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Sara Lundner, geb. Kühnreich, *1874

ausgewiesen 1938 nach Polen
ermordet in Auschwitz


Fliederstr. 41a
Bremen-Hemelingen


Fliederstr. 41a - Weitere Stolpersteine:


Sara Lundner

Sara Lundner

Familienbiografie
Juda Lundner
Sara Lundner, geb. Kühnreich

Juda Wolff Lundner (geb. 23.12.1871 in Oswiecim/Auschwitz) war der Sohn von Israel Lundner und Yendela Haber. Seine Ehefrau war Sara Kühnreich (geb. 12.11.1874 in Chrzanow/Westgalizien), Tochter von Lela Kühnreich, Vater unbekannt. 1901 heirateten beide im Geburtsort der Frau, wo auch die ersten vier Kinder zur Welt kamen; insgesamt hatte das Ehepaar zehn Kinder. Alle besaßen die polnische Staatsangehörigkeit.

Die Familie lebte ab 1904 in Bremen; zunächst in Sebaldsbrück und ab 1920 im eigenen Haus in der Fliederstraße 41a. Sie gehörte der ostjüdischen Gemeinde in Sebaldsbrück an, die den Namen „Beith Hamidrasch Schomre Schabbos“ (Haus der Sabbath-Hüter) führte. Das Bethaus befand sich der Sebaldsbrücker Heerstraße 55.

Juda Lundner betrieb seit 1906 eine Sackhandlung. Sein Sohn Gustav trat 1924 zuerst als Lehrling und dann als Angestellter in das väterliche Geschäft ein. Am 1.1.1935 wurde die Firma J.W. Lundner Söhne OHG gegründet, in der neben ihm die beiden Söhne Arnold und Gustav gleichberechtigte Gesellschafter waren. Ihr Lager hatten sie auf dem Teerhof 17/19. Die Firma kaufte im Landgebiet gebrauchte Säcke auf, sortierte und reparierte diese und verkaufte sie dann an Sackgroßhändler weiter. Sie hatte ungefähr zehn regelmäßige Abnehmer, deren Stückankauf oft in die Tausende ging. Der Durchschnittspreis pro Sack lag bei 0,50-0,70 RM, die Gewinnmarge betrug ca. 25%. Um die Mengen weiter zu transportieren, arbeitete man mit einer Speditionsfirma zusammen. 1931 meldete Juda Lundner noch einen Wäscheversand an.

Die Sackhandlung warf ausreichend Ertrag ab, um die große Familie zu ernähren. Die Töchter erhielten bei ihrer Verheiratung jeweils eine nicht unbedeutende Mitgift. Unter dem Druck der Verhältnisse verkaufte Juda Lundner vermutlich im Jahr 1938 sein Haus in der Fliederstraße für 11.000 RM an einen Gemüsehändler aus Hastedt. Der Erlös war auf ein Sperrkonto einzuzahlen. Über den Verkauf seiner weiteren Immobilie Fliederstraße 21 ist nichts ermittelbar.

Als die Söhne Arnold und Adolf am 26.10.1938 in die USA auswanderten, begleitete der Vater sie zur Einschiffung nach Hamburg. Es ist anzunehmen, dass er anschließend die Nacht bei einer seiner beiden Töchter in Hamburg verbrachte. Am nächsten Tag, nach Bremen in die Fliederstraße zurückkommend, wurde er im Zuge der „Polenaktion“ noch auf der Straße vor seinem Haus verhaftet. Der Augenzeuge Phillipp Merz, der ein Friseurgeschäft in der Föhrenstraße betrieb, berichtete später, dass ein Wagen vor dem Haus gestanden habe, in den die Familienangehörigen gedrängt worden seien. Nachdem Juda und Sara Lundner verhaftet worden waren, verbrachten sie eine Nacht im Gefangenenhaus Ostertorwache. Am nächsten Tag wurden sie in einer Gruppe von über 80 Deportierten in Fraustadt/Oberschlesien über die Grenze nach Polen abgeschoben. Aus der Familie Lundner waren 13 Personen dabei.

Die Tochter Rosa erinnerte sich an das Schicksal ihrer Eltern:
"[...] Wir kamen nach vielen Strapazen nach Chrzanow, dem Geburtsort meiner Mutter. Dort
kamen wir im Januar 1940 ins Ghetto. Meine Eltern wurden durch die Gestapo am 9.7.1942
nach Auschwitz, 20 Minuten von Chrzanow, geschickt, wo sie umgekommen sind. [...]"

Während des Aufenthalts im Ghetto Chrzanow waren meine Eltern zum Tragen des Judensterns
gezwungen. Ihr Todestag ist nicht bekannt.

Juda und Sara Lundner hatten zehn Kinder und 27 Enkelkinder. Nur die Kinder Adolf, Arnold und Rosa entkamen dem Holocaust. Drei Generationen, bestehend aus 42 Menschenleben, wurden ausgelöscht.

Zum Schicksal der Kinder:

Salomon Lundner (geb. 1896 in Chrzanow) wurde mit Ehefrau Chana und vier Kindern 1938 nach Polen abgeschoben. Zu einem unbekannten Zeitpunkt wurden sie in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert und dort ermordet.

Isaak Lundner (geb. 1898 in Chrzanow) wurde 1942 aus Belgien nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Seine Ehefrau Frieda und ihre fünf Kinder wurden 1941 von Bremen in das Ghetto Minsk deportiert und verloren dort ihr Leben.

Jacob Lundner (geb. 1900 in Chrzanow) lebte in Halberstadt und war Direktor der jüdischen Schule. Mit seiner Frau Klara und sechs Kindern wurden sie 1942 in das Ghetto Warschau deportiert, wo sich ihre Lebensspur verliert. Nur der Tochter Beate gelang es 1938 über Wien nach Palästina zu fliehen.

Berta Lundner (geb. 1903 in Chrzanow) war mit Adolf Friedmann verheiratet. Beide wurden mit ihren fünf Kindern am 27./28.10.1938 aus Hamburg nach Polen abgeschoben und später vermutlich in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau verschleppt. Keiner von ihnen überlebte.

Adolf Lundner (geb. 1908 in Bremen), der zuletzt in der Föhrenstraße 58 wohnte, gelang es mit Ehefrau und drei Kindern am 26.10.1938 in die USA auszuwandern. Die Familie ließ sich in Brooklyn/New York nieder und lebte dort in bescheidenen Verhältnissen. Später übersiedelte er mit einem Sohn nach Israel.

Gustav Lundner (geb. 1908 in Bremen) wurde mit Ehefrau Malka und beiden Kindern am 27./28.10.1938 nach Polen abgeschoben. Die Familie wurde zu einem nicht bekannten Zeitpunkt vermutlich in das Vernichtungslager Belzec verschleppt. Keiner von ihnen überlebte.

Anna Lundner (geb. 1910 in Bremen) lebte in Hamburg und war mit Jacob Strauss verheiratet. Sie flohen nach Amsterdam. Zu einem unbekannten Zeitpunkt wurde die Familie dort verhaftet und in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert, wo sie 1944 ermordet wurde.

Regina Lundner (geb. 1912 in Bremen) lebte in Frankfurt/M. und war mit Theodor Hoffnung verheiratet. Sie flohen mit ihrer Tochter Rahel 1939 nach Belgien. Reginas Bruder Isaak und die Schwester ihres Ehemannes lebten bei ihnen. Am 23.10.1942 wurden alle Familienmitglieder verhaftet und in das Sammellager Mechelen eingeliefert. Bereits am nächsten Tag wurden sie in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert, wo sich ihre Lebensspur verliert.

Arnold Lundner (geb. 1913 in Bremen), der mit seinem Vater den Sackhandel betrieben hatte, wanderte am 26.10.1938 in die USA aus. Er lebte in Brooklyn/New York, war verheiratet und hatte zwei Kinder.

Rosa Lundner (geb. 1916 in Bremen) wurde am 27./28.10.1938 nach Polen ausgewiesen. Nach der Besetzung Polens wurde sie zur Zwangsarbeit verpflichtet und war am Ende des Krieges im Frauenarbeitslager Bernsdorf (Sudetengau) inhaftiert. Nach ihrer Befreiung 1945 wanderte sie nach Palästina aus und heiratete dort Simon Nussbaum. Das Ehepaar hatte drei Söhne.

Die nach Palästina ausgewanderte Enkeltochter Beate Lundner (s.o. Tochter von Jacob L.) heiratete Jaakov Pappenheim. Nach ihrem Tod 2005 nahm ihr jüngster Sohn Rabbiner Benjamin Pappenheim Kontakt zu einer Initiative in Halberstadt auf und war anschließend mehrere Male dort zu Besuch. 2012 besuchte er das Haus seiner Urgroßeltern in Bremen. 2001 wurde in Halberstadt eine Grundschule nach Miriam Lundner, der jüngsten Tochter Jacob Lundners, benannt.

Peter Christoffersen (2023)

Informationsquellen:
StA Bremen 4,54-E10340; 4,54-E9492; Einwohnermeldekartei
Archiv Kazerne Dossin, Mechelen
www.juden-im-alten-halberstadt.de/

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag "Polenaktion"
Glossarbeitrag Minsk
Glossarbeitrag Auschwitz
Glossarbeitrag Malines / Mechelen
Glossarbeitrag "Arisierung"

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