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Robert Scheyer, *1884

´SCHUTZHAFT`1938 KZ SACHSENHAUSEN, DEPORTIERT 1942 THERESIENSTADT, 1944 AUSCHWITZ
ERMORDET


Keplerstraße 36
Bremen-Östliche Vorstadt

Verlegedatum: 11.10.2023


Keplerstraße 36 - Weitere Stolpersteine:


Robert Scheyer

Robert Scheyer

Robert Scheyer wurde am 20.4.1884 in Mainz als Sohn von Jeosius Scheyer und Katharina, geb. Zacharias, geboren. Seine Eltern warten jüdischen Glaubens. Über die Zeit seiner Kindheit liegen keine Informationen vor.

Er zog 1910 als 26-Jähriger nach Weinheim, wo er in seinem Beruf als Schauspieler arbeitete. Im April 1911 verzog er bereits weiter nach Aachen. 1916 heiratete Robert Scheyer in Pforzheim Maria Stern, geb. 1883 in Waldbäkelheim b. Kreuznach. Sie war ebenfalls Schauspielerin, Sängerin und Gesangslehrerin. Sie war evangelischen Glaubens. 1917 wurde die gemeinsame Tochter Margot geboren.

1919 zog die Familie nach Wilhelmshaven. Robert Scheyer wurde Teil des kulturellen Lebens der Stadt. Er arbeitete zunächst als Schauspieler, gründete dann eine Theatergruppe, die er nach der Spielstätte, dem repräsentativen Saal des Hotels Burg Hohenzollern, „Burgtheater“ nannte. Dieses Theater, dessen Direktor und Spielleiter er war, hatte einen gemischten Spielplan mit Operetten und Festveranstaltungen mit Gesangsdarbietungen. Seine Ehefrau trat als Sängerin auf. Er inszenierte u.a. Aufführungen des Grafen von Luxemburg und der Chardasfürstin, die in der regionalen Presse lobend besprochen wurden. Als das Hotel Burg Hohenzollern 1922 dem Neubau eines Karstadt Kaufhauses weichen musste, benannte Robert Scheyer sein Ensemble in Neues Theater um. Dieses musste nun in wechselnde Spielstätten, wie dem Wilhelmshavener Gesellschaftshaus und dem Adler Theater ausweichen

1920 gehörte er darüberhinaus zu den Gründern einer „Freien Volksbühne der Jadestädte“. Diese reichsweite, sozialdemokratisch orientierte Theaterbesucher-Organisation hatte den Zweck allen Volkskreisen hochwertige Theater-und Musiktheaterstücke zu mäßigen Preisen zugänglich zu machen. Robert Scheyer war hier beratend und auch künsterlerisch tätig. Er wirkte 1930/31 als Rezitator in mehreren Veranstaltungen des Volkschores und des sozialdemokratischen Kampfverbandes „Reichsbanner“ mit; auch hier trat Maria Scheyer als Sängerin auf. Die „Volksbühne“ wurde 1933 nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten verboten.

Im Zuge von nun erlassenen Berufsverboten, zunehmender Einschränkungen und Drangsalierens der jüdischen Bevolkerung konnte Robert Scheyer seinen Beruf in Wilhelmshaven nicht mehr ausüben. Obwohl er konvertiert war, galt er ab 1935 nach den „Nürnberger Gesetzen“ als Jude. Zwischen 1936 und 1938 lebte er mehrfach in Gießen. Er arbeitete zunächst als Buchhändler und Kaufmann, 1939 wird er in seiner Kennkarte als Bauarbeiter geführt.

Seine Ehe wurde am 18.2.1938 geschieden. Im nachfolgenden Antrag auf Namensänderung gab Maria Scheyer an, dass sie als Gesangs- und Sprechlehrerin im öffentlichen Leben stehe und der jüdische Nachname Ärgernis erregt habe. Denunziation und Bespitzelung ergaben, dass das Ehepaar auch nach der Scheidung den Kontakt hielt: Robert Scheyer besuchte seine Frau und Tochter regelmäßig, alle acht bis zehn Tage in der ehemals gemeinsamen Wohnung Lilienburgstraße 29 in Wilhelmshaven. Er "würde sich dort längere Zeit aufhalten", so in einem Bericht der Gestapo.

In der Nacht vom 9./10. November 1938, der Progromnacht, wurde die Synagoge in Wilhelmshaven in Brand gesetzt. Die SA holte jüdische Bürger aus ihren Wohnungen und trieb sie, von Beschimpfungen und Steinwürfen zahlreicher Zuschauer begleitet, in die Jahnhalle. Während Frauen, Kinder und ältere Männer am folgenden Tag wieder nach Hause gehen durften, wurden 34 Männer, unter ihnen Robert Scheyer, am 11. November geschlossen zum Bahnhof geführt und zum KZ Sachsenhausen transportiert. Am 17.12. 1938 wurde er entlassen.

Auf der im Januar 1939 ausgestellten Kennkarte ist vermerkt, dass er an der rechten Hand Frostnarben habe und zwei Glieder des Zeigefingers fehlten. Dies könnten Folgen des KZ-Aufenthalts oder der körperlichen Arbeit sein, die er in den letzten Jahren verrichten musste.

Robert Scheyer zog infolge der Vertreibung der Juden aus Ostfriesland 1940 nach Bremen, wo er in das „Judenhaus“ Keplerstraße 36 eingewiesen wurde. Hier lebte er bis zum 23.7.1942, als er mit weiteren 163 Bremer Juden in das Ghetto Theresienstadt deportiert wurde. Am 28.10.1944 wurde er in das Vernichtungslager Ausschwitz transportiert. Hier wurde er an einem nicht bekannten Zeitpunkt ermordet.

Christa Rödel (2023)

Informationsquellen:
StA Bremen Einwohnermeldekartei
NLA Oldenburg 133,Nr.79
StA Wilhelmshaven Einwohnermeldekartei
www.juden-in-weinheim.de/de/personen/s/scheyer-robert.html
Novemberprogrome 1938 in Niedersachsen: Wilhelmshaven und Rüstringen, in: www.pogrome1938-niedersachsen.de/
LB Oldenburg, Zeitungen digital
Wilhelmshavener Heimatlexikon, Wilhelmshaven 1986

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Judenvertreibung Ostfriesland / Oldenburg
Glossarbeitrag Theresienstadt
Glossarbeitrag Auschwitz