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Willy Manne, *1888

deportiert 1941
ermordet in Minsk


Rembrandtstr. 25
Bremen-Schwachhausen


Rembrandtstr. 25 - Weitere Stolpersteine:


Willy Manne

Willy Manne

Familienbiografie
Willy Manne
Luzi Manne, geb. Adler

Der Name von Willy Manne war vor dem Zweiten Weltkrieg vielen Bremern geläufig. Er stand für ein bekanntes und renommiertes Geschenkartikelgeschäft in der Obernstraße, das mit dem Slogan warb: „Vor dem Verschenken an Manne denken“.

Willy Manne wurde am 4.8.1888 in Hamburg als Sohn von Samuel Manne aus Krakau und Rebecka, geb. Nathan, geboren. Er war erstmalig am 23.3.1912 in Bremen gemeldet und gründete im selben Jahr sein Geschäft. Bereits 1913 ließ er das Unternehmen Willy Manne, Galanterie- u. Luxuswarengeschäft, mit Sitz in der Obernstraße 53, im Bremer Handelsregister eintragen. Zwischen 1916 und 1918 nahm er als Soldat am Ersten Weltkrieg teil. Willy Manne war Mitglied der Israelitischen Gemeinde Bremen und der Kaiser-Friedrich-Loge des Unabhängigen Ordens B‘nai B‘rith, einer jüdischen Loge, die 1937 aufgelöst wurde. Im September 1922 erwarb er die deutsche Staatsbürgerschaft.
Wenige Monate nach Kriegsende, am 2.1.1919, heiratete er die am 15.2.1891 in Mellrichstadt/Bayern geborene Luzi Adler auf dem Standesamt Bremen-Mitte. Ihre Eltern waren Maier Adler und Adelheid, geb. Jacobi. Luzi Manne war die Schwester von Paula Keller (siehe Biografie Keller). Am 18.12.1919 wurde der Sohn Norbert geboren. Im Jahr 1928 erwarb und bezog das Ehepaar das Haus in der Hohenlohestraße 7.

Zahlreiche Baumaßnahmen zwischen 1925-1927 im Geschäft Obernstraße 53 lassen eine erfolgreiche wirtschaftliche Situation vermuten. Im Zuge einer Zwangsversteigerung wurde 1931 die Immobilie Obernstraße 35 erworben und das Geschäft nach dort verlegt. Es war bestens etabliert, hatte ein vielfältiges Warenangebot und erwirtschaftete einen guten Umsatz. Die Angebotspalette bestand u.a. aus Leder-, Kristall- und Glaswaren, Porzellan, Bijouterie, Uhren, Koffer und Reisezubehör, Marmor-, Silber- und Bronzewaren. Durchschnittlich waren sechs Verkäuferinnen und zwei Auszubildende beschäftigt.

Die Kreisleitung der NSDAP veröffentlichte 1935 die Broschüre „auch dich geht es an“, in der u.a. zum Boykott des Unternehmens – zusätzlich mit einem Foto des Hauses – aufgerufen wurde. Ab September 1938 musste Willy Manne in seinen Schaufenstern ein Schild „Jüdisches Geschäft“ anbringen. Die Repressalien gegenüber der jüdischen Bevölkerung kulminierten in der Nacht vom 9./10.11.1938, dem Novemberpogrom. Auch Mannes Geschäft wurde von SA-Männern überfallen und geplündert, aus der privaten Garage in der Hohenlohestraße wurde sein Auto entwendet. Sein Sohn Norbert berichtete über den 10. November: „Was nicht niet- und nagelfest war, wurde auf Autolastwagen geladen und fortgeführt. Die SA-Leute hausten in dem Geschäft wie Vandalen.

Was sie nicht mitnehmen konnten, wurde mit Äxten zerschlagen. Das Warenlager wurde fast restlos ausgeraubt.“ Eine ehemalige Mitarbeiterin, Mary Herzberg, ergänzte: „Als ich zu dem Geschäft von Manne kam, stand ein geschlossener Möbelwagen vor der Tür, SA-Leute trugen Kristallsachen und andere Waren aus dem Geschäft in den Möbelwagen. Es standen sehr viele Menschen aus Neugierde herum, sodass ich nicht ganz nahe herangehen konnte. Später wurde die Vorderfront mit Brettern vernagelt.“

Der Polizeipräsident bestellte einen Abwickler, der Teile des Warenbestandes und Inventars an einen Auktionator veräußerte. Die verbliebene Ware wurde von dem Abwickler, der ein Konkurrent des Geschäftseigentümers war, zu Schleuderpreisen verkauft; den Rest übernahm er für sein Geschäft. Der Erlös des Verkaufs wurde auf ein Sperrkonto zugunsten Willy Mannes eingezahlt.

In der Pogromnacht wurden Willy und Norbert Manne mit über 170 weiteren jüdischen Bürgern in „Schutzhaft“ genommen und am folgenden Morgen auf einem langen Marsch durch die Stadt in das Zuchthaus Bremen-Oslebshausen getrieben. Willy Manne wurde tags darauf in das KZ Sachsenhausen deportiert, aus dem er am 21.11.1938 wieder entlassen wurde. Norbert, der am 11.11.1938 das Visum für die Einreise nach Uruguay erhalten hatte, kam nach kurzer Haft ebenfalls frei und emigrierte am 17./18.11.1938 zusammen mit seinem Cousin Harry Keller nach Montevideo.

Das Geschäftshaus in der Obernstraße wurde ebenso wie die Immobilie in der Hohenlohestraße noch im Dezember 1938 „arisiert“. Das restliche Vermögen wurde im Herbst 1941 zugunsten des Deutschen Reichs eingezogen. Nachdem das Ehepaar Manne aufgrund einer Vereinbarung mit dem Käufer vorerst noch in der Hohenlohestraße wohnen konnte, wurde es im September 1940 zum Umzug in das „Judenhaus“ in der Rembrandtstraße 25 gezwungen. Norbert Manne berichtete nach dem Kriege, dass eine Flucht seiner Eltern trotz aller Bemühungen scheiterte „weil wir im Ausland keine Geldmittel zur Verfügung hatten“. Gleichwohl waren vom Ehepaar zur Vorbereitung bereits zwei Lifts nach Antwerpen mit dem Ziel Montevideo verfrachtet worden, die nach Kriegsausbruch – teils ausgeraubt – wieder zurückkamen. Der restliche Inhalt wurde versteigert und der Erlös von 196,80 RM auf ein Sperrkonto eingezahlt.

Am 18.11.1941 wurde das Ehepaar Manne, zusammen mit 443 weiteren jüdischen Bremer Bürgern, in das Ghetto Minsk deportiert. Sie wurden ermordet: Sofern sie nicht den unmenschlichen Lebensbedingungen im Ghetto erlagen, fielen sie einer der Massenmordaktionen zum Opfer, die Ende Juli 1942 begannen.

Norbert Manne, der das Realgymnasium an der Kaiser-Friedrich-Straße (heute Hermann-Böse-Gymnasium) besucht hatte, musste als letzter jüdischer Schüler, nach Ablegung der Reifeprüfung, am 15.3.1938 die Schule verlassen. Die Aufnahme des gewünschten Ingenieurstudiums war ihm verwehrt, deshalb ließ er sich an der Universität Perugia immatrikulieren. Bis zur Pogromnacht war er im Geschäft seines Vaters tätig. In seinem Fluchtort Montevideo, den er am 20.12.1938 erreichte, war er in mehreren Betrieben kaufmännisch tätig. 1953 kehrte er nach Bremen zurück, zog 1955 nach Hannover, weil er dort ein Geschäft (Bijouterie, Leder-, Kristall- und Porzellanwaren) gegründet hatte.

Peter Christoffersen (2017)

Informationsquellen:
StA Bremen 4,54-E4073, 4,54-E10740, 4,54-E10746, 4,54-Ra332, 4,54-Ra603, 4,13/5-34, 4,44/2-190, Einwohnermeldekartei, „auch dich geht es an“ AB-9997-2a
Bir, Volkard: Willy und Luzi Manne, gestorben in Minsk (Eigenpublikation)

Abbildungsnachweis: Privatbesitz (Familie Manne ca. 1925)

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag "Schutzhaft"
Glossarbeitrag "Arisierung"
Glossarbeitrag Minsk