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Ida Cohen, geb. de Haas, *1917

DEPORTIERT 1941, MINSK,
ERMORDET


Bürgermeister-Deichmann-Straße 65
Bremen-Walle
ehemalige Straßenbezeichnung: Wartburgstraße 31/33

Verlegedatum: 20.09.2018


Bürgermeister-Deichmann-Straße 65 - Weitere Stolpersteine:


Ida Cohen


Familienbiografie
Helmut Cohen
Ida Cohen, geb. de Haas
Joel-Denny Cohen

Helmut Cohen wurde am 30.12.1913 als Sohn des Viehhändlers Ernst Cohen (geb. 1885 in Wittmund – siehe Personenregister) und seiner Frau Henny, geb. Fink (geb. 1891 in Delmenhorst) geboren. Sein Vater gehörte zu den wohlhabenderen Bürgern der Stadt, und Helmut wuchs dort in wirtschaftlich gesicherten Verhältnissen auf, zunächst in der Cramerstraße, später in der Mühlenstraße. Als er sieben Jahre alt war, starb seine Mutter. Nach der Wiederverheiratung des Vaters mit Clara Pinter (geb. 1898 in Jemgum) wurde 1923 sein Bruder Adolf (siehe Personenregister) geboren.

Helmut absolvierte nach dem Besuch der Oberrealschule in Delmenhorst von 1929 bis 1932 eine Lehre beim Viehhändler Adolf Jakobs in Oldenburg. Nach Beendigung seiner Lehrzeit kehrte er nach Delmenhorst zurück und arbeitete im väterlichen Geschäft. Unmittelbar vor Erlass der „Nürnberger Gesetze“ wurde er wegen des Kontakts zu einem nichtjüdischen Mädchen wegen „Rassenschande“ inhaftiert. Da dies im August 1935 noch kein Straftatbestand war, wurde er bald wieder entlassen.

Ida Cohen wuchs ebenfalls in Delmenhorst auf, wohin ihre Eltern Bernadine de Haas, geb. Heyersberg (geb.1881 in Bremen) und der Vieh- und Produktenhändler Iwan de Haas (geb.1877 in Wildeshausen) am Ende des Ersten Weltkrieges von Wildeshausen –von wo die Familie väterlicherseits stammte – gezogen waren. Sie kam dort 1917 als mittleres Kind einer kinderreichen Familie zur Welt. Die Arbeit des Vaters konnte die große Familie kaum unterhalten; spätestens seit der Weltwirtschaftskrise hatte Iwan de Haas offenbar keine selbstständige berufliche Existenz mehr. Ida und ihre Geschwister mussten daher in sehr beengten Wohnverhältnissen leben, zunächst in der Berliner Straße, ab 1930 dann auf 35 qm in einer „Notwohnung für wirtschaftlich schlecht gestellte Familien“ am Bahnweg. Eine Berufsausbildung konnte Iwan de Haas seinen Kindern nicht ermöglichen. Die Töchter der Familie de Haas wurden daher nach Erfüllung ihrer Schulpflicht gegen freie Kost, Logis und ein Taschengeld „in Stellung“ gegeben. Ida Cohen arbeitete aber nicht nur als Hausgehilfin, sondern eine Zeit lang auch im Kaufhaus Bamberger, bis ihr dies wegen der „Arisierung“ des Unternehmens nicht mehr möglich war.

Zum ersten Mal in Bremen gemeldet war Ida Cohen von April 1935 bis Dezember 1936 in der Admiralstraße 23 in Findorff, wo sie in der Familie der Schwester ihres Vaters, der begüterten Kaufmannsfrau Minna Renberg, lebte. Dort unterstützte sie diese im Haushalt, wie vor ihr schon die anderen de Haas-Töchter, bis sie wieder zu ihren Eltern nach Delmenhorst zurückkehrte.

Der Viehhandel von Ernst und Helmut Cohen war in Delmenhorst zwar als einer von insgesamt elf jüdischen Betrieben registriert, die im Sommer 1938 dort noch existierten, warf aber aufgrund der nationalsozialistischen Boykottpolitik kaum noch Ertrag ab. Deshalb musste Helmut Cohen sich im Januar 1938 in Bremen als Hausdiener im „Hotel zum Falken“ in der Bahnhofsvorstadt verdingen.

Am 28.6.1938 heirateten Helmut Cohen und Ida de Haas in Delmenhorst. Für kurze Zeit waren sie in Oldenburg gemeldet, kehrten aber schon bald zurück zu Helmut Cohens Familie nach Delmenhorst in die Mühlenstraße 86, wo heute Stolpersteine an beide erinnern. Im Oktober 1938 zogen sie nach Bremen, wo sie zunächst für zwei Monate bei den Verwandten in der Admiralstraße 23 unterkommen konnten.

In der Reichspogromnacht vom 9./10. November 1938 wurde Helmut Cohen verhaftet und anschließend bis Januar 1939 im Konzentrationslager Sachsenhausen inhaftiert. Nach seiner Rückkehr zogen Ida und Helmut Cohen im Februar 1939 nach Utbremen und schließlich dann im April 1939 nach Walle in die Wartburgstraße 31/33 (heute Bürgermeister- Deichmann-Straße 65). Hier kam am 19.5.1939 ihr Sohn Joel-Denny zur Welt. Mit ihrem zweijährigen Sohn und weiteren Familienangehörigen aus dem Landkreis Oldenburg, die in Bremen Zuflucht gefunden hatten, wurden Helmut und Ida Cohen am 18.11. 1941 ins Ghetto Minsk deportiert, wo sie alle, Sofern sie nicht schon zuvor den Entbehrungen erlagen, den Ende Juli 1942 einsetzenden Massenmordaktionen zum Opfer fielen.

Christine Nitsche-Gleim (2019)

Informationsquellen:
StA Bremen 4,54-E11619, 4,54-E11690, 4,54-E11688, 4,54-E11916, 4,54-E 116689, 4,54-E11691, 4,54-E11692,
4,54-Rü 5629, 4,42/3-46, Einwohnermeldekartei
Familiendatenbank Juden im Deutschen Reich
Meiners, Werner: Geschichte der Juden in Wildeshausen, Oldenburg 1988
Meyer, Enno: Geschichte der Delmenhorster Juden, Oldenburger Studien Bd. 26, Oldenburg 1985
Paulsen, Jörg: Erinnerungsbuch. Ein Verzeichnis der von der nationalsozialistischen Verfolgung betroffenen Einwohner
der Stadt Oldenburg, Bremen 2001

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Minsk