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Alfred Schachtel, *1906

deportiert 1941
ermordet in Minsk


Nordstr./in Höhe der Haltestelle Grenzstr.
Bremen-Walle
ehemalige Straßenbezeichnung: Nordstr. 210


Nordstr./in Höhe der Haltestelle Grenzstr. - Weitere Stolpersteine:


Alfred Schachtel


Familienbiografie
Sara Schachtel, geb. Simon
Alfred Schachtel
Siegbert Schachtel

Sara Schachtel (geb. am 5.3.1876 in Pakosch) kam als Tochter von Meier und Pauline Simon, geb. Rogowska, zur Welt. Sie heiratete 1898 den Kaufmann und Klempnermeister Isidor Schachtel (geb. am 1.5.1871 in Znin). Die Familie lebte seit 1922 in Bremen und war seit 1923 Eigentümerin des Hauses Nordstraße 210, wo sie auch wohnte. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor, alle geboren in Znin: Martin (geb. 1899 , gefallen im Ersten Weltkrieg), Alfred (geb. 1906), Siegbert (geb. 1911) und Paula (geb. 1901). Isidor Schachtel betrieb in der Nordstraße 210 ein Lederwarengeschäft. Nach seinem Tod am 12.12.1937 führte seine Witwe das Geschäft weiter, insbesondere handelte sie mit Materialien zur Anfertigung und Ausbesserung von Schuhen.

In der Broschüre der Kreisleitung der NSDAP „...auch dich geht es an“ von 1935 wurde zum Boykott des Geschäftes in der Nordstraße 210 aufgerufen. In der Reichspogromnacht 9./10.11.1938 wurden die Schaufensterscheiben eingeschlagen und im Schaufenster lag ein Zettel mit der Aufschrift „Die Rache des Volkes“. Das Geschäft musste am 29.12.1938 geschlossen werden. Das Haus in der Nordstraße 210 wurde ab 1941 von den Behörden als „Judenhaus“ genutzt und am 10.11.1941 entschädigungslos zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen.

Die Familie besaß in der Kreuzstraße 30 ein weiteres Haus, in dem Alfred und Siegbert wohnten, beide Kaufmann und ledig. Alfred wurde im Zuge des Novemberpogroms 1938 verhaftet und bis Dezember 1938 im KZ Sachsenhausen interniert. Nach der „Arisierung“ des Hauses Kreustraße 30 im Mai 1939 zogen Alfred und Siegbert in die Nordstraße 210. Auswanderungspläne von Mutter und Söhnen scheiterten. Am 18.11.1941 wurden Sara, Alfred und Siegbert Schachtel in das Ghetto Minsk deportiert und ermordet: Sofern sie nicht den unmenschlichen Lebensbedingungen im Ghetto erlagen, fielen sie einer der Massenmordaktionen zum Opfer, die Ende Juli 1942 begannen.

Auch Saras Tochter Paula wurde Opfer der Shoah. Sie hatte 1934 den aus der Heimat ihrer Eltern stammenden Kaufmann Martin Warschauer geheiratet und zu ihm nach Berlin gezogen. Dort kam am 7.1. 1938 die gemeinsame Tochter Mirjam Rose zur Welt. In der Novemberpogromnacht 1938 wurde ihr Mann verhaftet und ins KZ Sachsenhausen verschleppt. Anschließend gelang ihm die Flucht nach England, wo er nach Kriegsausbruch auf der Isle of Man inhaftiert und nach Australien deportiert wurde. Dort verliert sich die Spur seines Lebens. Paula Warschauer kehrte gemeinsam mit ihrer kleinen Tochter noch einmal für mehrere Wochen nach Bremen in ihr Elternhaus zurück. Im Oktober 1942 waren Paula und Mirjam Warschauer bereits für die Deportation ins Ghetto Riga vorgesehen, wurden jedoch ohne Angabe von Gründen von der Transportliste gestrichen. Ein halbes Jahr später, am 2.3.1943, wurden sie dann in das Arbeits- und Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Kirsten-Constance Gosau/Manfred Runge (2019)

Informationsquellen:
StA Bremen 4,54-E10907, 4,54-Ra410, 4,60/5-8050, Einwohnermeldekartei, „auch dich geht es an“ AB-9997-2a
Arolsen Archives (document 127207385, document 86642993)
Eckler-von Gleich, Cecilie/Kühne, Rosie: Juden in Walle, Bremen 1990
Berliner Adressbuch 1941
www.weltkriegsopfer.de

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag "Judenhäuser"
Glossarbeitrag "Arisierung"
Glossarbeitrag Minsk