Helga Hirschfeld, *1930
Flucht 1933 nach Holland , interniert Westerbork, deportiert 1942
Ermordet in Auschwitz
Bürgermeister-Smidt-Str./neben Ausfahrt Hochgarage
Bremen-Mitte
ehemalige Straßenbezeichnung: Kaiserstraße 14
Verlegedatum: 29.05.2013
Bürgermeister-Smidt-Str./neben Ausfahrt Hochgarage - Weitere Stolpersteine:
- Inge Goldschmidt
- Else Hirschfeld
- Hermann Hirschfeld
- Ilse Hirschfeld
- Heinz Meyer
- Sophie Meyer
- Alma-Ursel Salomon
- Ella Salomon
- Ida Salomon
- Leopold Salomon
Helga Hirschfeld
Familienbiografie
Hermann Hirschfeld
Else Hirschfeld, geb. Salomon
Helga Hirschfeld
Ilse Hirschfeld
Hermann Hirschfeld wurde am 29.7.1903 als Sohn von Hugo Hirschfeld und seiner Frau Ida geb. Scheiberg in Braunschweig geboren. Seit 1928 war er als kaufmännischer Geschäftsführer eines Unternehmens der Modebranche in Bremen tätig, die Israelitische Gemeinde Bremen verzeichnete ihn als Mitglied.
Am 6.9.1929 heiratete er in Bremen die am 17.7.1904 in Hamburg geborene Else Salomon; sie war das vierte von fünf Kindern des Buchhändlers Albert Salomon (1870-1937) und seiner Frau Ida, geb. Rosenthal (1881-1938). Albert Salomon war 1913 mit seiner Familie von Hamburg nach Bremen gezogen und in die Buch- und Zeitschriftenhandlung („Bremer Buch- und Zeitschriftenzentrale“) seines Bruders Siegfried eingetreten. Der Laden lag im Stadtzentrum in der Kaiserstraße 14 (heute Bürgermeister-Smidt-Straße), wo die Familie auch wohnte. Ida und Albert Salomon führten ein glückliches Familienleben, hatten einen großen Freundeskreis und beteiligten sich intensiv am kulturellen Leben der Stadt.
Hermann und Else Hirschfeld wohnten in demselben Haus wie Elses Eltern sowie ihr Bruder Leopold und ihre Schwester Sophie mit ihren Familien. Am 12.9.1930 wurde in Bremen Hermanns und Elses Tochter Helga geboren.
Ende Mai 1933 emigrierte die Familie Hirschfeld, von Hermanns Mutter begleitet, in die Niederlande und zog in die in der Südstadt von Amsterdam gelegene Roerstraat 20 beletage. Else eröffnete dort eine Pension, in der vor allem Flüchtlinge aus Deutschland unterkamen; Hermann leitete eine Firma namens Mode Elite Show; Hermanns Mutter half im Haushalt.
Zwischen Hermann und Else Hirschfeld und Elses in Bremen gebliebenen Verwandten wurde über Jahre eine rege Korrespondenz geführt, auch wurden Fotos ausgetauscht. Im Sommer 1935 besuchten Elses jüngste Schwester Grete (verheiratete Gottschalk) und ihre 1924 in Bremen geborene Tochter Else vor ihrer Auswanderung nach Südafrika die Familie Hirschfeld. Am 22.5.1936 wurde in Amsterdam Elses und Hermanns Tochter Ilse geboren. Helga wurde in Amsterdam eingeschult und schrieb bald auf Niederländisch Grüße an Tante Grete und Cousine Else. Im Mai 1939 schrieb Hermann an die Verwandten in Südafrika, dass seine Firma jetzt den Status einer Aktiengesellschaft erlangt hätte und er sich davon verbesserte Chancen auf eine Ausreise verspräche.
Im Mai 1940 besetzten deutsche Truppen völkerrechtswidrig die neutralen Niederlande und errichteten ein militärisches Besatzungsregime. Seit Ende 1940 wurden die in den Niederlanden lebenden deutschen Juden zunächst registriert und dann systematisch isoliert. Wer nicht mit Hilfe niederländischer Freunde untertauchen konnte, war nun unmittelbar gefährdet. Am 1.7.1942 wurde das im Osten der Niederlande gelegene Lager Westerbork in ein „Durchgangslager“ umgewandelt und der Sicherheitspolizei unterstellt. Mitte Juli 1942 begannen von dort die Deportationen vor allem in die Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau und Sobibór. Die von der SS zusammengestellten und von der Deutschen Reichsbahn organisierten Transporte in Viehwaggons dauerten zwei bis drei Tage. An der Bewachung der Deportationszüge waren Angehörige des Polizeibataillons 105 aus Bremen beteiligt. Beklemmende Filmaufnahmen von der Abfahrt der Züge aus Westerbork wurden in dem Dokumentarfilm „Nuit et brouillard“ des französischen Regisseurs Alain Resnais aus dem Jahr 1955 verwendet.
Hermann, Else, Helga und Ilse Hirschfeld wurden am 15.7.1942 aus Amsterdam deportiert. Vom Bahnhof Hooghalen mussten sie 6 km zum Lager Westerbork laufen, wurden dort registriert und mussten zurück zum Bahnhof laufen. Auf diesem Weg hat wohl der Vater Ilse auf den Schultern getragen, wenn die Bewacher es ihm nicht verwehrt haben. Es war der erste Transport von Westerbork nach Auschwitz-Birkenau; er umfasste 1137 Personen. Else Hirschfeld und die Töchter Helga und Ilse wurden gleich nach der Ankunft am 17.7.1942 ermordet. Hermann Hirschfeld wurde am 17.7.1942 bei der Selektion an der Rampe des Lagers Auschwitz-Birkenau von seiner Frau und seinen Töchtern getrennt, zur Zwangsarbeit eingeteilt und Anfang Dezember 1942 ermordet.
Zu diesem Zeitpunkt war indessen die Kommunikation zwischen der Familie Hirschfeld und der Familie Gottschalk in Südafrika über das Internationale Komitee vom Roten Kreuz noch nicht abgeschlossen. Die letzte Nachricht von Else und Hermann Hirschfeld aus Amsterdam an Elses Schwager Simon Gottschalk in Johannesburg (Südafrika) war am 16.4.1942 beim niederländischen Roten Kreuz in Den Haag eingereicht worden, das die Nachricht dem Deutschen Roten Kreuz vorgelegt hatte. Dort war sie vermutlich von der Zensur überprüft und an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz in Genf weitergeleitet worden. Über das südafrikanische Rote Kreuz hat sie (wohl am 30.7.1942) den Empfänger erreicht. Am 17.7.1942 waren Else Hirschfeld und ihre Töchter Helga und Ilse bereits in Auschwitz ermordet worden.
In der Nachricht folgen auf die Mitteilung vom Tod der Mutter Hermann Hirschfelds Nachrichten von der Familie Salomon: die Heirat der Schwester Sophie mit Heinz Meyer, deren Deportation und die Deportation der Familie des Bruders Leopold nach Minsk und die Schwierigkeiten des Schwagers David („Deny“) Posener, der 1940 in Brüssel verhaftet und zunächst im Lager Gurs festgehalten wurde, und seiner Frau, Elses Schwester Clara, die in Brüssel zurückgeblieben war. (Beide, sowie ihr Sohn Manfred, wurden später in Vernichtungslagern im Osten ermordet.) Offenbar waren sowohl von der Familie Salomon in Bremen als auch von der Familie Posener in Brüssel Informationen zur Familie Hirschfeld in Amsterdam gelangt.
Grete und Simon Gottschalks Antwort traf auf dem Weg über das Südafrikanische Rote Kreuz, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (Eingangsstempel vom 4. Februar 1943), das Deutsche Rote Kreuz und das Niederländische Rote Kreuz in Amsterdam ein, als alle Mitglieder der Familie Hirschfeld längst in Auschwitz ermordet worden waren.
Die Mitteilung ging daraufhin über das Niederländische Rote Kreuz, das Deutsche Rote Kreuz, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (mit Eingangsstempel vom 21. Mai 1943) und das Südafrikanische Rote Kreuz zurück an Grete und Simon Gottschalk in Johannesburg.
Auf der Rückseite des Dokuments findet sich die Mitteilung: „FAMILIE HIRSCHFELD im Juli ...... ...... nach ...... verzogen. Adresse unbekannt.“ Dabei sind in der zweiten Textzeile drei Stellen anscheinend mit der Schere ausgeschnitten worden. In der Zeile finden sich deshalb keine Angaben zum Zeitpunkt und zum Ziel des „Umzugs“. Mutmaßlich sind diese Angaben von der Zensur (möglicherweise durch das Deutsche Rote Kreuz) aus dem Dokument entfernt worden.
Dem zurückgesandten Dokument war ein Schreiben des Südafrikanischen Roten Kreuzes vom 15. September 1943 beigefügt. In diesem Begleitschreiben wurde der beunruhigende Inhalt des Dokuments bedauert und darauf hingewiesen, dass das Internationale Komitee vom Roten Kreuz zur Zeit große Schwierigkeiten hätte, Informationen über deportierte Personen zu erhalten. Sobald sich die Gelegenheit ergäbe, werde man sich darum bemühen, Informationen über diese Personen zu erhalten.
Die nach Südafrika emigrierten Familien Goldschmidt und Gottschalk haben erst 1947/48 Gewissheit über das Schicksal ihrer in der Shoah ermordeten Verwandten erlangt.
Michael Cochu (2015)
Informationsquellen:
StA Bremen Einwohnermeldekartei
Briefwechsel Else Hirschfeld / Grete Gottschalk (1936-1942)
Beuys, Barbara: Leben mit dem Feind - Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945, München 2012
www.joodsmonument.nl/person/496402/nl
Schneider, Karl: Auswärts eingesetzt - Bremer Polizeibataillone und der Holocaust; Essen 2011
Mitteilung des Erinnerungszentrums Kamp Westerbork vom 8.4. 2013
Abbildungsnachweis: Privatbesitz
Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Westerbork
Glossarbeitrag Auschwitz

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