Sie befinden sich hier | Kapitelüberschrift  Stolpersteine Biografie
Schriftgroesse verkleinern Schriftgroesse normal Schriftgroesse vergrössern
Diese Seite ausdrucken

Wilhelm Wilkens, *1906

EINGEWIESEN 1940 BREMER NERVENKLINIK, „VERLEGT“ 14.8.1942 HEILANSTALT HADAMAR
ERMORDET 23.8.1942


Wähmannstraße 30
Bremen-Neustadt

Verlegedatum: 13.10.2020

Wilhelm Wilkens


Wilhelm Wilkens wurde 1906 in Habenhausen geboren. Etwa 1910 zog die Familie in die Bremer Neustadt. Wilhelm war gerade 17 Jahre alt, als seine Mutter 1923 im Alter von nur 45 Jahren starb. Er besuchte zunächst die Dorfschule, später eine Privatschule. Zwei Jahre arbeitete er als Knecht und machte dann eine Lehre als Kaufmann. Im Herbst 1933 zog er von Bremen nach Gnarrenburg, wo er in der Glasfabrik Marienhütte eine Anstellung als Stenotypist und Übersetzer fand.

Im September 1936 hatte ihn der Bremervörder Amtsarzt Dr. Müller mit der Diagnose „Schizophrenie“ beim Erbgesundheitsgericht angezeigt. Nur wenige Wochen später verlor der junge Mann seine Arbeitsstelle in der Glasfabrik und kehrte nach Bremen zurück. Drei Monate lebte er in einem eigenen Zimmer in der Bremer Neustadt, bis er im Februar 1937 zunächst zu seinem Vater in den Kirchweg zog.

Wenige Tage später, am 23.2.1937, wurde er vor das Erbgesundheitsgericht in die BremerNervenklinik geladen. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass der Angeklagte „an einer dem schizophrenen Formenkreis angehörigen geistigen Erkrankung“ leide und aus diesemGrunde die Unfruchtbarmachung angeordnet werde. Umgehend legte Wilkens Protestgegen das Urteil ein. Er schrieb Briefe an das Erbgesundheitsgericht und erhob Widerspruch beim Erbgesundheitsobergericht in Hamburg. Im Juni 1937 kam es zu einer Sitzung des Erbgesundheitsobergerichts Hamburg in Bremen, bei der Wilkens angab, dass er „die Operation nicht vornehmen lassen“ möchte. Auch sein Vater bemühte sich, die Richter davon zu überzeugen, von dem Urteil abzusehen: Sein Sohn habe eine „ganz schlechte Jugend gehabt“. Dennoch ordneten die Richter seine umgehende „Unfruchtbarmachung wegen Schizophrenie“ an. Ende Januar 1940 wurde der 34-Jährige in die Bremer Nervenklinik eingewiesen. Sein Vater hatte „um polizeilichen Schutz [gebeten], da sein Sohn zu Hause furchtbar erregt sei und sich nicht beruhigen“ lasse.

Am 13.8.1942 wurde Wilhelm Wilkens zusammen mit 125 weiteren Patienten in die Tötungsanstalt Hadamar deportiert. Bei Aufnahme in der Bremer Nervenklinik hatte Wilkens 61 kg bei einer Körpergröße von 1,66 cm gewogen. Im Monat seiner Verlegung war sein Gewicht auf 50 kg gesunken. Der letzte und einzige Eintrag in den Patientenunterlagen in Hadamar lautete: „Kam hier sehr elend an. Erholte sich nicht mehr. Hatte hier Anfälle. Heute exitus an Marasmus.“ In seinem Totenschein ist als Todesursache vermerkt: Grundleiden: „Epilepsie“, Todesursache: „Tod im epileptischen Anfall“. Da Wilhelm Wilkens niemals unter Epilepsie litt, ist davon auszugehen, dass der Todesursache eine Fälschung zu Grunde liegt. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ermordete man den 36-Jährigen am 23.8.1942, nur zehn Tage nach seiner Ankunft in Hadamar, durch überdosierte Medikamente.

Gerda Engelbracht (2020)

Informationsquellen:
Landeswohlfahrtsverband Hessen Best. 12, K 281
StA Bremen 4,130/2-175/1937

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag "Euthanasie" / Zwangssterilisation
Glossarbeitrag "Heilanstalten"