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Berta Wüstenbecker, geb. Sprei, *1898

deportiert 1941
ermordet in Minsk


Rembrandtstr. 25
Bremen-Schwachhausen


Rembrandtstr. 25 - Weitere Stolpersteine:


Berta Wüstenbecker

geb. 17.8.1898 in Wisnicz

„Meine Mutter war nach Bremen gezogen, um gemeinsam mit meinem Bruder deportiert zu werden“, so Berta Wüstenbeckers Sohn Kurt Feiczewicz.

Berta Wüstenbecker war die Tochter von Heinrich Sprei und Lotti, geb. Sprei. Ihre Eltern hatten ein Pelzwarengeschäft in der Ansgaritorstraße 5. Ihre Mutter starb 1930 und ihr Vater 1931 in Bremen. Der Grabstein ist auf dem jüdischen Friedhof in Bremen-Hastedt erhalten geblieben. Das Ehepaar hatte fünf Kinder: Salomon (geb. 1890 in Wisnicz), Eidel gen. Elsa (geb. 1900 in Wisnicz), Jacob (geb. 1902 in Bremen), Adolf (geb. 1906 in Bremen) und Berta, die am 17.8.1898 in Wisnicz geboren wurde. Die Einwohnermeldekarte führt ihren Vornamen mit Bründel gen. Bertha.

Am 6.11.1919 heiratete Bertha Julius Feiczewicz (geb. 1888 in Strojestie/Bukowina) in Bremen. Er besaß die rumänische Staatsangehörigkeit, die sie gleichfalls durch die Eheschließung erwarb. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor: Kurt (geb. 31.5.1920 in Bremen) und Rolf (geb. 27.12.1921 in Bremen). Die Familie wohnte bis 1928 in der Ansgaritorstraße 5, der Wohnung ihrer Eltern.

Ihr Ehemann war ab 1920 mit einer Bilderrahmenfabrik in Bremen im Schüsselkorb 17/18 gemeldet. Ab 1929 war der Betrieb in Schierbrok (Ganderkesee) und ab 1930, nach dem Erwerb des Hauses Hankenstraße 21/22, dort verzeichnet. Julius Feiczewicz war anfangs erfolgreich mit seinem Betrieb und brachte es zu relativem Wohlstand, den er aber nicht zu halten vermochte. Vermutlich übernahm der Prokurist der Firma, Karl Wüstenbecker, unter nicht bekannten Umständen den Betrieb. Von 1930-1932 war Feiczewicz hieran zu 25 % als Mitinhaber beteiligt. In der Zeit war sein Einkommen gering.

Am 17.2.1933 verstarb er an Tuberkulose und hinterließ seiner Frau erhebliche Schulden, die sie veranlassten, die Erbschaft auszuschlagen. Seit Oktober 1932 hatte die Familie in der Bismarckstraße 70 gewohnt. Im Oktober 1933 zog die verwitwete Berta zunächst in die Parkallee 25, danach lebte sie von 1934-1938 in der Contrescarpe 121. Wohnungseigentümer war die Fa. Telefunken. Berta teilte sich die Wohnung mit ihren Geschwistern Elsa und Adolf. Am 8.7.1938 meldete sie sich nach Hamburg ab.

Dort heiratete sie am 20.7.1938 Gustav Wustenbecker (geb. 1891 in Bremen), den Bruder Karl Wüstenbeckers. Er war im Mai 1936 aus den USA zurückgekehrt, hatte seinen Namen amerikanisiert und war im Geschäft seines Bruders tätig. Wustenbecker war bereits vor 1917 in die USA ausgewandert, hatte die amerikanische Staatsangehörigkeit angenommen und war seit 1917 in Waco/Texas verheiratet gewesen. Diese Ehe wurde 1929 geschieden.

Durch die Eheschließung erwarb Berta Wustenbecker die US-Staatsangehörigkeit nicht, wie fälschlicherweise auf ihrer Einwohnermeldekarte vermerkt ist. Da ihr die rumänische Staatsangehörigkeit im Juli 1938 entzogen worden war, galt sie als staatenlos. Der Hintergrund war eine antisemitisch geprägte Änderung des rumänischen Staatsbürgerschaftsrechts, die einen automatischen Verlust der Staatsangehörigkeit nach zehnjähriger Abwesenheit im Ausland vorsah. Im Deutschen Reich geschah dies im Zuge eines Erlasses des Reichsführers SS durch das Ausländeramt. Desgleichen lautete ihr Familienname nun – entgegen dem Eintrag auf der Einwohnermeldekarte – Wustenbecker, da ihr Ehemann ja seinen Namen in den USA geändert hatte.

Gustav Wustenbecker verließ unmittelbar nach der Eheschließung Hamburg und traf am 5.8.1938 in New York ein. Als Familienstand gab er bei seiner Ankunft verheiratet an. Seinem Bruder zufolge wollte er Frau und Stiefsöhne in die USA nachholen. Bis zum Kriegsbeginn soll er Unterhaltszahlungen an seine Familie geleistet haben. Im Januar 1940 heiratete er in Lake/Indiana erneut. Über eine vorherige Scheidung geben die deutschen Unterlagen keine Auskunft. Er verstarb 1947 in Chicago. Berta Wustenbecker verblieb zunächst in Hamburg. Ab November 1939 war sie als Hausangestellte bei Aron Levy gegen ein Monatsgehalt von 40 RM beschäftigt, wo sie auch zur Untermiete wohnte.

Ihr Sohn Kurt hatte in Hamburg eine eigene Unterkunft. Am 13.11.1941 kam sie wieder nach Bremen zurück, wo sie im „Judenhaus“ in der Rembrandtstraße 25 Unterkunft bei ihrem Sohn Rolf fand. Ihm war zu dem Zeitpunkt bereits bekannt, dass er „in den Osten umgesiedelt“ werden sollte. Kurt sagte nach dem Krieg aus, sie sei zurückgekommen, um ihn aus eigenem Entschluss in die Deportation zu begleiten. Rechtlich war sie zu diesem Zeitpunkt noch durch ihre „privilegierte Mischehe“ mit dem nichtjüdischen Gustav Wustenbecker vor einer Deportation geschützt. Im Gegensatz zu allen anderen nach Minsk Deportierten trägt ihre Einwohnermeldekarte den Vermerk „In den Osten abgeschoben“, sonst war „evakuiert“ üblich.

Berta Wustenbecker, ihr Sohn Rolf Feiczewicz sowie alle anderen Bewohner des „Judenhauses“ Rembrandtstraße 25 wurden am 18.11.1941 in das Ghetto Minsk deportiert. Sie wurden ermordet: Sofern sie nicht den unmenschlichen Lebensbedingungen im Ghetto erlagen, fielen sie einer der Massenmordaktionen zum Opfer, die Ende Juli 1942 begannen.

Kurt Feiczewicz, ihr ältester Sohn, hatte bis 1935 die Realschule in der Altstadt (Sögestraße) besucht. Nach massiven Anfeindungen durch Mitschüler nahm seine Mutter ihn von der Schule. Er verließ Bremen am 1.4.1938 zunächst mit dem Ziel Berlin, lebte dann ab dem 1.7.1938 in Hamburg. Von September 1939 bis Februar 1940 war er zu Zwangsarbeiten in einem Lager in Fürstenwalde bei Berlin verpflichtet, wobei er sich erhebliche Gesundheitsschäden zuzog. Während der Zeit erhielt er ein Einreisevisum für die USA.

Im März 1940 konnte er über Rotterdam und Antwerpen Europa verlassen. Die Passage wurde von seinem Onkel Adolf finanziert, der inzwischen in New York lebte; am 1.4.1940 traf er dort ein. Ab 1947 lebte er in Kalifornien. Er änderte seinen Namen in Kurt von Zartwitz, in Anlehnung an einen gleichnamigen Grundbesitz seines Vaters bei Neustrelitz.

1949 heiratete er in Los Angeles und verstarb dort 1965 an den Folgen eines Unfalls. Berta Wustenbeckers Schwester Elsa Sprei, von Hamburg in das Ghetto Lodz deportiert, starb dort 1941; ihr Bruder Jacob starb am 25.9.1942 im KZ Auschwitz; ihr Neffe Herbert Sprei wurde am 26.10.1942 gleichfalls in Auschwitz ermordet, nachdem er aus dem KZ Sachsenhausen dorthin überstellt worden war. Ihr jüngster Bruder Adolf (später A. Henry Sprey), Rechtsanwalt von Beruf, emigrierte 1938 in die USA; ihr ältester Bruder Salomon mit Ehefrau Emma konnten mit ihrem jüngsten Sohn 1938 nach Argentinien fliehen.

Peter Christoffersen (2017)

Informationsquellen:
StA Bremen 4,54-E10943, 4,54-E10944, 4,54-Rü6268, 4,66 I-12628, Einwohnermeldekartei
StA Hamburg 351-11_21075, 351-11_44016
Gesetze über Fragen der Staatsangehörigkeit seit 1939 (Makarov), in: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Band 11/1942, S. 199 f.

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag "Judenhäuser"
Glossarbeitrag Minsk