Biografie im Erinnerungsportal, kein Stolperstein vorhanden
Friedrich Rademacher, *1891
Eingewiesen 1917 Bremer Nervenklinik, "verlegt" 1943 Heilanstalt Meseritz-Obrawalde, ermordet 25.3.1944
Bremen-Neustadt
ehemalige Straßenbezeichnung: Nienabersgang 12
Friedrich Rademacher
Friedrich Rademacher wurde am 19.6.1891 in Woltmershausen geboren. Aus der Ehe seiner Eltern Heini Gottlieb Rademacher und dessen Ehefrau Sophie Dorothee Wilhelmina (geb. Meier genannt Bünte) gingen zwischen 1888 und 1897 insgesamt fünf Kinder hervor. Es ist bekannt, dass der zweitälteste Straßenbahnfahrer wurde, die jüngere Tochter heiratete und nach Westerstede zog.
Bei Friedrich Rademacher und seiner drei Jahre jüngeren Schwester Wilhelmina wurde schon früh „Imbezillität“ (Grad der mittleren bis schweren Intelligenzminderung) diagnostiziert. Beide Kinder kamen bereits 1901 in die erste bremische Pflege- und Erziehungsanstalt für körperlich und geistig behinderte Kinder und Jugendliche im Bremen-Horn, ab 1908 umbenannt in „Haus Reddersen“.
Dort besuchte Friedrich Rademacher die Schule. Mit Beginn der Pubertät zeigte er zunehmend sexuell auffälliges Verhalten („sexuelle Perversitäten“), später wurde immer wieder auf seine homosexuellen Neigungen hingewiesen. Nach seiner Konfirmation 1907 bekam Friedrich Rademacher seine erste Anstellung mit einfachen Botengängen. Es war offensichtlich, dass er nie in der Lage sein würde ein Handwerk auszuüben. Jahrzehnte später galt er in der Klinik zwar als langsamer, aber sehr gewissenhafter Arbeiter bei Ausführung von Flickarbeiten in der Schneiderei.
Seiner Ersteinweisung in das St. Jürgen-Asyl 1917 folgten in kurzem zeitlichen Abstand weitere, immer mit knapper Aufenthaltsdauer. Es ist ein Brief aus September 1917 von seiner Mutter überliefert. Zu diesem Zeitpunkt hielt Friedrich Rademacher sich bei ihr auf. Sie schrieb deshalb: „ […] da Fritz nun schon dreimal dort war und immer wegläuft […]“, sehe sie keinen Sinn ihn erneut in die Klinik zu bringen. Eine ähnliche Einstellung vertrat die Mutter schon 1910, als Friedrich, der damals in der Anstaltsschneiderei vom Haus Reddersen arbeitete, nach einem Urlaub nicht wieder zurück wollte.
Die endgültige Einweisung in die Klinik war in 1919 unumgänglich. Seine Schwester Wilhelmina wurde bereits 1916 in der Klinik aufgenommen. 1923 stellt Friedrich Rademachers verheiratete Schwester einen Antrag. Sie wünschte ihren Bruder bei sich in die Landpflege zu nehmen. Doch das Gesundheitsamt lehnte ab. Als Begründung wurden die sich immer wieder zeigenden homosexuellen Neigungen ihres Bruders angeführt.
Friedrich Rademacher bekam immer wieder Urlaub gewährt, um seine Familie zu besuchen. Nach dem frühen Tod des Vaters, war inzwischen auch seine Mutter verstorben. Gegen Ende der 1930er Jahre bat die Familie dem Patienten nicht zu oft Urlaub zu gewähren. 1931 war er für einige Monate in die Rotenburger Anstalten verlegt worden, dann aber für weitere Behandlungen zurück nach Bremen überwiesen.
Mit Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 fiel Friedrich Rademacher unter die Aufsicht des Erbgesundheitsamtes. Zur Verhütung erbkranken Nachwuchses sollte eine Sterilisation durchgeführt werden, beantragt vom damaligen Direktor der Bremischen Heil- und Pflegeanstalt Dr. Steinmeyer. Friedrich Rademacher nahm zwar an der Verhandlung 1934 teil, konnte jedoch den Sachverhalt nicht erfassen, weshalb ihm ein Rechtspfleger zur Seite gestellt wurde. Die Sterilisation wurde im Mai 1934 vollzogen.
Bei Friedrich Rademacher zeigten sich im Laufe der Zeit körperliche Auffälligkeiten, mit fast 50 Jahren sprach er nur noch stockend und taumelte beim Gehen. Seinen homosexuellen Neigungen folgte er auch noch im fortgeschrittenen Alter. Es gab Beschwerden von Patienten, die sich belästigt fühlten.
Am 9.12.1943 wurde Friedrich Rademacher in die Tötungsanstalt Meseritz-Obrawalde "verlegt". Die meisten der verlegten Patienten starben infolge von Medikamentenüberdosierungen, durch Nahrungsentzug, pflegerische oder medizinische Vernachlässigung. Der 53-jährige Friedrich Rademacher starb am 25.3.1944.
Seine Schwester Wilhelmine war für den Transport nach Meseritz-Obrawalde nicht vorgesehen, höchstwahrscheinlich war sie in „Landpflege“ bei einer Familie in bäuerlicher Umgebung. Bis zu ihrem Tod 1973 blieb sie unter Aufsicht der Klinik.
Die Erkrankung der Geschwister Rademacher zeigte noch für die folgende Generation der Familie Auswirkung. Eine Nichte bereitete sich 1939 in München auf ihr Medizinstudium vor und benötigte dafür einen Nachweis der Erbgesundheit. In der Antwort aus Bremen hieß es, das Leiden der Geschwister sei eine Erbkrankheit.
Die Verlegung eines Stolpersteines ist nicht möglich, weil die frühere Bebauung und Straßenführung nicht mehr besteht.
Kornelia Renemann (2025)
Informationsquellen:
StA Bremen Einwohnermeldekartei, Bestand 4.60/5
Archiv Klinikum Bremen-Ost, Krankenakte
Personenstandregister 1875-1935 auf www.maus.de (Stand 9/2016)
Weitere Informationen:
Glossarbeitrag "Euthanasie" / Zwangssterilisation
Glossarbeitrag "Heilanstalten"

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