die erste Verhaftungswelle fand 1938 im Rahmen der Aktion „Arbeitsscheu Reich“ statt. In Bremen wurden „116 Asoziale bzw. Arbeitsscheue und 13 Juden“ festgenommen. Darunter waren auch Sinti und Roma, wie viele ist aber nicht bekannt.
Mitte Mai organisierte die Kripoleitstelle Bremen den ersten Transport für die Deportation nach Auschwitz. Die aus ihrem Bezirk Verhafteten wurden im Schützenhof in Gröpelingen, Bromberger Straße 117, gesammelt und am 16.5.1940 nach Hamburg überführt. Aus Hamburg und Bremen waren insgesamt 1.000 „Zigeuner“ angefordert. Nach den erhalten gebliebenen Listen aus den anderen Städten können 868 Personen bestimmt werden. Ob die restlichen 132 aus Bremen kamen, ist möglich, lässt sich aber nicht nachweisen. Die Deportation ging von Hamburg nach Polen, dort wurden sie in verschiedene Konzentrationslager eingewiesen.
Mit dem sog. „Auschwitz-Erlass“ Himmlers vom 16.12.1942 begann die Endphase des Völkermords an den Sinti und Roma. In Bremen erfolgten die Verhaftungen am 8.3.1943. Aus dem Bereich der Kripoleitstelle wurden mindestens 275 Personen verhaftet, davon vermutlich 150 aus Bremen, und auf dem Gelände des Bremer Schlachthofs gesammelt. Ab dem 9.3.1943 wurden die Verhafteten in drei Transporten nach Auschwitz deportiert. Die Anzahl der Überlebenden ist nicht bekannt.
Die nach dieser Deportation noch in Bremen lebenden Sinti und Roma, überwiegend die mit „Ariern“ verheirateten, sollten zwangssterilisiert werden. Sie wurden bei der Kripo vorgeladen und vor die Alternative „freiwillige“ Sterilisierung oder Deportation nach Auschwitz gestellt. Auch hier ist keine genaue Anzahl bekannt. Über acht Betroffene sind jedoch Akten erhalten.


Quellen / Weitere Informationen:
Benz, Wolfgang (Hg.), Lexikon des Holocaust, München 2002

Hesse, Hans u. Jens Schreiber, Vom Schlachthof nach Auschwitz: Die NS-Verfolgung der Sinti und Roma aus Bremen, Bremerhaven und Nordwestdeutschland, Marburg 1999

Artikel „Lager für Sinti und Roma“ bei http://www.bundesarchiv.de/zwangsarbeit/haftstaetten/index.php?tab=26


Peter Christoffersen (2011)


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